Nach Jahren futuristischer Kriegsführung, Exoskelette und Wandlaufen kehrt Call of Duty mit dem neuesten Ableger endlich wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Call of Duty: WWII von Sledgehammer Games (Call of Duty: Advanced Warfare) bringt uns zurück in die Schützengräben des Zweiten Weltkriegs – eine Entscheidung, die bereits im Vorfeld für viel Aufmerksamkeit sorgte. Die Community hatte nach Call of Duty: Infinite Warfare lautstark eine Rückkehr zu den historischen Schauplätzen gefordert. Activision und Sledgehammer Games haben zugehört und liefern nun das, wonach viele Fans seit Jahren verlangen: authentische Kriegsführung ohne futuristische Spielereien.
Dabei ist Call of Duty: WWII nicht der erste Versuch der Serie, den Zweiten Weltkrieg zu thematisieren. Die allerersten Teile der Reihe, allen voran das originale Call of Duty von 2003 und der gefeierte Nachfolger Call of Duty 2, spielten bereits in diesem historischen Kontext. Nach über einem Jahrzehnt moderner und futuristischer Kriegsschauplätze stellt sich nun die Frage: Kann Call of Duty: WWII an die Qualität der frühen Serienteile anknüpfen und gleichzeitig moderne Spieler begeistern?
Story
Die Kampagne von Call of Duty: WWII folgt der Geschichte des jungen amerikanischen Soldaten Ronald „Red“ Daniels aus Texas, der zusammen mit seinem besten Freund Robert Zussman zur 1. Infanteriedivision eingezogen wird. Was als Coming-of-Age-Geschichte zweier Freunde beginnt, entwickelt sich schnell zu einer emotionalen Reise durch die dunkelsten Kapitel des Zweiten Weltkriegs.
Die Handlung beginnt am D-Day, dem 6. Juni 1944, und führt uns von den blutigen Stränden der Normandie über die französische Landschaft bis hin zu den deutschen Konzentrationslagern. Sledgehammer Games scheut sich nicht, die Brutalität und das Grauen des Krieges ungeschönt darzustellen. Besonders beeindruckend ist die Darstellung der Landung in der Normandie, die durchaus mit Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ mithalten kann – nur eben interaktiv erlebbar.
Die Charakterentwicklung steht dabei im Mittelpunkt der Erzählung. Red Daniels entwickelt sich vom naiven Farmjungen zum kampferprobten Soldaten, ohne dabei seine Menschlichkeit zu verlieren. Die Beziehung zu seinem jüdischen Freund Zussman verleiht der Story eine sehr persönliche Note und macht die Schrecken des Holocaust greifbarer. Sergeant Pierson, der harte Drill Instructor, und Lieutenant Turner, der väterliche Vorgesetzte, runden das Ensemble ab und sorgen für interessante Gruppendynamiken.
Was besonders positiv auffällt: Die Kampagne behandelt schwierige Themen wie Antisemitismus, Kriegstraumata und die moralischen Dilemmata des Krieges mit dem nötigen Respekt. Sledgehammer Games hat offenbar intensiv mit Historikern und Veteranen zusammengearbeitet, was sich in der authentischen Darstellung niederschlägt. Dennoch bleibt es ein Call of Duty-Spiel mit den typischen spektakulären Actionsequenzen, die das richtige Gleichgewicht zwischen Hollywood-Spektakel und historischer Authentizität finden.
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Grafik
Visuell setzt Call of Duty: WWII neue Maßstäbe für die Serie. Die verwendete Modified IW-Engine zaubert beeindruckende Schauplätze auf den Bildschirm, die vor Atmosphäre nur so strotzen. Die Normandie-Landung ist ein visuelles Spektakel, das einem den Atem raubt – Explosionen erhellen den grauen Himmel, Kugeln pfeifen durch die Luft und hinterlassen Einschläge im Sand, während Rauch und Nebel für eine beklemmende Atmosphäre sorgen.
