Dragon Age: The Veilguard

[Review] Dragon Age: The Veilguard

Zehn Jahre sind vergangen. Zehn lange Jahre, in denen Dragon Age-Fans auf eine Fortsetzung des epischen Fantasy-Rollenspiels warteten. Mit Dragon Age: The Veilguard liefert BioWare nun endlich den vierten Teil der beliebten Reihe und verspricht dabei eine Rückkehr zu alter Stärke. Doch kann das Entwicklerstudio nach der durchwachsenen Resonanz auf Anthem und Mass Effect Andromeda überzeugen? Wir haben uns aufgemacht, die Welt von Thedas erneut zu erkunden und die Götter aufzuhalten.

Die Welt steht am Abgrund

Die Geschichte von Dragon Age: The Veilguard knüpft direkt an die Ereignisse des Trespasser-DLCs von Inquisition an – mit einem gewaltigen Zeitsprung von etwa neun Jahren. Wir schlüpfen in die Rolle von Rook, einem neu erstellten Protagonisten, der gemeinsam mit Varric und der Späherin Harding versucht, Solas aufzuhalten. Der berüchtigte Wolfsgott plant nichts Geringeres als die Zerstörung des Schleiers, jener magischen Barriere, die die physische Welt vom Reich der Geister – dem Nichts – trennt. Doch wie so oft bei derartigen Vorhaben läuft nicht alles nach Plan.

Durch Rooks Eingreifen wird Solas‘ Ritual unterbrochen, was jedoch zwei noch mächtigere elfische Götter befreit: Elgar’nan und Ghilan’nain. Diese archaischen Gottheiten der Elfen sind mit der Verderbnis infiziert und planen die Zerstörung Thedas‘. Was folgt ist ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem Rook gezwungen ist, eine Gruppe von Helden – die titelgebende Schleierwacht – zusammenzustellen, um die Bedrohung abzuwenden.

BioWare macht von Beginn an klar, dass dies kein gewöhnliches Dragon Age ist. Während Inquisition den Spieler an die Spitze einer mächtigen Organisation stellte, die politischen Einfluss ausübte, konzentriert sich The Veilguard auf eine deutlich intimere Geschichte. Rook ist kein Anführer von Armeen, sondern jemand der zusammen mit seinen engsten Vertrauten das Unmögliche versucht. Diese kleinere Perspektive hat durchaus ihren Reiz, auch wenn sie zugleich bedeutet, dass manche der großen politischen Verstrickungen früherer Teile etwas auf der Strecke bleiben.

Rook und die Schleierwacht

Die Charaktererstellung in The Veilguard ist ein absolutes Highlight. BioWare hat hier einen der besten Editoren geschaffen, den man in einem modernen Rollenspiel findet. Hunderte von Optionen stehen zur Verfügung – von detaillierten Gesichtszügen über verschiedene Körpertypen bis hin zu diversen Geschlechtsidentitäten. Besonders praktisch ist das verbesserte Beleuchtungssystem, das verhindert, dass der liebevoll erstellte Charakter im Spiel plötzlich ganz anders aussieht als im Editor. Ein Problem, das Veteranen aus Inquisition nur zu gut kennen. Sollte man dennoch mit seinem Aussehen unzufrieden sein, findet sich im Leuchtturm – der Basis der Schleierwacht – ein Spiegel, der nachträgliche Anpassungen ermöglicht.

Neben dem Aussehen wählt man zu Spielbeginn eine von drei klassischen Klassen: Krieger, Magier oder Schurke. Jede Klasse verfügt über zwei unterschiedliche Waffentypen und im Spielverlauf über jeweils drei Spezialisierungen. Der Krieger kann zwischen Schwert und Schild oder mächtigen Zweihandwaffen wählen, der Schurke nutzt entweder Dolche oder Bogen, während der Magier mit Stab und magischen Zaubern hantiert oder sich als Klingenmagier im Nahkampf beweist. Die Wahl der Fraktion – von den Grauen Wächtern über die Schattendrachen bis hin zu den Krähen von Antiva – beeinflusst nicht nur die Hintergrundgeschichte, sondern auch vereinzelte Dialogoptionen und das Standing gegenüber bestimmten Charakteren.

Was die Begleiter angeht, hat sich einiges verändert. Statt der aus früheren Teilen gewohnten Dreier-Gruppe kann Rook nun lediglich zwei Gefährten mitnehmen. Insgesamt stehen sieben Companions zur Verfügung, die sich im Laufe der Geschichte der Gruppe anschließen. Da wäre zum Beispiel Neve Gallus, eine Privatdetektivin und Eismagierin aus Minrathous, die den Schattendrachen angehört. Oder Davrin, ein charmanter elfischer Monsterjäger der Grauen Wächter, der von einem jungen Greifen namens Assan begleitet wird. Besonders hervorzuheben ist auch Emmrich Volkarin, ein höflicher Nekromant der Trauerwacht, dessen Assistent ein Skelett namens Manfred ist.

