Willkommen im größten Gefängnis der Welt
1981 schuf John Carpenter mit „Die Klapperschlange“ einen dystopischen Action-Thriller, der bis heute Kultstatus genießt. Über 40 Jahre später hat Designer Kevin Wilson (Arkham Horror, Descent) den Film als semi-kooperatives Brettspiel adaptiert – und HeidelBÄR Games bringt es nach erfolgreicher Crowdfunding-Kampagne auf Deutsch heraus. Doch kann das Tabletop die besondere Atmosphäre des Films einfangen?
Für diesen Test stand mir die „Not a Fool“ All-In Kickstarter-Version zur Verfügung, inklusive aller Erweiterungen und exklusiver Inhalte wie der Präsidenten-Miniatur. Ich habe Manhattan infiltriert und berichte von meiner Flucht – und davon, welche Unterschiede zwischen Kickstarter- und Retail-Version bestehen.
Die Mission: Fakten zum Spiel
Titel: Die Klapperschlange – Escape from New York
Designer: Kevin Wilson
Verlag: Pendragon Game Studio / HeidelBÄR Games (DE)
Spielerzahl: 1-4 Spieler (mit Erweiterung bis 5)
Spieldauer: 60-120 Minuten
Alter: ab 14 Jahren
Genre: Semi-kooperatives Abenteuerspiel
UVP: ca. 50 Euro (Grundspiel Retail)
Getestete Version: Not a Fool Pledge (All-In) + President Miniature
Die Prämisse: New York, 1997
Das Szenario ist schnell erklärt: Der Präsident der Vereinigten Staaten ist mit der Air Force One über Manhattan abgestürzt – dem größten Hochsicherheitsgefängnis der Welt. Ihr übernehmt die Rollen der Filmcharaktere Snake Plissken, Brain, Maggie und Cabbie und habt 24 Stunden Zeit, um den Präsidenten, eine wichtige Bandkassette und die Skizze einer nicht verminten Brücke zu finden. Scheitert ihr, werdet ihr nie wieder aus New York entkommen.
Spielmechanik: Zwischen Kooperation und Verrat
Das Herzstück: Semi-Kooperation mit Biss
Die Klapperschlange ist kein reines Koop-Spiel – und genau das macht seinen Reiz aus. Anfangs arbeiten alle zusammen, um die Hauptmission zu erfüllen. Doch jeder Charakter verfolgt auch geheime Eigenziele. Im Laufe der Partie kann es strategisch sinnvoll sein, die Gruppe zu verraten und alleine mit dem Präsidenten zu fliehen. Diese ständige Unsicherheit, wem man wirklich trauen kann, erzeugt eine Paranoia, die perfekt zur Filmvorlage passt.
Modularer Spielplan und Erkundung
Der Clou des Spiels liegt in seinem variablen Aufbau. Manhattan wird nicht vorgegeben, sondern entsteht erst während des Spiels durch das Aufdecken von Stadtteilplättchen. Jede Partie entwickelt sich anders, und ihr wisst nie, was hinter der nächsten Ecke lauert. Das sorgt für hohen Wiederspielwert und authentische Spannung.
Mit jeder Bewegung erkundet ihr neue Bereiche, findet Ausrüstung, stoßt auf Gefangene oder triggert Ereignisse. Fahrzeuge – besonders Cabbies legendäres Taxi – ermöglichen es, größere Distanzen zurückzulegen. Das ist essenziell, denn der Timer läuft gnadenlos herunter.
Das Lärm-System: Jede Aktion hat Konsequenzen
Eine der cleveren Mechaniken ist das Lärm-System. Fast jede Aktion erzeugt Geräusche, die auf dem New-York-Board festgehalten werden. Je mehr Lärm entsteht, desto aggressiver reagiert die Stadt. Die Banden, angeführt vom Duke of New York, Romero und Slag, werden aktiver und stellen sich euch in den Weg. Dieses System erzeugt ein ständiges Abwägen zwischen schnellem Vorankommen und vorsichtigem Agieren.
Einzigartiges Schadenssystem
Kevin Wilson hat sich etwas Besonderes für den Kampf ausgedacht: Statt klassische Lebenspunkte zu verlieren, müsst ihr bei erlittenem Schaden Aktionskarten aus eurem Deck abwerfen. Das bedeutet, dass Verletzungen eure Handlungsoptionen direkt einschränken – ein narrativ stimmiger und spielerisch frustrierend guter Kniff. Ihr könnt zwar euer Aktionsdeck durch Stufenaufstiege verbessern, aber jeder Treffer schmerzt spürbar.
