Control Logo Artwork

[Review] Control

Mit Control präsentiert uns Remedy Entertainment ihr bislang ambitioniertestes Projekt und kehrt nach dem eher durchwachsenen Quantum Break zu ihren Wurzeln zurück. Das finnische Entwicklerstudio, das uns bereits mit Max Payne und Alan Wake begeistert hat, wagt sich diesmal in völlig neue Gefilde vor und liefert einen Supernatural-Thriller ab, der schon beim ersten Trailer für ordentlich Aufmerksamkeit gesorgt hat. Nach gut sechs Jahren Entwicklungszeit ist Control nun endlich da und ich kann schon vorwegnehmen: Das Warten hat sich definitiv gelohnt.

Control katapultiert uns in eine Welt, die auf den ersten Blick wie ein ganz normales Regierungsgebäude wirkt, sich aber schnell als etwas völlig anderes entpuppt. Das Federal Bureau of Control, kurz FBC, ist eine Geheimorganisation, die sich mit paranormalen Phänomenen beschäftigt – und genau hier beginnt unsere Geschichte.

Story

Die Geschichte von Control beginnt, als Jesse Faden das imposante Brutalist-Gebäude des Federal Bureau of Control in New York betritt. Jesse ist auf der Suche nach ihrem verschwundenen Bruder Dylan, der vor vielen Jahren bei einem mysteriösen Ereignis in ihrer Heimatstadt Ordinary verschwunden ist. Doch was als verzweifelte Suche beginnt, entwickelt sich schnell zu etwas viel Größerem.

Kaum hat Jesse das FBC betreten, findet sie sich mitten in einer Krise wieder. Das Gebäude ist von einer mysteriösen Kraft namens „Hiss“ befallen, die die Angestellten in zombieähnliche Wesen verwandelt hat. Der Direktor des FBC ist tot und Jesse findet sich plötzlich in der Rolle der neuen Direktorin wieder – auserwählt von einer übernatürlichen Entität namens „Das Board“, die durch ein mysteriöses Objekt namens „Service Weapon“ mit ihr kommuniziert.

Was dann folgt, ist eine faszinierende Reise durch die verworrenen Geheimnisse des FBC. Das Gebäude selbst – genannt „The Oldest House“ – ist ein lebender Organismus, der größer ist als physikalisch möglich und seine Architektur ständig verändert. Hier lagert das FBC sogenannte „Objects of Power“ – alltägliche Gegenstände, die durch paranormale Kräfte zu mächtigen Artefakten geworden sind. Ein roter Telefon kann beim Abheben den Tod bringen, ein Kühlschrank öffnet Portale in andere Dimensionen.

Remedy hat hier eine Story erschaffen, die stark von den Werken von David Lynch, der SCP Foundation und Autoren wie Jeff VanderMeer inspiriert ist. Das „New Weird“-Genre wird hier perfekt in Spielform übertragen, ohne dabei zu abstrakt oder unverständlich zu werden. Jesse selbst ist dabei eine starke Protagontin, die von Courtney Hope (bekannt aus Quantum Break) überzeugend verkörpert wird. Ihre inneren Monologe und die Kommunikation mit dem mysteriösen Board schaffen eine einzigartige Atmosphäre zwischen Wahnsinn und Erleuchtung.

Gameplay

Control ist in seinem Kern ein Third-Person-Shooter mit Supernatural-Elementen, aber diese Beschreibung wird dem Spiel nicht ansatzweise gerecht. Das Gameplay entwickelt sich organisch mit der Story und bietet eine perfekte Mischung aus Erkundung, Rätseln und intensiven Kämpfen.

Jesses wichtigstes Werkzeug ist die Service Weapon – eine übernatürliche Pistole, die ihre Form verändern kann. Zu Beginn ist es eine einfache Handfeuerwaffe, aber im Laufe des Spiels schaltet man weitere Modi frei: einen Maschinengewehr-Modus für schnelle Feuerkraft, eine Shotgun-Variante für Nahkampf, einen Präzisions-Modus für Fernkämpfe und sogar eine Art Raketen-werfer. Jeder Modus fühlt sich völlig anders an und hat seine eigenen taktischen Einsatzgebiete.

