Nach über einem Jahrzehnt des Wartens ist er endlich da – der vierte Teil der legendären Diablo-Serie. Blizzard Entertainment hat sich viel Zeit gelassen und das aus gutem Grund. Diablo III, obwohl kommerziell erfolgreich, polarisierte die Fangemeinde wie kaum ein anderer Serienteil. Der farbenfrohe Look, das kontroverse Auktionshaus und die eher actionlastige Ausrichtung stießen vielen Veteranen sauer auf, die sich nach den düsteren Wurzeln von Diablo und Diablo II sehnten. Mit Diablo IV verspricht Blizzard nun eine Rückkehr zu den Ursprüngen – doch kann das Spiel diese hohen Erwartungen erfüllen?
Die Diablo-Serie gilt seit jeher als Referenz für Action-RPGs und hat das Genre maßgeblich geprägt. Das ursprüngliche Diablo von 1996 revolutionierte mit seiner Mischung aus Dungeon-Crawling, Loot-Gier und atmosphärischer Düsternis das Rollenspielgenre. Diablo II perfektionierte diese Formel 2000 und gilt noch heute als Meilenstein des Gaming. Nach dem umstrittenen Diablo III stehen die Zeichen nun auf Wiedergutmachung.
Story – Rückkehr der Urböse
Diablo IV spielt Jahrzehnte nach den Ereignissen von Diablo III und führt uns erneut in die verfluchte Welt Sanktuario. Diesmal steht nicht der namensgebende Diablo im Mittelpunkt, sondern seine „Schwester“ Lilith, die Tochter des Hasses Mephisto. Als Mitschöpferin Sanktuarios und Mutter der Nephalem kehrt sie nach langer Verbannung zurück, um die Welt nach ihren Vorstellungen zu formen.
Die Story beginnt denkbar düster: Kultisten beschwören Lilith zurück in die Welt, was eine Kette verheerender Ereignisse auslöst. Als namenloser Wanderer geraten wir mitten in diese apokalyptischen Geschehnisse und müssen uns durch eine Welt kämpfen, die von Verzweiflung, Korruption und Tod geprägt ist. Die Erzählung ist dabei deutlich erwachsener und brutaler als in Diablo III – hier spritzt wieder das Blut, hier herrscht echte Hoffnungslosigkeit.
Besonders gelungen sind die Zwischensequenzen, die mit beeindruckender Technik und Detailreichtum die Geschichte vorantreiben. Lilith wird als vielschichtige Antagonistin präsentiert, deren Motive durchaus nachvollziehbar sind. Sie will Sanktuario vor der ewigen Bedrohung durch Himmel und Hölle schützen – wenn auch mit drastischen Mitteln. Diese moralische Ambiguität verleiht der Story eine Tiefe, die dem Vorgänger oft fehlte.
Grafik – Düstere Pracht in moderner Technik
Visuell kehrt Diablo IV zu den düsteren Wurzeln der Serie zurück und präsentiert sich in einer beeindruckenden, aber gleichzeitig bedrohlichen Optik. Die Farbpalette ist bewusst gedeckt gehalten – viel Grau, Braun und gedämpftes Rot dominieren das Bild. Himmel ist meist bewölkt oder von unheimlichen Phänomenen durchzogen, die Landschaften wirken trostlos und verlassen.
Die technische Umsetzung überzeugt auf ganzer Linie. Charaktermodelle sind detailreich animiert, die Umgebungen liebevoll gestaltet und die Lichteffekte sorgen für die richtige Atmosphäre. Besonders beeindruckend sind die Dungeons, die mit ihren verwinkelten Gängen, tropfenden Gewölben und makabren Details echtes Diablo-Feeling aufkommen lassen. Die Zonierung der offenen Welt ist dabei sehr geschickt gelöst – jede Region hat ihren eigenen Charakter, von den schneeverhangenen Gipfeln bis zu den pestverseuchten Sümpfen.
Die Zaubereffekte verdienen besondere Erwähnung: Wenn der Nekromant seine Untoten beschwört oder die Zauberin ihre Blitze entfesselt, ist das ein wahrer Augenschmaus. Gleichzeitig wirkt nichts übertrieben oder zu bunt – alles fügt sich stimmig in die düstere Gesamtatmosphäre ein.
Sound – Orchestrale Düsternis
Akustisch setzt Diablo IV auf bewährte Stärken der Serie. Der orchestrale Soundtrack komponiert von Tyler Bates unterstreicht perfekt die bedrohliche Atmosphäre. Ruhige Momente werden von melancholischen Melodien begleitet, während Kampfszenen von dramatischen, treibenden Rhythmen untermalt werden. Besonders gelungen ist dabei, wie sich die Musik dynamisch an die Spielsituation anpasst.
Die deutsche Synchronisation kann durchaus überzeugen, auch wenn manche Veteranen die englische Originalfassung bevorzugen werden. Die Sprecher hauchen den Charakteren Leben ein, wobei besonders Liliths Darstellerin Caroline Faber eine überzeugende Performance abliefert. Die Soundeffekte sind ebenfalls erstklassig: Das Krachen brechender Knochen, das Zischen von Magie oder das bedrohliche Grollen in der Ferne – alles trägt zur Immersion bei.
Was die Geräuschkulisse angeht, so spürt man förmlich die Sorgfalt der Entwickler. Schritte klingen auf verschiedenen Untergründen anders, Waffen haben charakteristische Sounds und die Umgebungsgeräusche lassen die Welt lebendig wirken, ohne aufdringlich zu sein.
