Assassin's Creed Odyssey

[Review] Assassin’s Creed Odyssey

Mit Assassin’s Creed Odyssey macht Ubisoft einen weiteren großen Schritt in der Franchise-Geschichte und führt uns diesmal ins antike Griechenland des Jahres 431 v. Chr. Nach dem Erfolg von Origins, das bereits eine Kehrtwende der Serie darstellte, setzt Odyssey die Evolution des Franchises konsequent fort und entfernt sich dabei noch weiter von den ursprünglichen Assassinen-Wurzeln. Während die einen dies als logische Weiterentwicklung begrüßen werden, mögen andere Fans der ersten Stunde diese Richtung durchaus kritisch sehen. Fest steht: Odyssey ist das bisher umfangreichste und ambitionierteste Projekt der Reihe – aber ist es auch das beste?

Die Geschichte der Kassandra und Alexios

Anders als in den meisten Vorgängern können wir zu Beginn von Odyssey zwischen zwei Protagonisten wählen: der Spartanerin Kassandra oder ihrem männlichen Pendant Alexios. Diese Entscheidung ist mehr als nur kosmetischer Natur, denn beide Charaktere werden unterschiedlich wahrgenommen und bringen ihre eigenen Nuancen in die Dialoge ein. Die Geschichte selbst bleibt jedoch identisch – wir schlüpfen in die Rolle eines spartanischen Kriegers oder einer Kriegerin, der beziehungsweise die als Kind von einem Berg gestoßen wurde und nur knapp überlebte.

Jahre später arbeitet unser Protagonist als Söldner auf der kleinen Insel Kephalonia, bis eine schicksalhafte Begegnung die Suche nach der verschollenen Familie in Gang setzt. Was als persönliche Vendetta beginnt, entwickelt sich schnell zu einer epischen Odyssee quer durch die griechische Welt, die von politischen Intrigen, mythologischen Geheimnissen und natürlich der unvermeidlichen First Civilization-Thematik geprägt ist.

Die Erzählung von Odyssey ist durchaus gelungen, auch wenn sie sich in ihrer schieren Länge gelegentlich etwas verliert. Mit einer Hauptstory, die locker 40-50 Stunden beansprucht, plus unzähligen Nebenquests, ist dies definitiv kein Spiel für zwischendurch. Die Dialoge sind gut geschrieben und die Charaktere überzeugend dargestellt, wobei besonders die familiären Beziehungen und deren komplexe Dynamiken im Gedächtnis bleiben. Dennoch wirkt die Geschichte manchmal etwas zu sehr gestreckt – ein Problem, das moderne Open-World-Spiele häufig haben.

Das antike Griechenland in seiner ganzen Pracht

Visuell ist Odyssey ein absoluter Augenschmaus. Ubisoft hat es geschafft, das antike Griechenland in atemberaubender Schönheit zum Leben zu erwecken. Von den weißen Kalksteinfelsen der Kykladen über die dichten Wälder Makedoniens bis hin zu den goldenen Sandstränden Kretas – jede Region hat ihren eigenen unverwechselbaren Charakter. Die Liebe zum Detail ist beeindruckend: antike Tempel erstrahlen in ihrer ursprünglichen Farbenpracht, geschäftige Märkte pulsieren vor Leben, und die berühmten griechischen Städte wie Athen und Sparta sind mit beeindruckender historischer Genauigkeit nachgebildet.

Besonders beeindruckend sind die Sonnenuntergänge über der Ägäis, wenn das warme Licht die Marmorstatuen in ein goldenes Licht taucht. Die Wassereffekte sind ebenfalls hervorragend gelungen – das azurblaue Meer lädt förmlich zum Erkunden ein. Selbst nach hundert Stunden Spielzeit entdeckt man immer noch neue, atemberaubende Aussichtspunkte.