Asymmetrische Charakterfähigkeiten
Jeder Charakter spielt sich unterschiedlich. Snake ist der kampferprobte Soldat, Brain der Stratege, Maggie die Überlebenskünstlerin und Cabbie der mobile Unterstützer mit seinem Taxi. Die Fähigkeiten sind gut ausbalanciert und leicht zu optimieren, sodass sich keine Rolle schwächer anfühlt als die anderen.
Atmosphäre: Carpenter-Feeling am Spieltisch?
Die Klapperschlange schafft es tatsächlich, die dichte Atmosphäre des Films einzufangen. Das liegt weniger an der visuellen Gestaltung – die Optik ist funktional, aber nicht spektakulär – sondern an den Spielmechaniken. Das Wettrennen gegen die Zeit, die ständige Bedrohung durch Banden, die schwierige Entscheidung zwischen Teamwork und Eigennutz: All das fühlt sich authentisch an.
Besonders gelungen ist die Pacing. Die ersten Runden verbringt man mit Erkundung und Vorbereitung. Doch je weiter die Timer-Karten schrumpfen, desto hektischer wird es. Wenn der Präsident endlich gefunden ist, beginnt ein verzweifelter Sprint zur richtigen Brücke – während die Banden immer näher rücken und Mitspieler plötzlich ihre wahren Absichten offenbaren könnten.
Getestete Version: Kickstarter All-In vs. Retail
Was war in meiner „Not a Fool“ Version enthalten?
Für diesen Test hatte ich Zugriff auf die vollständige Kickstarter-Version, die deutlich mehr bietet als die Retail-Fassung:
Grundspiel plus alle Erweiterungen:
- Die Banden von New York (5. Spieler-Erweiterung)
- United States Police Force
- Alle Stretch Goals der Kampagne
Exklusive Kickstarter-Inhalte:
- Heroes Set + Prisoners (detaillierte Miniaturen statt Pappaufsteller)
- President Miniature (exklusives Gratis-Geschenk)
- Exklusive Promo-Karten
- Deluxe-Komponenten (dickere Pappplättchen, verbesserte Karten)
Der Unterschied in der Haptik: Miniaturen vs. Pappaufsteller
Der auffälligste Unterschied zwischen Kickstarter und Retail liegt bei den Spielfiguren. Während die Retail-Version mit funktionalen Pappaufstellern arbeitet, bietet die All-In Version hochwertige Miniaturen für alle Helden, wichtige NPCs und Gefangene.
Meine Erfahrung: Die Miniaturen machen tatsächlich einen Unterschied für die Atmosphäre. Besonders die Heldenfiguren sind detailliert gestaltet und fangen die Filmcharaktere gut ein. Snake mit seiner legendären Augenklappe, Cabbie mit seiner charakteristischen Mütze – das sind schöne Details, die am Spieltisch für Wiedererkennung sorgen.
Die Präsidenten-Miniatur (Kickstarter-Exklusiv) ist ein nettes Gimmick, aber spielerisch ohne Bedeutung. Sie ersetzt lediglich den Präsidenten-Marker. Atmosphärisch ist es jedoch schön, den tatsächlichen Präsidenten als Figur über den Spielplan zu transportieren, statt nur einen Token zu schieben.
Achtung Retail-Käufer: Die Pappaufsteller im Grundspiel funktionieren einwandfrei und beeinträchtigen das Spielerlebnis nicht. Die Miniaturen sind ein Luxus, kein Muss. Wer sie nachträglich haben möchte, muss tiefer in die Tasche greifen – und das Miniatur-Set separat ist teuer.
Erweiterte Spieloptionen: Mehr ist nicht immer besser
Die All-In Version enthält alle Erweiterungen, was die taktischen Möglichkeiten erweitert:
Die Banden von New York: Ermöglicht einen fünften Spieler als aktiven Gegenspieler. In meinen Testpartien funktionierte das überraschend gut, wenn der New-York-Spieler kreativ agiert. Allerdings bleibt das Problem der begrenzten Aktionsoptionen bestehen – nach einigen Partien wiederholen sich die Züge.
United States Police Force: Fügt eine zusätzliche Bedrohung hinzu. Die Polizei verfolgt die Helden und erschwert die Flucht zusätzlich. Das erhöht den Schwierigkeitsgrad merklich und ist etwas für erfahrene Spielgruppen.
Stretch Goals und Promo-Karten: Bieten zusätzliche Ausrüstung, Ereignisse und alternative Spieloptionen. Nett, aber nicht spielentscheidend.
