Passend zum Start des Weihnachtsgeschäfts präsentieren Microsoft und Sony in Kürze ihre neuen Spielekonsolen. Unter anderem dabei: ein Abo-Modell (aktuell jedoch noch nicht in Deutschland). Branchenexpertin Lisa Jäger, Global Head der Software, Internet & Media Practice bei Simon-Kucher, erklärt, warum Microsofts „All Access Model“ ein smarter Vorstoß ist.
Microsoft und Sony wollen im November jeweils nicht nur eine, sondern gleich zwei neue Konsolen auf den Markt bringen: Microsoft präsentiert die Xbox Series X für 499 Euro und eine „abgespeckte“, festplattenlose Xbox Series S für 299 Euro. Sony bietet die PlayStation 5 mit Laufwerk für 499,99 Euro und als Digital Edition (ohne Blu-ray-Laufwerk) für 399,99 Euro an. Der Sinn hinter der Differenzierung zwischen Premiumoption und kostengünstigerer Version: So bedienen sie die verschiedenen Käuferschichten und Marktsegmente. Microsoft berücksichtigt preisbewusstere Gamer, die weniger Wert auf technische Spezifikationen und ein Laufwerk legen, während Sony schlicht auf physisch versus digital setzt. Aus Kundenperspektive, bei der eine zu hohe Komplexität bei der Auswahl für die Kaufentscheidung eher hinderlich ist, dürfte Sonys Strategie einfacher nachzuvollziehen sein.
Kein Hardware-Abo: Wird das Sonys Achillesferse?
Wie unsere aktuelle Global Gaming Study* zeigt, werden Abo-Modelle auch in der Gaming-Branche immer beliebter. Microsoft hat das erkannt und stellt deshalb mit der Einführung seiner neuen Konsolen auch gebündelte Abo-Angebote aus Hard- und Software vor.
Erstmals kombiniert der Spiele-Anbieter sein bereits verfügbares Spiele-Abo, den Game Pass, mit der neuen Hardware und bietet so ein höchst attraktives Monetarisierungsmodell an: das „All Access“ Modell (Launch in Deutschland: voraussichtlich 2021). Bei diesem Modell zahlen die Verbraucher 24,99 $/Monat für die Serie S und 34,99 $/Monat für die Serie X, wodurch sie Zugang zur Konsole ihrer Wahl und dem Xbox Game Pass Ultimate erhalten. Das Abo hat eine Laufzeit von 24 Monaten, nach diesem Zeitraum sind die Spieler Eigentümer der Hardware. Ist dies ein kluger Schachzug? Die Antwort ist „Ja“ (vorausgesetzt, die Umsetzung läuft absolut reibungslos) – dank mehrerer strategischer Hebel:
- Differenzierung – Indem Microsoft das Abo-Modell anbietet, bedient das Unternehmen auch die Kunden, die bei Kosten von unter 50 $/Monat dennoch die neueste Spielekonsole nutzen können, während Konsumenten bei Sony dafür erstmal mehrere hundert Dollar in die Hand nehmen müssen. Unserer Studie zufolge hat die Covid-19-Krise dazu geführt, dass mehr Gamer mehr Zeit und Geld für ihr Hobby ausgeben als vor der Pandemie: Sie sind also durchaus gewillt, die Konsolen der neuesten Generation zu kaufen. Mit seinem „All Access“ Modell könnte Microsoft in der Lage sein, sogar treue PlayStation-Spieler als Kunden zu gewinnen – denn sie bekommen so die Möglichkeit, die Konsolen beider Anbieter für unter 800 Dollar zu kaufen. Durch intelligente Preis- und Produktdifferenzierung erweitert Microsoft also seine Kundensegmente.
- Verhaltensgewohnheiten – Durch die Bündelung von Hardware und Spiele-Abo über einen 24-Monats-Vertrag ist die Chance höher, dass Gamer ihre Konsole auch regelmäßig nutzen. Das gibt Microsoft nicht nur Möglichkeiten zum Upselling, sondern es werden auch wertvolle Kundendaten zum Spieleverhalten generiert, was für die Spieleentwickler wiederum interessant ist. Customer Lifetime Value (CLTV) ist hier das Stichwort.