Gameplay – Zwischen Tradition und Innovation
Das Herzstück von Diablo IV ist natürlich das Gameplay, und hier zeigt sich Blizzard von seiner besten Seite. Die Steuerung fühlt sich präzise und responsiv an, egal ob man mit Maus und Tastatur oder Controller spielt. Der Loot-Kreislauf funktioniert wie gewohnt süchtig machend: Monster töten, bessere Ausrüstung finden, stärker werden, schwierigere Monster töten.
Zur Veröffentlichung stehen fünf Klassen zur Verfügung: Barbar, Zauberin, Druidin, Nekromant und Schurkin. Jede Klasse spielt sich deutlich anders und bietet verschiedene Builds und Spezialisierungen. Der Barbar ist der klassische Nahkämpfer mit gewaltigen Zweihandwaffen, während die Zauberin mit verheerenden Elementarzaubern aus der Ferne agiert. Besonders interessant ist die Druidin, die zwischen Menschen- und Tiergestalt wechseln kann und sowohl magische als auch physische Angriffe beherrscht.
Das Fertigkeitensystem wurde gegenüber Diablo III deutlich erweitert. Statt der starren Runen gibt es nun einen klassischen Fertigkeitenbaum, der an Diablo II erinnert. Jede Klasse hat mehrere Spezialisierungswege, und die Wahl der Fertigkeiten beeinflusst maßgeblich den Spielstil. Hinzu kommen Paragon-Level für das Endgame und ein Glyphensystem, das weitere Anpassungsmöglichkeiten bietet.
Die offene Welt ist eine der größten Neuerungen der Serie. Statt linearer Akte können Spieler frei durch die fünf Regionen Sanktuarios wandern. Überall gibt es Dungeons zu erkunden, Weltbosse zu besiegen und Events zu absolvieren. Die Welt fühlt sich lebendig an und lädt zum Erkunden ein. Besonders gelungen sind die Strongholds – größere Herausforderungen, die ganze Gebiete freischalten und dauerhaft verändern.
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Endgame-Inhalte – Langzeitmotivation inklusive
Ein kritischer Punkt vieler Action-RPGs ist der Endgame-Content, und hier hat Diablo IV durchaus überzeugende Antworten parat. Neben den klassischen Rifts gibt es nun Nightmare Dungeons mit modifizierten Bedingungen und steigenden Schwierigkeitsgraden. Das Paragon-System bietet langfristige Charakterprogression auch nach Erreichen der Maximalstufe.
Besonders erwähnenswert sind die Weltbosse – massive Kreaturen, die zu bestimmten Zeiten in der offenen Welt spawnen und von bis zu 12 Spielern gleichzeitig bekämpft werden können. Diese Encounters erfordern Koordination und bieten einzigartige Belohnungen.
Das Tree of Whispers System sorgt für täglich wechselnde Aufgaben und Belohnungen, während PvP-Zonen denjenigen Spannung bieten, die sich mit anderen Spielern messen wollen. Die PvP-Gebiete sind optional und klar gekennzeichnet, sodass PvE-Fans ungestört bleiben können.
Always-Online und Mikrotransaktionen
Ein kontroverser Punkt ist die Always-Online-Anbindung. Diablo IV erfordert eine permanente Internetverbindung, selbst für Solo-Spiel. Das sorgt zwar für nahtlose Multiplayer-Integration und verhindert Cheating, frustriert aber bei Verbindungsproblemen. In den ersten Tagen nach Release kam es vereinzelt zu Server-Überlastungen, die das Spielerlebnis trübten.
Das Mikrotransaktions-System beschränkt sich glücklicherweise auf kosmetische Inhalte. Skins, Mounts und andere optische Verbesserungen können käuflich erworben werden, haben aber keinen Einfluss auf das Gameplay. Der Battle Pass bietet sowohl kostenlose als auch kostenpflichtige Belohnungen, ist aber fair gestaltet und nicht aufdringlich.
Technische Aspekte
Technisch läuft Diablo IV auf den meisten Systemen stabil und flüssig. Die Systemanforderungen sind moderat, und auch ältere Hardware kann das Spiel in ansprechender Qualität darstellen. Ladezeiten sind kurz, und das Spiel startet zügig. Vereinzelt kam es in der ersten Woche zu kleineren Bugs, die aber schnell behoben wurden.
Die Benutzeroberfläche ist übersichtlich gestaltet und sowohl für PC- als auch Konsolen-Spieler optimiert. Das Inventar-Management könnte etwas komfortabler sein, aber das ist Kritik auf hohem Niveau.
Fazit
Diablo IV ist die Rückkehr, auf die Fans so lange gewartet haben. Blizzard hat aus den Fehlern von Diablo III gelernt und ein Spiel geschaffen, das sowohl Veteranen als auch Neueinsteiger begeistern kann. Die düstere Atmosphäre, das süchtig machende Gameplay und die umfangreichen Endgame-Inhalte sorgen für hunderte Stunden Spielspaß.
Kleine Kritikpunkte wie die Always-Online-Pflicht oder gelegentliche Server-Probleme können den positiven Gesamteindruck nicht trüben. Diablo IV ist ein würdiger Nachfolger geworden, der die Stärken der Serie bewahrt und gleichzeitig moderne Elemente geschickt integriert.
Für Fans des Action-RPG-Genres ist Diablo IV ein Pflichtspiel. Wer bereits von Diablo oder Diablo II fasziniert war, wird hier seine neue Lieblingsbeschäftigung finden. Aber auch Newcomer können bedenkenlos zugreifen – ein besserer Einstieg in die Serie ist kaum vorstellbar.
Die Rückkehr nach Sanktuario ist geglückt. Lilith mag die Mutter der Dämonen sein, aber Diablo IV ist das Kind einer liebevollen Entwicklung, das seine Eltern stolz machen kann. Willkommen zurück in der Dunkelheit – es wird Zeit, dass das Böse wieder triumphiert.
Wertung: 8.5/10