Willkommen im Paradies – oder besser gesagt in dem was davon übrig ist. Mit Dead Island wirft uns Entwickler Techland auf die fiktive Tropeninsel Banoi vor der Küste Papua-Neuguineas. Was nach einem entspannten Urlaubsschauplatz klingt, entpuppt sich innerhalb kürzester Zeit als blutiges Horrorszenario. Die bereits zur E3 2006 angekündigte Zombie-Survival-Produktion hat eine wahre Odyssee hinter sich gebracht und sich während der Entwicklungszeit mehrfach neu erfunden. Ursprünglich sollte das Projekt als dritter Ableger der True Crime-Reihe das Licht der Welt erblicken, wurde zwischenzeitlich eingestampft und schließlich von Publisher Deep Silver wiederbelebt. Das Ergebnis präsentiert sich als eigenständige Marke, die versucht frischen Wind in das Zombie-Genre zu bringen. Ob dieser ambitionierte Versuch gelingt, klären wir in diesem ausführlichen Review.
Aufwachen in der Apokalypse
Die Geschichte von Dead Island beginnt denkbar entspannt. Nach einer durchzechten Partynacht im luxuriösen Royal Palms Resort erwachen vier Charaktere und müssen feststellen, dass die Urlaubsidylle einem blutigen Albtraum gewichen ist. Die Insel wird von einer mysteriösen Seuche heimgesucht, die die Bewohner und Urlauber in fleischfressende Untote verwandelt hat. Unsere vier Protagonisten stellen jedoch fest, dass sie eine besondere Eigenschaft besitzen – sie sind immun gegen die Infektion.
Zur Auswahl stehen Sam B., ein abgehalfterter One-Hit-Wonder-Rapper aus New Orleans, der seine Karriere auf Banoi wiederbeleben wollte. Xian Mei, eine scheinbar harmlose Hotelangestellte am Empfang, die jedoch in Wirklichkeit als Spionin für den chinesischen Geheimdienst tätig ist und eine Vergangenheit als Kampfkünstlerin mitbringt. Logan Carter, ein ehemaliger Football-Star, dessen Karriere durch rücksichtsloses Verhalten beendet wurde und der seine Dämonen hinter sich lassen wollte. Und schließlich Purna Jackson, eine ehemalige australische Polizistin, die nun als Bodyguard für VIPs arbeitet und eine kompromisslose Kämpferin ist.
Jeder dieser Charaktere bringt nicht nur eine eigene Hintergrundgeschichte mit, sondern verfügt auch über spezifische Fähigkeiten. Sam B. ist der Tank der Gruppe und spezialisiert sich auf stumpfe Waffen wie Baseballschläger und Vorschlaghämmer. Xian Mei brilliert mit Klingenwaffen und setzt auf Geschwindigkeit sowie präzise Treffer. Logan ist der Spezialist für Wurfwaffen und kann seine Wut kanalisieren, um verheerenden Schaden anzurichten. Purna hingegen ist die Schusswaffen-Expertin und kann ihre Teamkollegen im Koop-Modus unterstützen.
Die Grundprämisse ist schnell erzählt: Eine mysteriöse Stimme im Radio, die sich als Colonel Ryder White vorstellt, verspricht Rettung und instruiert die Überlebenden verschiedene Aufgaben zu erledigen. Im Verlauf der Kampagne entdeckt man nach und nach mehr über die Hintergründe des Ausbruchs, begegnet anderen Überlebenden und muss immer wieder moralisch fragwürdige Entscheidungen treffen. Die Story selbst ist solide erzählt, ohne dabei wirklich zu überraschen. Es gibt ein paar interessante Wendungen, doch insgesamt bleibt die Handlung eher konventionell und dient primär als Rahmen für das eigentliche Gameplay. Was die Erzählung jedoch schafft, ist eine konstant beklemmende Atmosphäre zu erzeugen. Die Verzweiflung der Überlebenden ist spürbar und die Situation verschlimmert sich kontinuierlich, je tiefer man in die Geschichte eintaucht.
Nahkampf mit Wucht und System
Das Herzstück von Dead Island ist zweifelsohne das Kampfsystem. Im Gegensatz zu vielen anderen Zombie-Titeln liegt der Fokus hier nicht primär auf Schusswaffen, sondern auf brutalem Nahkampf. Und genau hier entfaltet das Spiel seine Stärken. Die First-Person-Perspektive sorgt für eine unmittelbare und intensive Spielerfahrung. Man spürt förmlich jeden Schlag, jede Erschütterung wenn der Baseballschläger auf einen Zombie-Schädel trifft.
