Assassin's Creed Mirage

[Review] Assassin’s Creed Mirage

Mit Assassin’s Creed Mirage vollzieht Ubisoft Bordeaux eine Kehrtwende zurück zu den Wurzeln der beliebten Reihe. Nach den gigantischen RPG-Welten von Origins, Odyssey und Valhalla kehrt das Franchise zu einer kompakteren, erzählerisch fokussierten Erfahrung zurück. Doch kann diese nostalgische Rückbesinnung überzeugen, oder fühlt sich Mirage eher wie ein Rückschritt denn wie eine Weiterentwicklung an?

Willkommen im goldenen Zeitalter Bagdads

Die Geschichte von Assassin’s Creed Mirage führt uns ins 9. Jahrhundert nach Bagdad, während der islamischen Blütezeit. Wir schlüpfen in die Rolle von Basim Ibn Ishaq, einem Straßendieb aus den ärmeren Vierteln der Stadt, der durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die Kreise der Verborgenen gerät. Diese frühen Assassinen, die für Frieden und Freiheit kämpfen, werden von Roshan bint-La’Ahad angeführt, einer erfahrenen Meisterin die Basim unter ihre Fittiche nimmt.

Die Handlung selbst ist bewusst linear und persönlich gehalten. Anders als in den letzten drei Serienteilen gibt es hier keine epische Familiengeschichte über mehrere Generationen oder politische Machtkämpfe zwischen verschiedenen Völkern. Stattdessen konzentriert sich Mirage auf Basims inneren Konflikt zwischen seinen Pflichten als Mitglied der Verborgenen und seinem Verlangen, seine mysteriöse Vergangenheit zu ergründen. Es ist eine intimere Erzählung, die funktioniert, auch wenn sie für Spieler, die nicht mit den Ereignissen aus Valhalla vertraut sind, gelegentlich verwirrend sein kann.

Was besonders beeindruckt, ist die Darstellung der historischen Figuren. Persönlichkeiten wie die Banu Musa-Brüder oder Ali ibn Muhammad werden mit viel Respekt für die Geschichte behandelt und fügen sich organisch in die Handlung ein. Das Spiel zeigt Bagdad als kulturelles Zentrum der damaligen Zeit, mit dem berühmten Haus der Weisheit als einem der Höhepunkte.

Zurück zu den Wurzeln: Stealth und Parkour im Fokus

Der größte Unterschied zu den RPG-lastigen Vorgängern liegt im Gameplay. Mirage ist durch und durch ein Stealth-Spiel, das die Spieler dazu ermutigt, im Verborgenen zu agieren. Basim ist kein Wikinger-Berserker oder spartanischer Krieger – er ist ein „gläserner Kanone“, wie die Entwickler selbst sagen. Er kann ordentlich austeilen, aber auch nur wenige Treffer einstecken.

Diese Design-Philosophie durchzieht das gesamte Spiel. Direkte Konfrontationen mit mehr als zwei Gegnern werden schnell lebensgefährlich, da Basim keine übermenschlichen Kräfte besitzt. Stattdessen sind Geduld, Beobachtung und clevere Nutzung der Umgebung gefragt. Das neu eingeführte Aufmerksamkeitssystem verstärkt diesen Ansatz: Werden Morde oder Attentate von Zivilisten beobachtet, steigt Basims Bekanntheit. Bei zu hoher Aufmerksamkeit erkennen ihn Passanten und rufen die Stadtwache – ein elegantes System, das zum vorsichtigen Agieren ermutigt.

Die Parkour-Mechaniken wurden ebenfalls überarbeitet und fühlen sich flüssiger an als in Valhalla. Ein dedizierter Ducken-Knopf, verbesserte Versteckmöglichkeiten und die Möglichkeit, Werkzeuge manuell zu zielen, machen das Schleichen deutlich intuitiver. Besonders gelungen ist die neue „Assassinen-Fokus“-Fähigkeit, die es ermöglicht, mehrere Gegner gleichzeitig zu markieren und in einer spektakulären Sequenz auszuschalten.