Die Charaktermodelle sind detailliert und gut animiert, wobei die Gesichtsanimationen während der Dialoge besonders überzeugen. Kassandra und Alexios sind charismatische Protagonisten, deren Emotionen glaubwürdig transportiert werden. Auch die NPCs wirken lebendig und individuell, auch wenn man gelegentlich doch die typischen „Klone“ entdeckt.

Epische Musik für eine epische Reise

Der Soundtrack von Odyssey verdient besondere Erwähnung. Die Musik verbindet geschickt moderne orchestrale Arrangements mit traditionellen griechischen Instrumenten und schafft so eine Atmosphäre, die sowohl episch als auch authentisch wirkt. Ob bei einer emotionalen Familienszene oder während einer großen Schlacht – die Musik unterstreicht perfekt das Geschehen und trägt erheblich zur immersiven Erfahrung bei.

Die deutsche Synchronisation ist solide, auch wenn sie nicht ganz an die Qualität mancher Konkurrenten heranreicht. Kassandra wird von Lotte Ohm gesprochen, die der Spartanerin eine selbstbewusste und zugleich verletzliche Note verleiht. Die Originalvertonung mit Melissanthi Mahut ist jedoch noch eine Spur überzeugender und authentischer.

Die Umgebungsgeräusche sind überzeugend umgesetzt – das Klirren von Schwertern, das Knarren von Schiffstauen und das Geschrei der Möwen über dem Meer schaffen eine glaubwürdige Soundkulisse.

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Gameplay zwischen Innovation und Vertrautheit

Mit Odyssey hat sich das Gameplay der Assassin’s Creed-Serie fundamental gewandelt. Wer noch die Schleichpassagen und One-Hit-Kills der frühen Teile erwartet, wird enttäuscht werden. Stattdessen präsentiert sich Odyssey als vollwertiges Action-RPG mit Levelsystem, Loot-Mechaniken und ausgeprägten Stats.

Das Kampfsystem ist deutlich komplexer geworden und bietet verschiedene Waffengattungen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Schwerter sind vielseitig, Speere haben große Reichweite, und Dolche ermöglichen schnelle Angriffe. Dazu kommen mächtige Fähigkeiten aus drei Bereichen: Jäger (Bogen), Krieger (Nahkampf) und Assassine (Stealth). Diese Fähigkeiten können spektakulär sein – von flammenden Schwerthieben über explosive Pfeile bis hin zu blitzschnellen Teleportangriffen.

Das Schleichen funktioniert nach wie vor, ist aber nicht mehr der Fokus des Spiels. Soziale Stealth, einst Markenzeichen der Serie, spielt praktisch keine Rolle mehr. Stattdessen versteckt man sich in hohem Gras oder eliminiert Wachen von Dächern aus – funktional, aber wenig innovativ.

Ein Highlight ist definitiv die Seekampf-Mechanik. Mit der Adrestia, unserem eigenen Schiff, segeln wir durch die Ägäis, kapern feindliche Schiffe und erkunden versteckte Inseln. Diese Passagen erinnern an die besten Momente von Black Flag und bieten eine willkommene Abwechslung zum Landkampf.

Das Questsystem ist umfangreich, leidet aber unter dem typischen Ubisoft-Problem der Wiederholung. Viele Nebenquests folgen dem Schema „Gehe zu Ort X, töte Person Y, bringe Gegenstand Z zurück“. Dennoch gibt es auch viele kreative und überraschende Missionen, die zeigen, was möglich ist, wenn sich die Entwickler wirklich Mühe geben.

Antike Politik und Moderne Mechaniken

Eine interessante Neuerung ist das Söldner-System. Je nach unseren Taten steigt oder fällt unsere Bekanntheit, was mächtige Söldner auf uns aufmerksam macht. Diese jagen uns quer durch Griechenland und bieten herausfordernde Bosskämpfe. Das System funktioniert ähnlich wie die Nemesis-Mechanik aus Shadow of Mordor und sorgt für unvorhersehbare Wendungen.