Die Begleiter sind durchweg gut geschrieben und verfügen über interessante Hintergrundgeschichten, die in eigenen Questlines erkundet werden können. Mit jedem Companion ist eine Romanze möglich – unabhängig vom Geschlecht des eigenen Charakters. Eine Neuerung ist zudem, dass die Gefährten auch untereinander Beziehungen eingehen können, sofern Rook nicht selbst den ersten Schritt macht. Dies sorgt für ein dynamisches Beziehungsgeflecht innerhalb der Gruppe. Allerdings fehlt den Gefährten manchmal die Tiefe und Komplexität, die Charaktere wie Morrigan, Alistair oder Solas in früheren Teilen auszeichnete. Die Companions in Veilguard sind sympathisch und gut inszeniert, aber auch vorhersehbarer und weniger kantig.

Kampfsystem mit Tempo

Das wohl kontroverseste Element von The Veilguard ist das Kampfsystem, das sich deutlich von seinen Vorgängern unterscheidet. BioWare hat den taktischen Ansatz von Origins und den semi-taktischen Stil von Inquisition hinter sich gelassen und setzt auf schnelles, actionreiches Gameplay. Die Kämpfe erinnern stark an Titel wie Final Fantasy VII Remake oder Mass Effect Andromeda – reaktionsschnelles Ausweichen, gut getimte Parier-Manöver und spektakuläre Fähigkeiten-Kombos stehen im Mittelpunkt.

Das System basiert auf vier grundlegenden Bewegungen: Springen, Ausweichen, leichter und schwerer Angriff. Schwere Angriffe können aufgeladen werden und verursachen bei Gegnern ein „Taumeln“, das sie anfälliger für Schaden macht. Jede Klasse nutzt dabei eine eigene Ressource – Krieger bauen Wut auf, Schurken sammeln Dynamik durch perfektes Ausweichen und Parieren, während Magier auf Mana angewiesen sind, das sich im Zeitverlauf regeneriert. Besonders wichtig ist das Zusammenspiel zwischen Vorbereiter- und Detonations-Fähigkeiten, ähnlich dem Combo-System aus Mass Effect. Wer hier geschickt vorgeht und seine Begleiter über das Fähigkeitsrad koordiniert, kann verheerende Schadensspitzen erzielen.

Das Kampfsystem macht tatsächlich Spaß und fühlt sich flüssig an – zumindest für die meisten Klassen. Der Krieger ist dabei die zugänglichste Wahl, denn er kann dank seiner robusten Verteidigung auch mal Fehler verzeihen. Der Schurke hingegen erfordert deutlich mehr Geschick, da seine Dynamik-Ressource bei Treffern verloren geht. Am problematischsten erweist sich jedoch der Magier. In späteren Kämpfen, wenn die Bildschirme mit visuellen Effekten überladen sind, wird es extrem schwierig, die Parieranzeige zu erkennen. Das führt zu frustrierenden Situationen, in denen man in einen repetitiven Zyklus aus Zauberwerfen, Weglaufen und Neupositionieren verfällt.

Kritik verdient auch die teils simple Struktur der Begegnungen. Die meisten Kämpfe laufen nach dem gleichen Muster ab, und viele Feinde verfügen nur über ein oder zwei verschiedene Mechaniken. Bossgefechte sind zwar spektakulär inszeniert, aber selten wirklich herausfordernd – selbst auf höheren Schwierigkeitsgraden. Das mag Gelegenheitsspieler freuen, lässt aber Veteranen, die nach taktischer Tiefe suchen, etwas enttäuscht zurück.

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Die Welt von Thedas – schön, aber linear

Optisch macht Dragon Age: The Veilguard eine hervorragende Figur. Die neue Frostbite Engine zaubert dank verbesserter Beleuchtung, Partikeleffekte und HDR-Unterstützung eine beeindruckende Fantasy-Welt auf den Bildschirm. Von den magischen Neon-beleuchteten Straßen von Minrathous über die mystischen Elfenwälder Arlathans bis hin zur düsteren Großen Nekropole – jedes Gebiet besitzt seinen eigenen visuellen Charakter. Der Stil ist dabei bewusst stilisierter als in Inquisition und erinnert stellenweise an Fable, was zunächst gewöhnungsbedürftig sein mag, aber durchaus Charme besitzt.