Auswirkungen auf das Spielerlebnis
Was die Kickstarter-Version besser macht:
- Haptik und Optik sind durch die Miniaturen deutlich aufgewertet
- Alle Erweiterungen aus einer Hand, kein Nachkaufen nötig
- Höherer Wiederspielwert durch mehr Variationsmöglichkeiten
- Deluxe-Komponenten fühlen sich wertiger an
Was keinen großen Unterschied macht:
- Die Kernmechaniken bleiben identisch
- Das grundlegende Spielgefühl ist in beiden Versionen gleich
- Die narrative Dichte entsteht durch das Design, nicht durch die Komponenten
Mein Fazit zur Version: Wer die Möglichkeit hatte, das All-In Pledge zu erwerben, hat ein rundum hochwertiges Paket bekommen. Für Retail-Käufer ist das Grundspiel aber völlig ausreichend, um das Spielerlebnis vollständig zu genießen. Die Miniaturen sind schön, aber nicht essentiell. Die Erweiterungen erweitern das Spiel, sind aber kein Muss für den Einstieg.
Produktionsqualität: Solide, aber nicht herausragend
Material und Komponenten
Die Spieleschachtel ist prall gefüllt. Neben dem modularen Spielplan gibt es 150 Karten, 40 Gefangenenfiguren, zahlreiche Marker und Plättchen sowie vier Heldenaufsteller (in der Retail-Version) bzw. Miniaturen (in der Kickstarter-Version). Die Karten verwenden Filmstills, was Fans freuen wird, aber dem Spiel insgesamt einen etwas tristen, fotorealistischen Look verleiht.
Kickstarter-Qualität: Die Deluxe-Komponenten der All-In Version fühlen sich stabiler an. Die Karten haben einen besseren Leinenfinish, die Pappplättchen sind dicker. Ob das den Aufpreis rechtfertigt, muss jeder für sich entscheiden.
Regelwerk: Umfangreich und fordernd
Hier offenbart sich eine Schwäche: Die Regeln sind komplex und für Neulinge durchaus überfordernd. Das Spiel richtet sich klar an erfahrene Brettspieler, die bereit sind, sich durch ein ausführliches Regelwerk zu arbeiten. Gelegenheitsspieler könnten abgeschreckt werden. Plant für die erste Partie definitiv eine ausführliche Regelerklärung ein.
Hinweis: Die zusätzlichen Erweiterungen in der All-In Version machen das Regelwerk noch umfangreicher. Ich empfehle, zunächst nur mit dem Grundspiel zu starten und die Erweiterungen erst nach mehreren Partien hinzuzufügen.
Stärken und Schwächen
Das spricht für Die Klapperschlange:
- Modularer Aufbau: Jede Partie fühlt sich frisch und anders an
- Semi-kooperative Mechanik: Die Verratsoption sorgt für Spannung und Drama
- Cleveres Schadenssystem: Verletzungen schränken Aktionen ein statt nur Zahlen zu reduzieren
- Authentische Atmosphäre: Pacing und Mechaniken fangen den Film-Spirit ein
- Charaktervielfalt: Asymmetrische Fähigkeiten bieten verschiedene Spielstile
- Deckbuilding-Element: Verbesserung des Aktionsdecks gibt Progression
- Wiederspielwert: Besonders mit allen Erweiterungen der All-In Version
Das sind die Schwachpunkte:
- Repetitive Gegnerzüge: Das Aktionsdeck von New York bietet wenig Variation
- Hohe Regeldichte: Einsteigerhürde ist nicht zu unterschätzen (noch höher mit allen Erweiterungen)
- Glücksfaktor: Wichtige Gegenstände können schwer zu finden sein
- Visuelle Gestaltung: Funktional, aber nicht beeindruckend (auch in der Deluxe-Version)
- Spiellänge variabel: Durch Zufallselemente können Partien sehr unterschiedlich lang dauern
- Preis-Leistung: Die Retail-Version ist fair bepreist, Kickstarter-Exklusiva sind teuer im Nachkauf
Erweiterungen: Mehr Spieler, mehr Chaos
Mit der Erweiterung „Die Banden von New York“ kann ein fünfter Spieler die Rolle New Yorks übernehmen und aktiv gegen die Helden agieren. Das verändert die Dynamik, allerdings nicht so drastisch wie erhofft – die beschränkten Aktionsoptionen New Yorks bleiben ein Problem.
Weitere Erweiterungen wie „United States Police Force“ und verschiedene Miniatur-Sets erweitern das Spielerlebnis, sind aber nicht zwingend notwendig.
Empfehlung: Startet mit dem Grundspiel. Die Erweiterungen sind nette Ergänzungen für Vielspieler, aber das Kernspiel funktioniert auch ohne sie hervorragend.
Zielgruppe: Für wen lohnt sich der Kauf?