Auch die Eroberungsschlachten sind beeindruckend inszeniert. Als Söldner können wir uns in den Peloponnesischen Krieg einmischen und Regionen erobern oder verteidigen. Diese Massenschlachten sind spektakulär anzusehen und vermitteln ein echtes Gefühl von epischen Konflikten, auch wenn sie spielerisch etwas repetitiv werden können.

Das Romanzen-System ist überraschend umfangreich und gut umgesetzt. Unser Protagonist kann Beziehungen zu verschiedenen Charakteren aufbauen, unabhängig vom Geschlecht. Diese Romanzen fühlen sich organisch an und sind gut in die Geschichte integriert.

Mythos trifft Realität

Besonders bemerkenswert ist Odysseys Umgang mit der griechischen Mythologie. Erstmals in der Serie-Geschichte treffen wir auf echte mythologische Kreaturen wie Minotauren, Medusa oder den Sphinx. Diese Begegnungen sind optisch beeindruckend und bieten herausfordernde Kämpfe, die sich deutlich von den gewöhnlichen Gefechten unterscheiden.

Die mythologischen Elemente sind geschickt in die First-Civilization-Thematik eingewoben, ohne dass sich das Ganze zu abgehoben anfühlt. Wer sich für griechische Mythologie interessiert, wird hier voll auf seine Kosten kommen.

Technische Aspekte und Performance

Technisch präsentiert sich Odyssey in einem soliden Zustand. Die Ladezeiten sind akzeptabel, größere Bugs sind selten, und die Performance ist auf den meisten Systemen stabil. Gelegentlich kommt es zu kleineren Clipping-Fehlern oder AI-Aussetzern, aber nichts, was das Spielerlebnis ernsthaft beeinträchtigen würde.

Die Benutzeroberfläche ist klar strukturiert und intuitiv bedienbar. Das Inventarsystem könnte etwas übersichtlicher sein, aber nach einer Eingewöhnungsphase kommt man gut zurecht.

Ein kleiner Kritikpunkt: Das Spiel neigt dazu, den Spieler mit Informationen und Sammelobjekten zu überschütten. Dutzende von Symbolen auf der Karte können überwältigend wirken, und man verliert schnell den Überblick über die wirklich wichtigen Aufgaben.

Fazit: Eine gelungene Odyssee mit kleinen Schwächen

Assassin’s Creed Odyssey ist zweifellos ein beeindruckendes Spiel, das Maßstäbe für Open-World-Games setzt. Die Spielwelt ist gigantisch und wunderschön, die Geschichte packt trotz ihrer Länge, und das Gameplay bietet genug Abwechslung für dutzende Stunden Unterhaltung. Besonders Fans der griechischen Antike und Mythologie kommen voll auf ihre Kosten.

Allerdings ist Odyssey auch ein Spiel der Extreme. Die schiere Größe kann überwältigend wirken, und nicht jeder wird die Zeit und Geduld für ein 100-Stunden-Abenteuer aufbringen. Wer einen fokussierten, straffen Spielverlauf erwartet, könnte frustriert werden. Auch Puristen der ursprünglichen Assassin’s Creed-Formel werden sich an die neue RPG-Ausrichtung gewöhnen müssen.

Trotz dieser Einschränkungen ist Odyssey ein hervorragendes Action-RPG, das beweist, dass sich etablierte Franchises erfolgreich neu erfinden können. Es mag nicht mehr das Assassin’s Creed sein, das wir einst kannten, aber es ist definitiv ein würdiger Nachfolger, der neue Maßstäbe setzt. Wer bereit ist, sich auf diese neue Richtung einzulassen, wird mit einem der umfangreichsten und atmosphärischsten Spiele der letzten Jahre belohnt.

Wertung: 8,8/10 – Ein episches Abenteuer im antiken Griechenland, das trotz kleiner Schwächen begeistert und zeigt, wohin sich die Serie entwickeln kann.

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