Bioshock 2

[Review] Bioshock 2

Mit Bioshock 2 kehren wir zurück in die dystopische Unterwasserstadt Rapture – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Erwartungen an Fortsetzungen von Meisterwerken besonders hoch sind. Ken Levine und sein Team bei Irrational Games haben diesmal die Zügel an 2K Marin übergeben, was im Vorfeld für einige Diskussionen sorgte. Kann eine andere Entwicklerriege dem ersten Bioshock das Wasser reichen, oder droht hier das klassische Sequel-Dilemma? Nach einigen Stunden Spielzeit in den düsteren Korridoren von Rapture kann ich sagen: Die Sorgen waren größtenteils unbegründet, auch wenn nicht alles perfekt gelungen ist.

Zehn Jahre sind vergangen seit den Ereignissen des ersten Teils, und Rapture hat sich gewandelt. Wo einst Andrew Ryan seinen vom Objektivismus getriebenen Traum verwirklichte, herrscht nun Dr. Sofia Lamb mit ihrer kollektivistischen Ideologie. Das ist mehr als nur ein Perspektivenwechsel – es ist ein philosophischer Paradigmenwechsel, der dem Spiel eine völlig neue Grundstimmung verleiht.

Die Story: Familienbande unter Wasser

Diesmal schlüpfen wir in die schweren Stiefel eines Big Daddys namens Subject Delta, genauer gesagt in die erste Generation dieser ikonischen Beschützer. Das ist mehr als nur ein Gimmick, denn Delta hat eine ganz besondere Bindung zu einem kleinen Mädchen namens Eleanor Lamb – der Tochter von Dr. Sofia Lamb. Diese emotionale Komponente zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte und verleiht ihr eine persönlichere Note als der eher philosophisch-abstrakte Konflikt im Vorgänger.

Die Handlung setzt ein, als Delta nach zehnjähriger „Zwangspause“ wieder erwacht. Eleanor ist inzwischen erwachsen, und ihre Mutter Dr. Lamb verfolgt ihre eigene Vision für Rapture – eine, die keinen Platz für die alten Big Daddy-Little Sister-Bindungen vorsieht. Was folgt, ist eine Reise durch die verschiedenen Distrikte von Rapture, die alle ihre eigenen Geschichten und Geheimnisse bereithalten.

Besonders gelungen ist dabei, wie die Geschichte die Ereignisse des ersten Teils würdigt, ohne sich davon erdrücken zu lassen. Wer den Vorgänger gespielt hat, wird viele Anspielungen und Verbindungen entdecken, aber auch Neueinsteiger können der Handlung problemlos folgen (auch wenn ich das nicht empfehlen würde – spielt zuerst den ersten Teil!).

Grafik und Sound: Rapture in all seiner morbiden Pracht

Technisch hat sich im Vergleich zum Vorgänger einiges getan, auch wenn die Verbesserungen auf den ersten Blick nicht spektakulär erscheinen mögen. Die Beleuchtung wirkt atmosphärischer, die Texturen sind schärfer, und die Wassereffekte – ein wichtiger Aspekt in einer Unterwasserstadt – sind deutlich beeindruckender geworden. Besonders die Momente, in denen man durch die großen Panoramafenster auf die Unterwasserwelt blickt, haben eine fast meditative Wirkung.

Die verschiedenen Distrikte von Rapture erzählen auch optisch ihre eigenen Geschichten. Ryan Amusements erinnert an einen grotesken Vergnügungspark, während Siren Alley die Dekadenz der alten Zeit widerspiegelt. Jeder Bereich hat seine eigene Farbgebung und Atmosphäre, was der bereits im ersten Teil beeindruckenden Levelgestaltung noch eine weitere Dimension hinzufügt.

Soundtechnisch bleibt Bioshock 2 dem hohen Standard des Vorgängers treu. Garry Schyman liefert erneut einen wunderbaren Soundtrack ab, der mal melancholisch, mal bedrohlich, aber immer passend ist. Die Sprecher leisten durchweg solide Arbeit, wobei besonders Eleanor Lamb (Amy Gross) und ihre Mutter Dr. Sofia Lamb (Fennella Woolgar) hervorstechen. Die deutsche Synchronisation ist ebenfalls gelungen, auch wenn ich persönlich die englische Originalfassung bevorzuge – die Atmosphäre kommt einfach authentischer rüber.

Gameplay: Mehr als nur ein Big Daddy-Simulator

Das Gameplay von Bioshock 2 fühlt sich vertraut an, bringt aber genug neue Elemente mit, um frisch zu wirken. Als Big Daddy spielt sich das Ganze natürlich anders als im Vorgänger – man ist schwerfälliger, aber auch deutlich robuster. Die größte Änderung ist die Möglichkeit, gleichzeitig eine Waffe und eine Plasmid zu verwenden. Das mag klein klingen, macht aber einen enormen Unterschied im Kampfgefühl.

Die Waffenauswahl wurde überarbeitet und erweitert. Neben Klassikern wie der Shotgun und der Maschinenpistole gibt es neue Waffen wie den Rivet Gun (passend für einen Big Daddy) oder die launchtube. Jede Waffe kann mit verschiedenen Munitionstypen bestückt werden, was taktische Tiefe bringt. Anti-Panzer-Raketen gegen Big Daddys, Fallen-Darts für Hinterhalte oder einfach normale Munition – die Auswahl ist groß und macht Sinn.