Die Charaktermodelle sind detailliert und ausdrucksstark animiert. Gesichtsanimationen wirken natürlich und transportieren Emotionen glaubwürdig. Besonders in den ruhigeren Momenten zwischen den Kämpfen kann man die Anspannung und Erschöpfung in den Gesichtern der Soldaten ablesen. Die Waffenmodelle sind historisch korrekt nachgebildet und fühlen sich authentisch an – jede M1 Garand macht das charakteristische „Ping“ beim Nachladen.
Die Umgebungen variieren stark und zeigen sowohl die Schönheit als auch die Zerstörung Europas während des Krieges. Von den idyllischen französischen Dörfern über die düsteren deutschen Bunkeranlagen bis hin zu den schneebedeckten Ardennen – jeder Schauplatz erzählt seine eigene Geschichte. Die Beleuchtung ist durchweg exzellent und verstärkt die jeweilige Stimmung der Szenen. Lediglich einige Texturen könnten auf der Standard PlayStation 4 etwas schärfer sein, auf der PS4 Pro läuft das Spiel aber in beeindruckenden 4K.
Ein kleines Manko sind gelegentlich auftretende Frame-Drops in besonders action-reichen Szenen, die aber nie spielentscheidend werden. Ansonsten läuft Call of Duty: WWII technisch stabil und bietet eine der schönsten Kampagnen, die die Serie je gesehen hat.
Sound
Akustisch überzeugt Call of Duty: WWII auf ganzer Linie. Die Vertonung ist erstklassig und trägt maßgeblich zur immersiven Atmosphäre bei. Gewehrschüsse knallen authentisch, Explosionen dröhnen durch die Lautsprecher und die Schreie verwundeter Soldaten gehen unter die Haut. Die Soundkulisse der Schlachtfelder ist derart intensiv, dass man förmlich den Pulverdampf riechen kann.
Die deutsche Synchronisation kann durchaus überzeugen, auch wenn die englische Originalvertonung mit Schauspielern wie Josh Duhamel (Transformers) als Sergeant Pierson emotionaler und authentischer wirkt. Die Sprecher verleihen ihren Charakteren Persönlichkeit und machen sie zu glaubwürdigen Menschen statt stereotypen Kriegshelden.
Der Soundtrack von Wilbert Roget II (Mortal Kombat X, Lara Croft and the Temple of Osiris) untermalt die Geschehnisse perfekt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Ruhige Streicher in emotionalen Momenten, bombastische Blechbläser während der Gefechte – die Musik unterstreicht jede Szene, ohne aufdringlich zu werden. Besonders gelungen sind die leisen Töne, wenn die Soldaten um ihre gefallenen Kameraden trauern.
Technisch nutzt das Spiel die Möglichkeiten moderner Soundsysteme voll aus. Mit einem guten Surround-Setup oder hochwertigen Kopfhörern kann man Feinde anhand ihrer Schritte orten und Granaten anhand ihres Fluggeräuschs lokalisieren. Das ist nicht nur atmosphärisch beeindruckend, sondern auch spielerisch relevant.
Gameplay
Das Gameplay von Call of Duty: WWII fühlt sich vertraut an, bietet aber einige interessante Neuerungen. Die Kampagne verzichtet komplett auf die automatische Lebensregeneration, die seit Call of Duty 2 Standard in der Serie war. Stattdessen müssen Spieler Erste-Hilfe-Päckchen sammeln oder ihre Kameraden um Heilung bitten. Das mag zunächst rückständig erscheinen, verleiht dem Spiel aber eine deutlich höhere Spannung und macht jeden Treffer bedeutsam.
Die Steuerung ist präzise und reaktionsschnell. Jede Waffe fühlt sich anders an und hat ihre eigenen ballistischen Eigenschaften. Die legendäre M1 Garand mit ihrem charakteristischen Acht-Schuss-Clip erfordert strategisches Nachladen, während die Maschinenpistole Thompson sich perfekt für den Nahkampf eignet. Die Waffenvielfalt ist historisch korrekt und bietet für jeden Spielstil die passende Option.
