Seit über einem Jahrzehnt arbeitet BioShock-Schöpfer Ken Levine an seinem nächsten Meisterwerk. „Judas“ sollte ursprünglich März 2025 erscheinen, doch das ambitionierte Sci-Fi-Projekt lässt weiter auf sich warten. Was steckt hinter dem mysteriösen FPS, und wann können Fans endlich mit dem Release rechnen?
Ken Levines erstes Spiel seit BioShock Infinite
Judas markiert Ken Levines Rückkehr in die Spieleentwicklung nach über einem Jahrzehnt Pause. Sein letztes Projekt war 2014 die Burial at Sea-Erweiterung für BioShock Infinite. Seitdem hat der legendäre Game Director an seinem neuen Studio Ghost Story Games gearbeitet – einer Tochterfirma von Take-Two Interactive, die nach der Schließung von Irrational Games gegründet wurde.
„Wir arbeiten jeden Tag daran, und ich bin gleichzeitig erschöpft und voller Aufregung“, erklärte Levine im April 2025 zum Entwicklungsstand. Diese Mischung aus Begeisterung und Erschöpfung charakterisiert ein Projekt, das bereits seit fast zehn Jahren in Arbeit ist – die Hälfte davon in der Pre-Production-Phase.
Von 2017 auf unbestimmt: Die turbulente Entwicklung
Die Entwicklungsgeschichte von Judas ist eine Achterbahnfahrt. Laut einem Bloomberg-Bericht von 2022 sollte das Spiel ursprünglich bereits 2017 erscheinen. Doch häufige Verzögerungen und Levines anspruchsvoller Management-Stil führten dazu, dass mehrere Mitarbeiter das Studio verließen – ein Muster, das sich durch die gesamte Entwicklung zieht.
Im Februar 2023 gab Take-Two Interactive CEO Strauss Zelnick bekannt, dass Judas spätestens bis März 2025 erscheinen würde. Dieser Termin verstrich jedoch sang- und klanglos. Aktuell listet Take-Two das Spiel in seinen Finanzberichten nur noch als „TBA“ (to be announced).
„Wir wünschen uns, wir könnten euch heute ein genaues Datum nennen, aber wir sind noch nicht ganz bereit, das festzulegen“, gab Levine im August 2025 zu. „Release-Termine haben die Eigenschaft, sich zu verschieben, und wir möchten vermeiden, das Datum nach der Ankündigung ändern zu müssen.“
Take-Two bleibt optimistisch
Trotz der Verzögerungen zeigt sich Publisher Take-Two zuversichtlich. In einem aktuellen Statement gegenüber GamesIndustry.biz bestätigte CEO Strauss Zelnick: „Wir haben eine Reihe von Releases in den nächsten 12 Monaten. Wir haben CSR 3 von Zynga, Judas von Ghost Story Games und Project Ethos von 2K.“
Diese Aussage deutet auf einen Release vor August 2026 hin – eine deutliche Verschiebung gegenüber den ursprünglichen Plänen. Zelnick hatte bereits zuvor betont: „Es wird erscheinen. Das kann ich mit der Hand aufs Herz sagen, ohne Frage.“
Die Story: Revolution auf der Mayflower
Judas spielt auf der Mayflower, einem Generationenschiff, das die letzten Überreste der Menschheit nach Proxima Centauri transportiert. Die Erde ist unbewohnbar geworden, und die Hoffnung der Spezies liegt in dieser interstellaren Arche.
An Bord der Mayflower herrscht eine streng kontrollierte Gesellschaft, überwacht von den „Big 3“ – drei Führungsfiguren mit radikal unterschiedlichen Visionen:
Sheriff Tom Austin: Ein Roboter, der sich für den Erhalt der Menschheit in ihrer ursprünglichen Form einsetzt. Als er entdeckt, dass er selbst eine Maschine ist, verliert er die Kontrolle über das Schiff, seine Familie und seinen Lebenszweck.
Nefertiti: Toms Nobelpreisträgerin-Ehefrau, die die Menschheit in eine Rasse fehlerfreier Roboter transformieren möchte.
Hope: Die adoptierte Tochter des Paares, die sich selbst „löschen“ möchte – ein mysteriöses Ziel, das noch nicht vollständig enthüllt wurde.
Computer kontrollieren die gesamte Gesellschaft an Bord, formen Bewohner zu Musterbürgern und ermutigen sie, abweichendes Verhalten zu melden. Doch die Protagonistin Judas hat sich von dieser Konditionierung befreit. Ihr tiefes Verständnis für Code-Manipulation machte sie zur Staatsfeinden Nummer eins.