Doch die wahre Stärke von Control liegt in Jesses übernatürlichen Fähigkeiten. Nach und nach erlernt sie verschiedene paranormale Kräfte: Launch erlaubt es ihr, Gegenstände telekenetisch zu schleudern – von Stühlen bis hin zu ganzen Gabelstaplern. Shield erstellt eine schützende Barriere aus Trümmern. Evade lässt sie kurze Teleportationsdashes ausführen. Seize übernimmt die Kontrolle über Feinde. Und Levitate – meine persönliche Lieblingsfähigkeit – ermöglicht es Jesse zu schweben und zu fliegen.

Diese Fähigkeiten zu kombinieren ist das Herzstück des Kampfsystems. Man kann einen Feuerlöscher mit Launch auf eine Gruppe Feinde schleudern, während man in der Luft schwebt, dann mit Evade zur Seite ausweichen und gleichzeitig mit der Service Weapon nachsetzen. Die Kämpfe fühlen sich dadurch unglaublich dynamisch und flüssig an. Besonders beeindruckend ist dabei die Zerstörung der Umgebung – nach einem Kampf sind Büros oft völlig verwüstet, Betonbrocken fliegen durch die Luft und Glasscherben bedecken den Boden.

Das Oldest House selbst ist dabei fast schon ein eigener Charakter. Das Gebäude ist ein verwirrender Labyrinth aus Büroräumen, Forschungslaboren, Wartungsschächten und völlig surrealen Bereichen. Da gibt es den Aufbewahrungssektor, wo gefährliche Objects of Power gelagert werden, die Research-Abteilung mit ihren wissenschaftlichen Experimenten, oder die völlig verrückte Ashtray Maze – ein Bereich, der sich beim Durchlaufen konstant verändert und neu anordnet. Jeder Bereich hat seinen eigenen Charakter und seine eigenen Geheimnisse.

Die Erkundung wird dabei durch ein cleveres Metroidvania-System vorangetrieben. Neue Fähigkeiten öffnen zuvor unzugängliche Bereiche, und das Gebäude verändert sich teilweise auch durch Story-Ereignisse. Clearance Level 6 benötigt man für bestimmte Sicherheitstüren, bestimmte Objects of Power sind erst nach Erreichen gewisser Story-Punkte zugänglich.

YouTube player

Grafik und Sound

Visuell ist Control ein absolutes Meisterwerk. Remedy hat hier mit der Northlight-Engine (die auch schon in Quantum Break zum Einsatz kam) eine der beeindruckendsten Spielwelten der letzten Jahre geschaffen. Das Brutalist-Design des Oldest House ist düster und bedrohlich, aber gleichzeitig faszinierend schön. Massive Betonwände, endlose Flure, riesige Atrien mit hängenden Pyramiden – die Architektur erzählt ihre eigene Geschichte.

Besonders beeindruckend ist die Beleuchtung. Control nutzt Ray-Tracing auf PC (und späteren Konsolen-Generationen) um realistische Reflexionen und Schatten zu erzeugen. Wenn Jesse durch ein Fenster fliegt, spiegelt sich alles perfekt in den Glasscherben. Neonlichter werfen farbige Schatten auf die Wände. Die paranormalen Effekte – besonders wenn das Hiss zuschlägt – erzeugen surreale Lichtspiele, die die Realität zu verzerren scheinen.

Die Charaktermodelle sind ebenso überzeugend. Jesse Faden wirkt lebendig und authentisch, ihre Gesichtsanimationen transportieren perfekt ihre innere Zerrissenheit zwischen Verwirrung und wachsender Macht. Auch die Nebenfiguren wie der paranoide Janitor Ahti (großartig synchronisiert) oder die geheimnisvolle Dr. Darling sind liebevoll gestaltet.