Besonders gelungen sind die abwechslungsreichen Missionen. Mal kämpft man sich durch die Schützengräben, dann wieder steuert man einen Sherman-Panzer durch französische Dörfer oder infiltriert verdeckt deutsche Stellungen. Eine Mission lässt den Spieler sogar als französische Widerstandskämpferin Rousseau durch das besetzte Paris schleichen – eine willkommene Abwechslung zum frontalen Sturmangriff.
Die KI der Verbündeten ist deutlich verbessert worden. Kameraden verhalten sich taktisch sinnvoll, decken den Spieler und bieten realistische Unterstützung. Auch die gegnerische KI zeigt sich kampflustig und nutzt Deckung intelligent. Deutsche Soldaten werfen Granaten, flanken den Spieler und ziehen sich zurück, wenn sie unterlegen sind.
Ein Highlight ist das neue „Squad“-System. Verschiedene Kameraden bieten dem Spieler unterschiedliche Unterstützung: Zussman versorgt den Spieler mit Munition, Turner mit Erste-Hilfe-Päckchen und Stiles markiert Feinde. Dieses System fördert die Bindung zu den Charakteren und macht sie zu wichtigen Spielelementen statt reinen Story-Vehikeln.
Die Kampagne bietet etwa 6-8 Stunden Spielzeit und hinterlässt Lust auf mehr. Sammelobjekte in Form von Mementos und historischen Dokumenten verlängern die Spielzeit für Komplettisten. Wer alle Geheimnisse finden möchte, sollte die Augen offen halten.
Multiplayer
Der Multiplayer kehrt zu den Grundlagen zurück und verzichtet auf Wall-Running, Jetpacks und andere futuristische Elemente. Das Ergebnis ist ein deutlich bodenständigeres und taktischeres Gameplay, das an die goldenen Zeiten von Call of Duty 4: Modern Warfare erinnert.
Die neuen „Divisions“ ersetzen das Pick-10-System und bieten fünf verschiedene Spezialisierungen: Infantry (Sturmgewehre), Airborne (SMGs), Armored (LMGs), Mountain (Scharfschützengewehre) und Expeditionary (Shotguns). Jede Division bringt eigene Vorteile mit sich und fördert unterschiedliche Spielstile.
Besonders innovativ ist der „War“-Modus, in dem Teams objektive Ziele in linearen, mehrphasigen Kämpfen erobern müssen. Diese Matches fühlen sich wie kleine Kampagnen-Missionen an und bieten eine erfrischende Alternative zu den klassischen Modi. Der Headquarters-Hub, in dem Spieler zwischen den Matches interagieren können, ist eine nette Ergänzung, auch wenn er nicht revolutionär ist.
Fazit
Call of Duty: WWII ist die Rückkehr, auf die viele Fans gehofft haben. Sledgehammer Games gelingt es, die Serie erfolgreich zu ihren historischen Wurzeln zurückzuführen, ohne dabei altmodisch zu wirken. Die Kampagne ist emotional packend, visuell beeindruckend und behandelt ihre schwierige Thematik mit dem nötigen Respekt.
Das Gameplay fühlt sich gleichzeitig vertraut und frisch an. Der Verzicht auf automatische Heilung und die Rückkehr zu den Grundlagen machen jeden Kampf bedeutsamer. Die technische Umsetzung überzeugt auf ganzer Linie, auch wenn kleine Performance-Probleme das Erlebnis gelegentlich trüben.
Nach den umstrittenen futuristischen Ausflügen beweist Call of Duty: WWII, dass in der Serie noch Leben steckt. Es ist kein revolutionäres Meisterwerk, aber ein solides, unterhaltsames und respektvolles Spiel, das sowohl Veteranen als auch Newcomer ansprechen dürfte. Wer schon länger auf eine authentische Weltkriegs-Simulation gewartet hat, wird hier bestens bedient.
Wertung: 8.5/10
Call of Duty: WWII ist seit dem 3. November 2017 für PlayStation 4, Xbox One und PC erhältlich.