Als die Big 3 versuchten, sie in eine Musterbürgerin zu verwandeln, zündete Judas eine Revolution an, die das Schiff fast zerstörte – und kostete sie dabei ihr Leben. Im Nachgang wird sie von der Schiffs-KI wieder zum Leben „gedruckt“ und mit einer unmöglichen Mission beauftragt: Sie muss mit ihren schlimmsten Feinden zusammenarbeiten, um die Menschheit zu retten.
Narrative Legos: Die Revolution des Storytellings
Das Herzstück von Judas ist Ken Levines Konzept der „Narrative Legos“ – ein System, das Storytelling grundlegend verändern soll. Anders als bei traditionellen Spielen mit fixer Handlung baut sich die Story von Judas modular auf, basierend auf den Entscheidungen des Spielers.
„Das ist nicht nur ein Choose-Your-Own-Adventure-Spiel. Die Narration ist viel modularer“, erklärt Geoff Keighley, der das Spiel vorab spielen durfte. Trotz dieser Variabilität bleibt Judas ein handgefertigtes Erlebnis ohne generative KI – eine bewusste Entscheidung für Qualität und Authenzität.
Levine entwickelte dieses Konzept bereits während der Arbeit an BioShock Infinite. Er wollte Elizabeth reaktiver auf die Aktionen des Spielers machen, doch die narrative Struktur des Spiels verhinderte eine vollständige Umsetzung. Mit Judas holt er diese Vision nach – inspiriert von ikonischen NPCs wie SHODAN aus System Shock 2 und Andrew Ryan aus BioShock.
„Nicht alles von den Narrative Legos hat es in BioShock Infinite geschafft“, räumte Levine in einem Interview ein. „Aber in Judas werden wir mehr darüber erfahren, wie es funktioniert.“
Villainy: Deine Entscheidungen erschaffen den Bösewicht
Ein zentrales Feature, das Ghost Story Games im August 2025 vorstellte, ist „Villainy“ – ein System, bei dem die Spieleraktionen bestimmen, wer zum Hauptantagonisten wird.
„Wenn du BioShock oder BioShock Infinite spielst, wird der Schurke immer der Schurke sein“, erklärt Levine. „In Judas werden die Big 3 alle um deine Gunst und Aufmerksamkeit konkurrieren. Sie können dich bestechen, dich im Kampf retten, über die anderen Charaktere lästern und dir ihre dunkelsten Geheimnisse anvertrauen.“
Die Big 3 beobachten jeden Schritt des Spielers – nicht nur im Kampf, beim Hacking oder Crafting, sondern vor allem bei den Interaktionen mit den anderen beiden Charakteren. Eine Gefälligkeit für ein Mitglied erhöht dessen Zuneigung, verärgert aber wahrscheinlich mindestens eines der anderen – und Ärger hat Konsequenzen.
„Wir wollen, dass sich der Verlust eines von ihnen anfühlt, als würde man einen Freund verlieren“, betont Levine. „Wir wollen mit dieser Dynamik spielen, und wir wollen, dass diese Entscheidung superhart wird.“
Roguelite-Elemente und Wiederholbarkeit
Anders als die BioShock-Spiele ist Judas ein Roguelite mit prozedural generierten Elementen. „Wir nennen es pseudo-prozedural, weil es nicht wie Minecraft ist, wo alles aus reinen mathematischen Heuristiken generiert wird“, erklärt Levine. „Man baut all diese kleineren Elemente im Spiel und lehrt das Spiel dann im Wesentlichen, wie man gute Level macht – und eine gute Geschichte.“
Tod ist ein integraler Bestandteil des Spiels. Heilgegenstände sind rar, Feinde allgegenwärtig. Wenn Judas stirbt, wird sie als 3D-gedruckter Klon rekonstruiert, wobei Spieler ihre Stats und Fähigkeiten verbessern können. Auch die Mayflower selbst wird regelmäßig umstrukturiert, was für konstante Abwechslung sorgt.
„Du hast die Möglichkeit, dich zu verändern, wenn du stirbst“, sagt Levine. „Dich zu verbessern, deinen Werkzeugkasten zu ändern – der ziemlich breit und variabel ist – und die Mayflower selbst zu verändern.“
Levine beschreibt Judas als „unendlich wiederholbar, mit einer Story und sogar Charakteren, die sich lebendig und aktiv anfühlen“. Ein ehrgeiziges Versprechen für einen narrativen Shooter.

Gameplay: Mehr als nur BioShock im Weltraum
Obwohl Vergleiche zu BioShock unvermeidlich sind, unterscheidet sich Judas in wesentlichen Aspekten. Das Spiel kombiniert klassische First-Person-Shooter-Mechaniken mit besonderen Fähigkeiten, die über ein Implantat in Judas‘ linker Hand aktiviert werden.