Audiovisuell setzt Control neue Maßstäbe. Der Soundtrack von Petri Alanko (ebenfalls aus Finnland) kombiniert düstere Industrial-Klänge mit surrealen Ambient-Passagen. Besonders die Old Gods of Asgard-Songs (eine fiktive Band aus Alan Wake) sind echte Ohrwürmer und werden geschickt in die Gameplay-Segmente integriert. „Take Control“ beim Durchlaufen der Ashtray Maze ist ein absolutes Highlight.

Die Soundeffekte sind ebenso beeindruckend. Das Knarren und Ächzen des Oldest House, die verzerrten Stimmen der Hiss-Infizierten, die knallenden Geräusche beim Einsatz von Launch – alles trägt zur einzigartigen Atmosphäre bei. Besonders mit Kopfhörern wird Control zu einem echten Audio-Erlebnis.

Die deutsche Lokalisation verdient ebenfalls ein Lob. Alle Texte sind sorgfältig übersetzt, die Sprachausgabe gibt es allerdings nur auf Englisch – was bei diesem speziellen Setting aber durchaus angemessen ist. Moment, das ist nicht ganz richtig – es gibt durchaus eine deutsche Synchronisation, und hier muss ich eine persönliche Anekdote loswerden: Jesse Faden wird von Britta Gartner gesprochen, die zweifellos professionelle Arbeit abliefert und die Rolle technisch sehr sauber umsetzt. Ihre Leistung ist objektiv betrachtet durchaus gelungen – sie transportiert Jesses Unsicherheit zu Beginn ebenso wie ihre wachsende Selbstsicherheit als Direktorin überzeugend. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich persönlich mit ihrer Stimme einfach nicht warm werde. Das liegt nicht an ihrer Kompetenz als Synchronsprecherin, sondern ist rein subjektiv – manchmal passt eine Stimme einfach nicht zu den eigenen Hörgewohnheiten. (Sorry, Britta!)

Das Board und die mysteriösen Kräfte

Ein besonderer Aspekt von Control, der das Spiel von anderen abhebt, ist die Kommunikation mit dem mysteriösen „Board“. Diese übernatürliche Entität kommuniziert über seltsame, fragmentierte Textnachrichten, die auf dem Bildschirm erscheinen. Diese Nachrichten sind oft kryptisch und verwenden seltsame Wortwiederholungen und Konzepte, die schwer zu verstehen sind – genau wie echte paranormale Kommunikation sein könnte.

Das Board verleiht Jesse ihre Kräfte, aber es bleibt unklar, was es wirklich will oder ob man ihm trauen kann. Diese Ambiguität zieht sich durch das gesamte Spiel und macht es zu mehr als nur einem simplen „gut gegen böse“-Szenario.

Auch die Art, wie neue Fähigkeiten erlernt werden, ist brillant umgesetzt. Jesse muss verschiedene Objects of Power finden und sich mit ihnen „verbinden“. Jedes Object hat seine eigene kleine Geschichte und sein eigenes Rätsel. Der Prozess selbst findet in der sogenannten Astral Plane statt – einer surrealen Dimension, die aussieht wie eine Mischung aus M.C. Escher-Kunst und einem Fiebertraum.

Nebenquests und Geheimnisse

Control bietet neben der Hauptquest eine Vielzahl von Nebenaufgaben, die alle hervorragend in die Welt integriert sind. Jede Nebenquest fühlt sich wie ein kleiner paranormaler Fall an, den das FBC untersucht. Da gibt es die mysteriöse „Former“-Quest, bei der Jesse in eine Parallelversion des Oldest House reisen muss, oder die „Old Growth“-Mission, die sie in einen lebenden Wald innerhalb des Gebäudes führt.

Besonders bemerkenswert sind die sogenannten Bureau Alerts – kleine Expeditionen in veränderte Versionen bekannter Gebiete, die regelmäßig neue Herausforderungen bieten. Diese fühlen sich an wie kleine Episoden einer paranormalen TV-Serie.