Das Waffensystem ist erstaunlich umfangreich und durchdacht. Überall auf der Insel findet man Gegenstände, die sich als Waffe eignen – von improvisierten Knüppeln über Macheten bis hin zu Brecheisen und Äxten. Jede Waffe hat individuelle Statuswerte wie Schaden, Haltbarkeit und Geschwindigkeit. Besonders clever ist das Modifikationssystem. Mit gefundenen Bauplänen lassen sich Waffen an Werkbänken upgraden und mit speziellen Eigenschaften versehen. Da wird aus einer simplen Machete eine elektrisch geladene Klinge oder aus einem Vorschlaghammer ein mit Nägeln gespicktes Folterinstrument. Diese Modifikationen sind nicht nur optisch eindrucksvoll, sondern haben auch spürbare Auswirkungen auf das Kampfverhalten.
Das Kampfsystem selbst basiert auf einem Ausdauer-Management. Jeder Schlag, jeder Sprint und jeder Sprung kostet Ausdauer. Ist diese aufgebraucht, muss man kurz pausieren, um wieder zu Atem zu kommen – in einer Horde von Zombies keine angenehme Situation. Dieser Mechanismus zwingt den Spieler zu taktischem Vorgehen. Blindes Draufhauen führt schnell zum Tod. Stattdessen gilt es Angriffe zu timen, Gegner einzeln auszuschalten und stets einen Fluchtweg offen zu halten. Hilfreich ist dabei die Tritt-Funktion, die keine Ausdauer kostet und Zombies zurückstößt oder zu Fall bringt. Ein am Boden liegender Untoter kann dann mit einem gezielten Stomp-Angriff erledigt werden.
Neben den Standard-Zombies gibt es auch Spezial-Infizierte, die für Abwechslung sorgen. Da wären die schnellen Infected, die in Sekundenschnelle auf den Spieler zustürmen, die massigen Thug-Zombies, die enorme Mengen an Schaden einstecken können, oder die explosiven Suicider, die sich selbst in die Luft jagen, wenn man ihnen zu nahe kommt. Jeder Gegnertyp erfordert eine eigene Herangehensweise und sorgt dafür, dass man seine Taktik ständig anpassen muss.
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Rollenspiel-Elemente mit Tiefgang
Dead Island ist kein reiner Action-Titel, sondern integriert umfangreiche RPG-Mechaniken. Das Erfahrungspunkte-System unterteilt sich in drei Kategorien: Kampf, Überleben und Wut. Für erledigte Zombies, abgeschlossene Quests und gefundene Sammelobjekte erhält man Erfahrungspunkte. Mit jedem Level-Aufstieg kann man einen Skill-Punkt in einen von drei Talentbäumen investieren.
Der Kampf-Baum fokussiert sich auf offensive Fähigkeiten und verbessert Schaden sowie kritische Trefferchancen. Der Überlebens-Baum erhöht defensive Werte wie Gesundheit und die Effektivität von Heilgegenständen. Der Wut-Baum schaltet spezielle Rage-Fähigkeiten frei, die es ermöglichen für kurze Zeit übermenschliche Kräfte zu entfesseln. Jeder Charakter verfügt über einzigartige Talente, die seinem Spielstil entsprechen. Diese Individualisierung sorgt dafür, dass sich die vier Helden tatsächlich unterschiedlich spielen und man motiviert ist, mehrere Durchgänge mit verschiedenen Charakteren zu absolvieren.
Die offene Spielwelt von Banoi ist in mehrere große Areale unterteilt. Man startet im Resort-Bereich mit seinen Luxushotels und Strandpromenaden, begibt sich später in die Slums der Stadt Moresby, kämpft sich durch den Dschungel und erreicht schließlich ein hochgesichertes Gefängnis. Jedes Gebiet hat seinen eigenen Charakter und bietet unterschiedliche Herausforderungen. Die Welt ist zwar nicht komplett offen wie in einem typischen Open-World-Spiel, bietet aber dennoch viel Raum für Erkundung.
Neben den Hauptmissionen gibt es zahlreiche Nebenaufträge. Hier liegt allerdings auch eine der größten Schwächen des Spiels. Viele dieser Sidequests sind simple Fetch-Quests nach dem Muster „Geh zu Ort X und bring mir Gegenstand Y“. Diese repetitive Struktur wird mit der Zeit ermüdend und hätte deutlich mehr Variation vertragen können. Trotzdem gibt es auch einige interessantere Nebenaufgaben, die kleinere Geschichten erzählen und zusätzlichen Kontext zur Insel liefern.