Die Gameplay-Previews zeigten ein actionreiches Erlebnis mit dystopischer Atmosphäre. Spieler können Feinde hacken, Umgebungsobjekte manipulieren und verschiedene Fähigkeiten kombinieren. Der Schwierigkeitsgrad soll höher sein als bei BioShock und BioShock Infinite – eine bewusste Designentscheidung Levines.
„Das ist ein sehr Old-School-Spiel“, betont Levine in einem Interview. „Du kaufst das Spiel und bekommst das Ganze.“ Keine Online-Komponenten, keine Live-Service-Elemente – nur ein konzentriertes Single-Player-Erlebnis, das auf Storytelling fokussiert ist.
Die Spielwelt bietet bizarre Gegner wie pferdeähnliche Roboter-Deputies und fliegende Fix-It-Bots, die antiken Autos nachempfunden sind. Spektakuläre Set-Pieces erinnern an BioShock – etwa ein gigantischer Roboterhund, den Judas wie eine Bathysphere besteigt.
Das Studio: Ghost Story Games
Ghost Story Games entstand aus den Trümmern von Irrational Games. Nach dem Erfolg von BioShock Infinite kündigte Levine 2014 überraschend die Schließung des Studios an. Er nahm eine Handvoll Mitarbeiter mit, um unter dem Dach von Take-Two Interactive neu anzufangen.
Das Team blieb bewusst klein – ein krasser Gegensatz zu den großen Entwicklerteams moderner AAA-Spiele. Im Mai 2024 warb Levine öffentlich um Talente von Arkane Studios, nachdem Microsoft das Team nach einer Entlassungswelle auflöste. „Das Judas-Team interessiert sich für die Einstellung von Leuten mit eurem Talent“, schrieb er auf X (ehemals Twitter).
Bis April 2025 hatte Ghost Story Games zehn bis elf ehemalige Arkane-Entwickler eingestellt. Das Studio befindet sich im „Hiring-Modus“, was darauf hindeutet, dass die Fertigstellung des Spiels noch Personal benötigt.
Der Bloomberg-Bericht: Entwicklungshölle?
Ein kritischer Bloomberg-Bericht von Jason Schreier aus dem Jahr 2022 warf Licht auf die Probleme hinter den Kulissen. Laut Schreier führte Levines Führungsstil zu Mitarbeiter-Burnout, was das Projekt in die „Development Hell“ trieb.
Mehrere Mitarbeiter verließen das Studio frustriert, nachdem Levine Entscheidungen wiederholt änderte oder monatelange Arbeit verwarf. Dieser Perfektionismus – oder Unentschlossenheit, je nach Perspektive – verzögerte den Release immer wieder.
Auf der Gaming-Plattform ResetEra diskutieren Fans diese Problematik. „Das Gleiche, was bei allen Ken-Levine-Projekten passiert“, kommentiert ein Nutzer sarkastisch. „Er grübelt stundenlang über die Farbe der Fingernägel der Spielfigur, während sein Team ihn um irgendeine Richtung anfleht.“
Andere sind optimistischer: „Es ist noch in der Entwicklung. Ich habe in den letzten Jahren von mehreren neu eingestellten Leuten gehört, die sehr sanfte Bestätigungen über die fortlaufende Entwicklung und den Fortschritt des Spiels gegeben haben.“
Release-Spekulationen: 2026 oder später?
Die aktuelle Situation ist verwirrend. Das ursprüngliche Release-Fenster März 2025 ist längst verstrichen. Ghost Story Games hat seit März 2024 kein offizielles Update auf der Website veröffentlicht – bis auf den Developer-Log im August 2025, der das Villainy-System vorstellte.
„Wir wissen, wir wissen… wir waren eine Weile still“, gab Levine im August zu. „Es kostet viel Zeit und Energie, Marketingmaterialien wie Trailer zu erstellen, und wir versuchen, all unsere Bemühungen darauf zu konzentrieren, Judas fertigzustellen.“
Das Team kündigte an, künftig häufiger Low-Fi-Updates zu teilen, anstatt nur polierte Trailer zu produzieren. Ein Zeichen, dass das Spiel noch nicht kurz vor dem Release steht.
Mehrere Szenarien sind denkbar:
Release 2026: Basierend auf Zelnicks Aussage über „die nächsten 12 Monate“ (Stand: November 2025) könnte Judas vor August 2026 erscheinen.
Stealth Drop: Einige Analysten spekulieren über einen überraschenden Launch ohne große Vorankündigung – eine Strategie, die bei Indie-Titeln manchmal funktioniert.
Weitere Verzögerung: Angesichts der Konkurrenz durch Blockbuster wie GTA 6, Borderlands 4 und Death Stranding 2 könnte Ghost Story Games auf einen weniger überfüllten Zeitraum warten.