Die Rückkehr der „Black Box“-Attentate ist ein weiteres Highlight. Diese großangelegten Assassinen-Missionen bieten verschiedene Lösungswege und belohnen Kreativität. Ob man sich durch Abwasserkanäle schleicht, Söldner anheuert oder einfach über die Dächer zum Ziel gelangt – die Optionen sind vielfältig und machen mehrfache Durchgänge lohnenswert.

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Bagdad als lebende, atmende Stadt

Visuell ist Assassin’s Creed Mirage ein echter Augenschmaus. Ubisoft Bordeaux hat eine unglaublich detaillierte und authentische Version des mittelalterlichen Bagdads geschaffen. Die Stadt ist in vier verschiedene Distrikte unterteilt – die Runde Stadt, Karkh, Abassiyah mit dem Haus der Weisheit und Harbiyah – die alle ihren eigenen Charakter besitzen.

Die Märkte quellen über vor Leben, mit Händlern, die in verschiedenen Sprachen feilschen, während Passanten in Gruppen durch die verwinkelten Gassen wandeln. Die Architektur ist beeindruckend, von den bescheidenen Lehmhäusern der ärmeren Viertel bis hin zu den prunkvollen Palästen der Mächtigen. Besonders die Beleuchtung verdient Lob – das warme Licht der Öllampen und die langen Schatten in den engen Gassen schaffen eine unverwechselbare Atmosphäre.

Technisch bewegt sich Mirage auf dem Niveau der letzten Assassin’s Creed-Teile, ohne jedoch große Sprünge zu machen. Das ist angesichts der Verfügbarkeit auf Last-Gen-Konsolen nicht überraschend, aber die Optimierung ist solid. Auf der PlayStation 5 bietet der Performance-Modus stabile 60 FPS, während der Quality-Modus nur marginale visuelle Verbesserungen bringt. Für die flüssigen Parkour-Sequenzen ist der Performance-Modus definitiv zu bevorzugen.

Ein kleiner Kritikpunkt ist der gelbliche Filter, der über der gesamten Darstellung liegt. Während er zur atmosphärischen Darstellung des heißen Wüstenklimas beitragen soll, wirkt er manchmal etwas zu aufdringlich und lässt die ohnehin schon warmen Farben Bagdads zu sehr in Richtung Monochromie tendieren.

Authentische Klangkulisse des Orients

Audiovisuell setzt Mirage neue Maßstäbe für die Serie. Zum ersten Mal in einem Assassin’s Creed-Spiel gibt es eine vollständige arabische Synchronisation, die der Authentizität des Settings enormen Auftrieb verleiht. Die Sprecher, angeführt von Lee Majdoub als Basim und Shohreh Aghdashloo als Roshan, liefern durchweg überzeugende Leistungen ab.

Der Soundtrack, komponiert von drei verschiedenen Komponisten (Brendan Angelides, Layth Sidiq und Sarah Schachner), fängt die Essenz des mittelalterlichen Orients perfekt ein. Traditionelle Instrumente wie die Oud und verschiedene Perkussionsinstrumente verschmelzen mit modernen orchestralen Elementen zu einer Klanglandschaft, die sowohl authentisch als auch zeitgemäß wirkt.

Die Umgebungsgeräusche verdienen besondere Erwähnung. Das Geschrei der Marktverkäufer, das Klappern von Hufen auf Kopfsteinpflaster, die Gebetsrufe der Muezzins – all das trägt zu einer lebendigen Soundkulisse bei, die Bagdad zum Leben erweckt. In Kampfsituationen steigt die Spannung durch perkussive Rhythmen, während ruhigere Momente von melodischen Passagen untermalt werden.

Kompakter, aber auch begrenzter

Mit einer Spielzeit von etwa 15-20 Stunden für die Hauptgeschichte ist Mirage deutlich kompakter als seine RPG-Vorgänger. Das ist bewusst so gewollt und in vielen Aspekten erfrischend. Es gibt keine endlosen Sammelaufgaben oder generierte Nebenquests, die nur Zeit schinden. Stattdessen konzentriert sich jede Mission auf ein klares Ziel und trägt zur Gesamterzählung bei.