Die Plasmids wurden ebenfalls überarbeitet. Während viele aus dem ersten Teil bekannt sind, gibt es neue Varianten und Kombinationsmöglichkeiten. Besonders interessant ist das neue „Drill Dash“-Plasmid, das perfekt zur Big Daddy-Identität passt und gleichzeitig spektakuläre Kampfmomente ermöglicht.

Ein großer Fortschritt ist das überarbeitete Hacking-System. Statt der zeitraubenden Rohrleitungs-Puzzle aus dem Vorgänger gibt es nun ein reaktionsschnelles Timing-basiertes System. Das geht nicht nur schneller, sondern unterbricht auch den Spielfluss weniger. Manche mögen das als „Vereinfachung“ kritisieren, aber ich fand die alten Hacking-Puzzle nie besonders interessant – eher lästig.

Die KI der Gegner wurde spürbar verbessert. Splicer agieren koordinierter, nutzen die Umgebung geschickter und reagieren intelligenter auf die Spieleraktionen. Big Daddys sind nach wie vor beeindruckende Gegner, aber als Subject Delta fühlt man sich ihnen nicht mehr so hilflos ausgeliefert wie im Vorgänger.

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Little Sister-Management: Beschützerinstinkt aktiviert

Ein zentraler Aspekt des Gameplays sind die Little Sisters und der Umgang mit ihnen. Als Big Daddy hat man eine natürliche Bindung zu ihnen, die sich auch spielmechanisch auswirkt. Man kann sie beim „Sammeln“ begleiten und beschützen, während sie ADAM aus Leichen extrahieren. Diese Sequenzen sind taktisch anspruchsvoll, da man die Position verteidigen muss, während Waves von Splicern angreifen.

Die moralischen Entscheidungen bezüglich der Little Sisters sind nach wie vor präsent, aber sie fühlen sich diesmal emotionaler an. Als ihr Beschützer hat jede Entscheidung mehr Gewicht, und die Konsequenzen sind spürbarer. Das Spiel urteilt nicht über die Entscheidungen, aber es macht sie bedeutsamer.

Multiplayer: Überraschend gelungen

Eine der größten Neuerungen ist der Mehrspielermodus, der im Vorfeld für viele Diskussionen sorgte. Braucht Bioshock wirklich Multiplayer? Die Antwort ist: Nein, braucht es nicht, aber schaden tut es auch nicht. Der Multiplayer ist überraschend gut gelungen und fügt sich stimmig in das Bioshock-Universum ein.

Man schlüpft in die Rolle verschiedener Splicer-Charaktere und kämpft in den bekannten Schauplätzen aus Rapture. Die verschiedenen Modi (Team Deathmatch, Capture the Sister, etc.) nutzen die besonderen Eigenschaften der Bioshock-Welt clever aus. Das Fortschrittssystem mit neuen Waffen und Plasmids motiviert zum Weiterspielen, auch wenn der Multiplayer sicherlich kein langfristiges Phänomen werden wird. (Anmerkung: Ich sollte Recht behalten – der Multiplayer wurde später eingestellt.)

Probleme: Nicht alles ist perfekt in Rapture

So gelungen Bioshock 2 auch ist, es gibt durchaus Kritikpunkte. Der größte ist paradoxerweise einer der Hauptaspekte: Man ist ein Big Daddy. Das bringt zwar viele interessante Gameplay-Elemente mit sich, aber es nimmt auch etwas von der Verletzlichkeit und dem Horror-Aspekt weg, der den Vorgänger so atmosphärisch gemacht hat. Als Subject Delta fühlt man sich von Anfang an mächtiger und weniger bedroht.

Einige Levelabschnitte ziehen sich etwas, besonders in der Mitte des Spiels. Während das erste Drittel durch die neuen Mechaniken und die zweite Hälfte durch die sich zuspitzende Handlung fesseln, gibt es einen trägen Mittelteil, der etwas mehr Schwung vertragen hätte.

Die philosophischen Themen, die dem Vorgänger so viel Tiefe verliehen haben, sind zwar präsent, aber nicht ganz so elegant in die Handlung eingewoben. Dr. Lambs Kollektivismus ist ein interessanter Gegenpol zu Ryans Objektivismus, aber die Ausführung wirkt manchmal etwas plakativ.

Fazit zu Bioshock 2

Bioshock 2 ist eine würdige Fortsetzung eines Meisterwerks – nicht mehr, aber definitiv auch nicht weniger. Es macht vieles richtig: Das Gameplay ist verbessert, die Geschichte ist emotional packend, und Rapture hat nichts von seiner Faszination verloren. Gleichzeitig schafft es das Spiel, eine eigenständige Identität zu entwickeln, statt nur den Vorgänger zu kopieren.

Ist es so revolutionär wie der erste Teil? Nein, das konnte es auch gar nicht sein. Der Schock (im wahrsten Sinne des Wortes) des ersten Rapture-Besuchs lässt sich nicht wiederholen. Aber als eigenständiges Spiel funktioniert Bioshock 2 hervorragend. Die emotionale Geschichte um Subject Delta und Eleanor, die verfeinerten Gameplay-Mechaniken und die nach wie vor beeindruckende Atmosphäre machen es zu einem der besseren Shooter des Jahres.

Wer den ersten Teil geliebt hat, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Wer Bioshock kritisch sah, wird auch hier nicht überzeugt werden. Aber für alle anderen gibt es eine klare Empfehlung: Die Geschichte von und um Rapture ist noch lange nicht auserzählt, und dieser zweite Besuch lohnt sich definitiv.

Wertung: 8.5/10

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