Release erst 2027 oder später: Die pessimistische Sichtweise, dass Levines Perfektionismus zu noch weiteren Verzögerungen führt.
Die Konkurrenz: Ein überfüllter Markt
2025 und 2026 sind vollgepackt mit hochkarätigen Releases. GTA 6 wurde bereits auf Mai 2026 verschoben, Borderlands 4 soll 2025 erscheinen, und Titel wie Ghost of Yotei, Fable, Gears of War: E-Day und Metroid Prime 4: Beyond konkurrieren um Aufmerksamkeit.
Judas‘ größte Stärke ist seine Einzigartigkeit – ein Ken-Levine-Spiel mit bizarrer Prämisse und innovativen Gameplay-Systemen. Doch selbst mit dieser USP könnte das Timing entscheidend sein. Eine Veröffentlichung nahe an GTA 6 oder anderen Mega-Releases wäre riskant für eine neue IP.
Das Erbe von BioShock
BioShock gilt als Meilenstein im Videospiel-Storytelling. Die dystopische Unterwasserstadt Rapture, die philosophischen Themen und unvergessliche Momente wie „Would you kindly?“ prägten eine Generation von Spielern.
Judas trägt dieses Erbe in sich, versucht aber gleichzeitig, einen eigenen Weg zu gehen. Die narrative Komplexität, das World-Building und die moralischen Dilemmata sind typisch Levine – doch die Roguelite-Mechaniken und das Villainy-System sind Neuland.
„In BioShock Infinite wurde viel Energie in die Entwicklung deiner Beziehung zu Elizabeth investiert“, erklärt Levine. „Am Ende des Spiels wusstest du alles über sie – ihre Fähigkeiten, ihre Hoffnungen und Träume. Aber die Wahrheit ist, sie wusste fast nichts über dich, den Spieler, der Booker spielt. In Judas beobachten dich die Big 3 beim Spielen, und sie haben Gefühle darüber.“
Technische Details und Plattformen
Judas wird für PlayStation 5, Xbox Series X/S und PC (Steam und Epic Games Store) erscheinen. Das Spiel nutzt moderne Technologie, um die Vision von Ghost Story Games umzusetzen – Details zur Engine wurden nicht genannt.
Die Systemanforderungen sind noch nicht bekannt, doch die gezeigten Trailer deuten auf hochwertige Grafik und komplexe KI-Systeme hin. Die modulare Levelgenerierung und das reaktive Storytelling erfordern erhebliche technische Ressourcen.
Fazit: Zwischen Meisterwerk und Vaporware
Judas steht an einem Scheideweg. Das Spiel könnte Ken Levines größter Triumph werden – ein narratives Meisterwerk, das die Grenzen des Storytellings in Videospielen neu definiert. Oder es bleibt ein überhyptes Projekt, das unter dem Gewicht seiner eigenen Ambitionen zusammenbricht.
Die lange Entwicklungszeit ist besorgniserregend, doch Take-Twos Bekenntnis zum Projekt gibt Hoffnung. Mit einem Publisher im Rücken, der bereit ist, auf Qualität zu warten, hat Ghost Story Games die Ressourcen, etwas Besonderes zu erschaffen.
Levines Track-Record spricht für sich: System Shock 2, BioShock und BioShock Infinite sind allesamt Klassiker. Doch die Berichte über seinen schwierigen Führungsstil und die wiederholten Verzögerungen werfen Fragen auf.
Für Fans bleibt nur Geduld. „Judas ist erst dann wirklich ein Spiel, wenn die Spieler es in die Hände bekommen“, sagte Levine. „Und das ist ein Tag, auf den jeder im Team hinarbeitet.“
Wann dieser Tag kommt, weiß derzeit niemand – nicht einmal Ken Levine selbst.
Quellen
- Ghost Story Games: Offizieller Developer-Log „Villainy“ (August 2025)
- Take-Two Interactive: Earnings Call & Finanzberichte (2023-2025)
- GamesIndustry.biz: Interview mit CEO Strauss Zelnick (2025)
- Bloomberg: Jason Schreier – „The Next Video Game From BioShock’s Creator Is in Development Hell“ (Januar 2022)
- IGN: Ryan McCaffrey Interview mit Ken Levine (März 2024)
- GameSpot: „Everything We Know About Judas“ (Mai 2025)
- PC Gamer: „Judas release date estimate, trailers, gameplay, and latest news“ (Oktober 2025)
- Windows Central: „After years of silence, here’s what we just learned about Ken Levine’s Judas“ (August 2025)
- PlayStation Blog: Ken Levine – „Judas — Ken Levine details how player actions determine who becomes the villain“ (August 2025)
- Game Rant: „What to Expect From Judas in 2025“ (Januar 2025)
- Wikipedia: Judas (video game) – Comprehensive Overview