Die Klapperschlange ist perfekt für:
- Film-Fans: Wer John Carpenters Kultklassiker liebt, bekommt eine thematisch stimmige Adaption
- Erfahrene Brettspieler: Die Komplexität richtet sich an Kenner, nicht an Gelegenheitsspieler
- Fans von Kevin Wilsons Designs: Wer Arkham Horror oder Descent schätzt, findet hier einen ähnlichen Stil
- Semi-Koop-Liebhaber: Die Verratsmechanik funktioniert und liefert dramatische Momente
- Kickstarter-Backer: Die All-In Version bietet hervorragende Wertigkeit für Sammler
Weniger geeignet für:
- Familienspieler: Zu komplex und düster für jüngere Spieler
- Kooperations-Puristen: Wer reines Teamwork erwartet, wird enttäuscht
- Vielspieler-Gruppen mit Verratungs-Abneigung: Der Backstab-Aspekt kann Freundschaften belasten
- Preisbewusste Käufer: Kickstarter-Exklusiva sind im Nachkauf sehr teuer
Fazit: Ein Kult-Film verdient ein Kult-Spiel
Die Klapperschlange – Escape from New York ist eine gelungene Brettspiel-Adaption, die den Geist des Films respektiert und in spielbare Mechaniken übersetzt. Kevin Wilson beweist erneut sein Händchen für atmosphärische Abenteuer-Designs, auch wenn das Spiel nicht frei von Schwächen ist.
Der modulare Aufbau garantiert Wiederspielwert, das semi-kooperative Element erzeugt Spannung bis zur letzten Minute, und das Schadenssystem ist innovativ. Gleichzeitig schreckt die Komplexität Einsteiger ab, und die repetitiven Gegnerzüge können auf Dauer stören.
Zur getesteten Kickstarter-Version: Die All-In Version ist ein Luxuspaket für Fans und Sammler. Die Miniaturen sehen gut aus, die zusätzlichen Erweiterungen bieten mehr Varianz. Spielerisch notwendig ist das alles aber nicht. Die Retail-Version bietet das komplette Spielerlebnis zu einem fairen Preis. Wer nachträglich aufrüsten möchte, sollte sich die Preise für Kickstarter-Exklusiva genau ansehen – hier wird es schnell teuer.
Wer bereit ist, sich auf ein regelintensives, glücksbetontes, aber thematisch dichtes Spielerlebnis einzulassen, bekommt mit Die Klapperschlange ein besonderes Brettspiel, das den Kultfilm würdig in ein anderes Medium übersetzt. Es ist kein perfektes Spiel, aber eines mit Charakter – genau wie Snake Plissken selbst.
Wertung: 7,5/10
Empfehlung: Kauf für Film-Fans und Liebhaber semi-kooperativer Abenteuer. Vorsicht bei Gelegenheitsspielern. Retail-Version völlig ausreichend, All-In nur für Sammler.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich den Film kennen, um das Spiel zu genießen?
Nein, das Spiel ist auch ohne Filmkenntnis spielbar. Film-Fans werden aber mehr Freude an den thematischen Details haben.
Wie gut funktioniert das Spiel solo?
Das Spiel unterstützt 1-4 Spieler. Der Solo-Modus ist spielbar, aber der semi-kooperative Aspekt entfällt natürlich.
Ist die deutsche Version komplett lokalisiert?
Ja, HeidelBÄR Games liefert eine vollständig deutsche Version mit übersetzten Regeln und Karten.
Wie lange dauert eine typische Partie?
Rechnet mit 90-120 Minuten für erfahrene Gruppen, Erstpartien können länger dauern.
Lohnen sich die Erweiterungen?
Die „Banden von New York“-Erweiterung ist für 5-Spieler-Runden interessant, aber kein Muss. Die Miniatur-Sets sind rein kosmetisch. Startet mit dem Grundspiel.
Brauche ich die Kickstarter-Version?
Nein. Die Retail-Version bietet das komplette Spielerlebnis. Die Kickstarter-Extras sind schön, aber nicht notwendig. Miniaturen und Erweiterungen können bei Bedarf nachgekauft werden – allerdings zu höheren Preisen.
Was ist der Unterschied zwischen Kickstarter und Retail?
Kickstarter enthält Miniaturen statt Pappaufsteller, alle Erweiterungen, Deluxe-Komponenten und exklusive Inhalte wie die Präsidenten-Miniatur. Spielerisch macht das kaum einen Unterschied, haptisch und optisch schon.
Die Klapperschlange – Escape from New York ist erhältlich bei HeidelBÄR Games und im Fachhandel.





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