Technische Licht- und Schattenseiten
Hier kommen wir zu einem heiklen Punkt. Dead Island hatte zum Release mit massiven technischen Problemen zu kämpfen. Die PC-Version wurde versehentlich als Development-Build auf Steam veröffentlicht, was zu einem PR-Desaster führte. Auch die Konsolenfassungen litten unter Bugs, Texture-Pop-ins, Framerate-Einbrüchen und sogar zerstörten Speicherständen. Techland reagierte mit mehreren Patches, die viele dieser Probleme beheben sollten, doch ein vollständig stabiles Spielerlebnis konnte nicht für alle Plattformen garantiert werden.
Grafisch bewegt sich Dead Island im gehobenen Mittelfeld. Die Tropenkulisse bietet hübsche Ausblicke, Lichteffekte sind atmosphärisch umgesetzt und das mehrstufige Schadenssystem an Gegnern ist beeindruckend detailliert. Man sieht exakt, wo man einen Zombie getroffen hat – abgetrennte Gliedmaßen, aufgespaltene Schädel und tiefe Schnittwunden werden realistisch dargestellt. Allerdings wiederholen sich Charaktermodelle häufig und einige Texturen wirken verwaschen. Optisch kann Dead Island mit aktuellen Blockbustern nicht mithalten, für einen Mittelklasse-Titel ist die Präsentation aber durchaus ansehnlich.
Akustisch liefert Dead Island eine solide Leistung ab. Die Umgebungsgeräusche tragen enorm zur Atmosphäre bei – das Stöhnen der Zombies, das Rauschen des Meeres, brennende Gebäude und die panischen Schreie von Überlebenden erzeugen ein eindringliches Horrorszenario. Der Soundtrack hält sich dezent im Hintergrund und setzt gezielt Akzente in besonders intensiven Momenten. Die englische Sprachausgabe ist gut gelungen, eine deutsche Synchronisation gibt es nicht. Stattdessen stehen deutsche Untertitel zur Verfügung, die ihre Aufgabe solide erfüllen.
Koop-Modus als Highlight
Ein besonderes Highlight von Dead Island ist der Koop-Modus für bis zu vier Spieler. Die gesamte Kampagne kann gemeinsam mit Freunden bestritten werden, und genau hier zeigt sich die wahre Stärke des Spiels. Das koordinierte Vorgehen im Team, die Aufgabenverteilung und die gegenseitige Unterstützung machen aus Dead Island ein herausragendes Koop-Erlebnis.
Jeder Charakter kann seine Stärken einbringen. Während Sam B. als Tank die Aufmerksamkeit auf sich zieht, kann Xian Mei von hinten kritische Treffer landen. Logan schwächt Gegner aus der Distanz und Purna sorgt mit Schusswaffen für zusätzlichen Support. Die Synergie zwischen den Charakteren ist spürbar und macht den Koop-Modus zu einem der besten Aspekte des gesamten Spiels. Das Drop-in/Drop-out-System funktioniert reibungslos und erlaubt es Spielern jederzeit eine Session zu betreten oder zu verlassen.
Im Singleplayer ist Dead Island deutlich härter und manchmal frustrierender. Die Balance scheint primär auf Mehrspielererfahrung ausgelegt zu sein, was Solo-Spieler vor größere Herausforderungen stellt. Nicht unmöglich, aber definitiv fordernder.
Fazit zu Dead Island
Dead Island ist ein ambitioniertes Projekt, das durchaus frischen Wind ins Zombie-Genre bringt. Das Konzept, einen Survival-Horror-Titel mit umfangreichen Rollenspiel-Elementen und brutalem Nahkampf zu verbinden, funktioniert grundsätzlich gut. Die Atmosphäre auf Banoi ist dicht, die Kämpfe packend und das Waffenmodifikationssystem macht Spaß. Besonders im Koop-Modus zeigt das Spiel seine Stärken und liefert dutzende Stunden Unterhaltung.
Gleichzeitig hat Dead Island auch deutliche Schwächen. Die repetitiven Nebenquests, die technischen Probleme und die teilweise unausgewogene Balance im Singleplayer trüben den Gesamteindruck. Die Story ist zwar solide, bleibt aber letztendlich austauschbar und wartet nicht mit großen Überraschungen auf. Auch die Tatsache, dass Schusswaffen erst in der zweiten Spielhälfte verfügbar werden, mag manche Spieler frustrieren – auch wenn dies dem Fokus auf Nahkampf geschuldet ist.
Der legendäre Cinematic-Trailer, der für Aufsehen sorgte und mit seiner emotionalen Darstellung eines infizierten Kindes polarisierte, weckte Erwartungen an eine tiefgründige, bewegende Geschichte. Diese Erwartung konnte das fertige Spiel nicht vollständig erfüllen. Die emotionale Tiefe des Trailers findet sich im Spiel selbst kaum wieder, was bei vielen Spielern zu Enttäuschung führte.