- Kaufgewohnheiten – Ist die Konsole nach 24 Monaten „abbezahlt“, wird entsprechendes Budget der Kunden verfügbar. Dann bietet sich die Einführung eines Premium-Abos an, weitere Add-ons oder auch eine Preiserhöhung des Abos an sich.
Interessanterweise lockt Microsoft Verbraucher damit, das die Summe der monatlichen Kosten des „All Access“-Modells niedriger ist als die Kombination aus dem separaten Kauf einer Konsole im Voraus und dem Xbox Game Pass Ultimate für 24 Monate. Typischerweise sehen wir, dass Kunden bereit sind mehr zu bezahlen, sofern sich die Zahlungen über einen längeren Zeitraum erstrecken statt auf einmal einen größeren Betrag auszugeben. Dass die Summe der Abozahlungen unter dem separaten Kaufpreis ohne dem Spieleabo liegt, ist beachtenswert. Das bedeutet, dass Microsoft entweder Geld auf dem Tisch liegen lässt oder dass ihnen der Customer Lifetime Value eines Gamers, der seine Konsole 24 Monate lang nutzt, wertvoller ist als der Preisunterschied von 20 Dollar. Wir vermuten Letzteres.
Sony dagegen kündigte an, dass es für die PlayStation 5 kein Hardware-Abo geben wird. Um Spiele zu monetarisieren und die Entwicklungskosten zu decken, setzt das Unternehmen weiterhin auf den hochpreisigen Einzelverkauf der Konsolen. Das muss keine Verliererstrategie sein: Unsere Studie hat gezeigt, dass PlayStation-Spieler eher zu storybasierten und hochwertigen Spielerlebnissen tendieren, während Xbox-Spieler vorzugsweise auf den Mehrspielermodus und das wiederholte Spielen setzen. Angesichts der hohen Entwicklungskosten für qualitativ hochwertige Spiele macht ein Abo-Modell für Sony deshalb weniger Sinn als für Microsoft. Ob dies allerdings längerfristig sinnvoll ist – schließlich konkurrieren sie um Marktanteile –, ist umstritten.
Der Kampf um die beste Konsole: Ist Cloud Gaming der wahre Gewinner?
Insgesamt gibt es noch keinen klaren Indikator dafür, wer das Spiel um die neue Konsolengeneration gewinnen wird. Die PlayStation von Sony ist im Vorteil, wenn es um Loyalität und Exklusivität geht: Sie hat weiterhin einige heiß erwartete Spiele für die kommenden Jahre im Portfolio und setzt mit ihrer Hardware neue Maßstäbe. Microsoft punktet dagegen in einer ganz anderen Dimension: Es bietet ein Finanzierungsmodell an, das gerade für Gelegenheitsspieler und Gaming-„Neulinge“ äußerst attraktiv ist.
Angesichts des Erfolgs von Nintendo bei Gelegenheitsspielern, des Eintritts von Apple in den Gaming-Markt und unserer Studienergebnisse, dass die Covid-19-Pandemie der Branche weiteren Aufschwung verleiht, ist klar: Der Gaming-Markt ist stark und wächst. Es könnte ein Fehler sein, dass Sony eine Preisstrategie verfolgt, die die Segmente der Gelegenheitsspieler und Gaming-„Neulinge“ nur bedingt berücksichtigt. Insbesondere dann, wenn die Zukunft des Gamings wahrscheinlich in der Cloud liegt und dies möglicherweise der letzte „Hardware“-basierte Konsolenkrieg ist.
*Über die Studie: Die „Global Gaming Study: Die Zukunft der Spiele-Abonnements“ wurde von Simon-Kucher & Partners gemeinsam mit Dynata im Mai und Juni 2020 durchgeführt. Dabei wurden mehr als 13.000 Personen in 17 Ländern (Australien, Brasilien, Kanada, Chile, China, Frankreich, Deutschland, Indien, Indonesien, Mexiko, Niederlande, Spanien, Singapur, Thailand, Türkei, UK, USA) zu ihrem Gaming-Verhalten sowie ihren Gaming-Vorlieben befragt.