Das Spiel ist auch voller versteckter Geheimnisse und Easter Eggs. Überall findet man Dokumente, Audioaufnahmen und Videos, die die Geschichte des FBC und seiner Mitarbeiter erzählen. Jedes gefundene Dokument erweitert das Verständnis für diese faszinierende Welt. Remedy-Fans werden auch einige Verbindungen zu Alan Wake entdecken, die auf ein gemeinsames Universum hindeuten.

Schwierigkeitsgrad und Accessibility

Control bietet verschiedene Schwierigkeitsgrade, wobei „Story“ für Spieler gedacht ist, die hauptsächlich die Erzählung erleben möchten, während „Control“ eine echte Herausforderung darstellt. Das Spiel kann durchaus fordernd sein – besondere Bosskämpfe wie der gegen Salvador oder Tomassi erfordern taktisches Vorgehen und gutes Timing.

Positiv zu erwähnen sind die umfangreichen Accessibility-Optionen. Subtitle-Customization, Colorblind-Support und verschiedene Motorik-Hilfen machen das Spiel für ein breites Publikum zugänglich. Das ist besonders bei einem so visuell und audio-lastigen Spiel wichtig.

Technische Performance

Auf PC läuft Control bei entsprechender Hardware absolut flüssig. Die Northlight-Engine ist gut optimiert und auch auf älteren Systemen spielbar, sofern man bereit ist, bei den Ray-Tracing-Effekten Abstriche zu machen. Die Ladezeiten sind erfreulich kurz, was bei einem Spiel mit so vielen verschiedenen Bereichen wichtig ist.

Ein kleiner Kritikpunkt: Gelegentlich kommt es zu kleineren Texture-Pop-ins, besonders in größeren Bereichen. Auch die Kamera kann in engen Räumen manchmal etwas störrisch werden. Diese kleinen technischen Macken fallen aber kaum ins Gewicht.

Fazit zu Control

Remedy Entertainment hat mit Control ihr Meisterwerk abgeliefert. Nach den eher gemischten Reaktionen auf Quantum Break zeigt das Studio hier, dass sie die perfekte Balance zwischen innovativem Storytelling und solidem Gameplay gefunden haben. Control ist kein Spiel für jeden – wer linear erzählte Action-Spiele bevorzugt, könnte sich an der surrealen Atmosphäre und den kryptischen Rätseln stören. Aber wer bereit ist, sich auf diese bizarre Welt einzulassen, wird mit einem der faszinierendsten Gaming-Erlebnisse der letzten Jahre belohnt.

Die Kombination aus atmosphärischem Horror, übernatürlichen Kräften und clevem Gameplay-Design macht Control zu einem echten Geheimtipp. Es ist ein Spiel, das man nicht einfach „durchspielt“, sondern das man erlebt und über das man noch lange nach dem Abspann nachdenkt. Jeder Winkel des Oldest House erzählt seine eigene Geschichte, jedes gefundene Dokument fügt ein weiteres Puzzleteil zum großen Ganzen hinzu.

Remedy hat bewiesen, dass originelle, kreative Spielentwicklung auch 2019 noch möglich ist. Control steht in einer Reihe mit Spielen wie BioShock oder Half-Life 2 – Titel, die zeigen, dass Videospiele mehr sein können als reine Unterhaltung. Sie können Kunst sein, sie können zum Nachdenken anregen und sie können Welten erschaffen, die man nicht mehr vergisst.

Für alle, die sich für paranormale Geschichten, cleveres Gameplay oder einfach nur für außergewöhnliche Spielerfahrungen interessieren, ist Control ein absolutes Muss. Das Federal Bureau of Control wartet darauf, erkundet zu werden – und Jesse Faden braucht eine fähige Direktorin an ihrer Seite.

Bewertung: 9/10 – Ein faszinierendes Supernatural-Erlebnis, das neue Maßstäbe für atmosphärisches Storytelling setzt.

Hat dir dieser Beitrag gefallen?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag nützlich fandest...

Teile ihn doch gerne in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Was können wir verbessern?

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.