Allerdings könnte diese Konzentration auch als Nachteil gesehen werden. Wer sich an die teilweise 100+ Stunden bietenden Abenteuer der letzten Serienteile gewöhnt hat, könnte den Wunsch versrpüren, länger in Basims Welt verweilen zu können. Die Nebenaktivitäten sind auf Sammelobjekte, einige optionale Auftragsmorde und das Erkunden der Stadt beschränkt. Ein New Game Plus-Modus wurde mittlerweile per Update nachgeliefert, was die Wiederspielbarkeit erhöht.

Das Progression-System ist ebenfalls deutlich vereinfacht. Es gibt keine Ausrüstungs-Level oder komplexe Skillbäume. Stattdessen können Waffen und Werkzeuge durch das Sammeln von Materialien verbessert werden. Das fühlt sich organischer an als die RPG-Mechaniken der Vorgänger, bietet aber auch weniger Tiefe für Spieler, die gerne mit verschiedenen Builds experimentieren.

Kleine Schwächen im großen Ganzen

Trotz aller Stärken hat Mirage auch einige Schwächen. Die Charakterentwicklung, besonders die von Basim selbst, bleibt etwas oberflächlich. Er ist ein sympathischer Protagonist, aber seine Motivationen und sein innerer Konflikt werden nicht tiefgreifend genug erforscht. Auch die Beziehung zu seiner Mentorin Roshan hätte mehr Entwicklung vertragen können.

Technische Probleme waren zum Launch vorhanden, wobei die meisten mittlerweile durch Patches behoben wurden. Gelegentlich kann es noch zu Problemen mit der KI kommen, wenn Wachen in unmöglichen Winkeln oder durch Wände hindurch auf Basim aufmerksam werden. Auch das Parkour-System hat manchmal Schwierigkeiten mit der Zielfindung, besonders in engen Bereichen.

Die Kamera kann in Innenräumen problematisch werden, und die Steuerung fühlt sich manchmal etwas träge an, besonders im Vergleich zu spezialisierten Stealth-Spielen. Das ist typisch für Assassin’s Creed, aber nach den Jahren der RPG-Entwicklung hätte man sich hier mehr Feintuning gewünscht.

Fazit

Assassin’s Creed Mirage ist genau das, was Ubisoft versprochen hat: eine Rückkehr zu den Wurzeln der Serie. Es erinnert an die besten Momente der frühen Assassin’s Creed-Spiele, verbessert aber gleichzeitig viele der damaligen Schwächen durch moderne Game-Design-Prinzipien.

Die Konzentration auf Stealth und Parkour funktioniert hervorragend, auch wenn manche Spieler die RPG-Elemente der letzten Titel vermissen werden. Bagdad ist eine der schönsten und authentischsten Spielwelten, die Ubisoft je geschaffen hat, und die kulturelle Sensibilität, mit der das Setting behandelt wird, verdient Anerkennung.

Mirage ist kein revolutionäres Spiel, aber es ist ein sehr gut gemachtes, das seine bescheidenen Ziele erreicht. Es beweist, dass die Assassin’s Creed-Formel auch in kompakterer Form funktioniert und dass nicht jedes Spiel hunderte von Stunden Inhalt benötigt, um befriedigend zu sein.

Für Fans der klassischen Assassin’s Creed-Spiele ist Mirage ein absoluter Pflichtkauf. Spieler, die erst mit den RPG-Teilen in die Serie eingestiegen sind, sollten ihre Erwartungen entsprechend anpassen, werden aber trotzdem ein solides Stealth-Action-Spiel vorfinden. In einer Zeit der immer größer werdenden Open-World-Spiele ist Mirages fokussierter Ansatz eine willkommene Abwechslung.

Wertung: 8/10

Pro:

  • Atmosphärisches und authentisches Bagdad-Setting
  • Gelungene Rückkehr zu Stealth-fokussiertem Gameplay
  • Wunderschöne Grafik und exzellenter Soundtrack
  • Kompakte, erzählerisch fokussierte Erfahrung
  • Verbesserte Parkour- und Stealth-Mechaniken
  • Authentische arabische Synchronisation

Contra:

  • Oberflächliche Charakterentwicklung
  • Begrenzte Wiederspielbarkeit
  • Gelegentliche technische Probleme
  • Etwas träge Steuerung in engen Räumen
  • Könnte für RPG-Fans zu simpel sein

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