Trotz dieser Kritikpunkte bleibt Dead Island ein empfehlenswertes Spiel für Fans des Genres. Wer nach einem Zombie-Abenteuer mit Fokus auf Koop-Action und brutalen Nahkämpfen sucht, findet hier ein solides Paket. Für Spieler, die Titel wie Left 4 Dead mögen, aber mehr Tiefgang durch RPG-Elemente wünschen, ist Dead Island eine interessante Alternative. Die Tropeninsel Banoi mag kein Urlaubsparadies mehr sein, aber als Schauplatz für Zombie-Gemetzel macht sie durchaus eine gute Figur.
Definitive Edition (Update vom 31. Mai 2016)
Keine fünf Jahre nach dem ursprünglichen Release erscheint nun Dead Island: Definitive Edition für PlayStation 4, Xbox One und PC. Diese überarbeitete Fassung bringt das Spiel auf die aktuelle Konsolengeneration und behebt viele der ursprünglichen Probleme. Grund genug für mich, dieses Review zu aktualisieren und einen Blick auf die Neuauflage zu werfen. Was hat sich konkret verbessert?
Die Grafik wurde grundlegend überarbeitet. Anstatt nur eine einfache Hochskalierung vorzunehmen, hat Entwickler Techland die Engine umfassend modernisiert. Texturen wurden in höherer Auflösung neu erstellt, das Beleuchtungssystem komplett überarbeitet und Charaktermodelle detaillierter gestaltet. Die Verbesserungen sind deutlich sichtbar – Dead Island sieht in der Definitive Edition aus wie ein Titel der aktuellen Generation und nicht mehr wie ein Spiel von 2011. Besonders die Lichtstimmung profitiert enorm von den Anpassungen. Sonnenuntergänge am Strand, das flackernde Licht brennender Gebäude und die düsteren Gassen von Moresby kommen nun wesentlich atmosphärischer zur Geltung.
Die technischen Probleme wurden größtenteils ausgemerzt. Die gefürchteten Bugs und Speicherstands-Probleme des Originals gehören der Vergangenheit an. Natürlich ist auch die Definitive Edition nicht vollkommen fehlerfrei, aber die auftretenden Glitches sind selten und beeinträchtigen das Spielerlebnis nicht merklich. Die Performance ist stabil und die Ladezeiten wurden verkürzt. Auf der PlayStation 4 läuft das Spiel in 1080p mit flüssigen Framerates, was einen erheblichen Unterschied zur PS3-Version darstellt.
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Ein großer Bonus der Definitive Edition ist die Integration sämtlicher DLCs. Das ursprüngliche Spiel wurde mit diversen Erweiterungen versorgt – neue Waffen-Packs, zusätzliche Charakterskins und kleinere Story-Missionen. All diese Inhalte sind in der Definitive Edition bereits enthalten, was den Umfang des Spiels nochmals erhöht. Wer die Dead Island Definitive Collection erwirbt, erhält zusätzlich auch noch Dead Island: Riptide in überarbeiteter Form sowie das 16-Bit-Sidescroller-Spiel Dead Island: Retro Revenge als Bonus. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist damit mehr als fair.
Für Spieler, die Dead Island 2011 verpasst haben oder das Spiel noch einmal erleben möchten, ist die Definitive Edition die klar empfehlenswerte Fassung. Die Verbesserungen rechtfertigen einen erneuten Durchgang und Neulinge bekommen die beste Version dieses Zombie-Abenteuers. Besonders im direkten Vergleich wird deutlich, wie viel Arbeit in diese Neuauflage geflossen ist. Es handelt sich nicht um einen faulen Remaster, sondern um eine echte Überarbeitung.
Ein kleiner Wermutstropfen für deutsche Spieler: Die ungeschnittene Fassung von Dead Island bleibt auch in der Definitive Edition in Deutschland indiziert. Hierzulande ist nur die zensierte Version offiziell erhältlich, oder man greift zur Import-Variante. Die Zensur betrifft primär die besonders brutalen Umgebungskills, bei denen Gegner auf spezielle Art und Weise erledigt werden können. Diese Finisher sind zwar unterhaltsam und passen zum brutalen Stil des Spiels, ihr Fehlen beeinträchtigt die Kernmechanik jedoch nicht grundlegend.
Mit der Definitive Edition bekommt Dead Island eine zweite Chance, die es verdient hat. Die ursprünglichen technischen Mängel sind behoben, die Präsentation zeitgemäß und der Umfang durch die inkludierten DLCs erweitert. Wer das Original gemocht hat, wird die Verbesserungen zu schätzen wissen. Neulinge bekommen einen soliden Zombie-Titel mit Fokus auf Koop-Action, der auch fünf Jahre nach Release noch Spaß macht. Die Definitive Edition ist die Version, die Dead Island von Anfang an hätte sein sollen.