Die Spielwelt selbst ist in mehrere große Zonen unterteilt, die vom zentralen Leuchtturm aus über magische Spiegel erreichbar sind. Diese Gebiete sind visuell zwar distinct und laden zum Erkunden ein, wirken aber deutlich linearer als die offenen Areale aus Inquisition. Es gibt zwar Abzweigungen und Geheimnisse zu entdecken, doch das Gefühl echter Freiheit will sich nicht so recht einstellen. Viele Quests folgen dem simplen Muster „Folge dem Marker, kämpfe, führe ein Gespräch“. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, kann aber auf Dauer etwas repetitiv wirken.

Für Sammler und Completionisten gibt es dennoch genug zu tun: Von Schatztruhen über Wolfstatuen bis hin zu Evanuris-Altären finden sich zahlreiche Sammelobjekte. Zudem warten diverse Nebenquests und Begleiteraufgaben darauf, abgeschlossen zu werden. Wer alle optionalen Inhalte sehen möchte, kann durchaus 70 bis 100 Stunden in The Veilguard investieren. Wer hingegen nur die Hauptstory verfolgt, ist nach etwa 30 bis 40 Stunden am Ziel.

Sound und Soundtrack

Auch akustisch weiß The Veilguard zu überzeugen. Die deutsche Synchronisation ist durchweg gelungen, auch wenn die englische Originalvertonung mit ihren teils namhaften Sprechern noch eine Spur authentischer klingt. Die Umgebungsgeräusche tragen viel zur Atmosphäre bei – vom Trubel der Straßen Minrathous‘ über das Flüstern in den Ruinen Arlathans bis zum unheimlichen Knarren in der Nekropole.

Was jedoch auffällt, ist das Fehlen wirklich ikonischer musikalischer Momente. Während frühere Dragon Age-Teile mit unvergesslichen Stücken wie „The Dawn Will Come“ oder den eindringlichen Melodien des Hinterlandes punkten konnten, fehlt es The Veilguard an solchen Highlights. Der Soundtrack ist solide und untermalt das Geschehen angemessen, aber er bleibt zu sehr im Hintergrund. Es gibt kaum Momente, in denen die Musik wirklich in Erinnerung bleibt oder emotionale Höhepunkte setzt. Ein absoluter Wehrmutstropfen in einer ansonsten sehr stimmigen Präsentation, immerhin reden wir hier von Hans Zimmer und Lorne Balfe!

Die Geschichte – gut, aber nicht großartig

Die Hauptstory von The Veilguard ist durchaus spannend erzählt und wartet mit einigen überraschenden Wendungen auf. Besonders gegen Ende nimmt die Erzählung noch einmal richtig Fahrt auf und liefert emotionale Momente, die durchaus zu überzeugen wissen. Das Problem liegt jedoch darin, dass die Geschichte insgesamt eher konventionell bleibt. Die Bedrohung durch die elfischen Götter ist klar definiert, die Rollen verteilt, und die Lösung des Konflikts lässt sich früh erahnen.

Was fehlt, sind die moralischen Grauzonen und schwierigen Entscheidungen, für die die Dragon Age-Reihe einst bekannt war. In Origins stand man vor unmöglichen Dilemmata, musste zwischen verschiedenen Übeln wählen und lebte mit den Konsequenzen. In The Veilguard sind die Entscheidungen meist klar als solche erkennbar und ihre Auswirkungen vorhersehbar. Das ist nicht grundsätzlich negativ, nimmt dem Spiel aber etwas von seiner Tiefe. Wer subtile, versteckte Entscheidungen à la Baldur’s Gate 3 erwartet, wird enttäuscht.

Positiv hervorzuheben sind jedoch die Begleiterquests, die zu den besten gehören, die BioWare je geschrieben hat. Jeder Companion verfügt über eine mehrteilige Storyline, die nicht nur seine Hintergrundgeschichte beleuchtet, sondern auch bedeutsame Entscheidungen mit sich bringt. Diese Questlines sind herzlich erzählt und bieten die emotionalen Höhepunkte, die in der Hauptstory manchmal vermisst werden. Wer diese Aufgaben vernachlässigt, wird im Finale mit drastischen Konsequenzen konfrontiert – ein cleverer Schachzug der Entwickler, der die Bedeutung der Gefährten unterstreicht.

Technische Umsetzung

Auf technischer Ebene gibt es wenig zu beanstanden. Dragon Age: The Veilguard läuft stabil und nahezu ohne Ladezeiten. Gelegentliche kleine Grafikfehler und Pop-ins treten auf, fallen aber kaum ins Gewicht. Die Performance ist solide, und das Spiel nutzt die Möglichkeiten moderner Hardware gut aus. Auf der PlayStation 5 und Xbox Series X/S läuft das Spiel flüssig mit stabiler Framerate, und auch auf dem PC macht die Frostbite Engine eine gute Figur.

Ein kleiner Wermutstropfen ist die teils suboptimale Minimap-Gestaltung. Viele Orte und Händler sind nicht benannt, was die Navigation in den größeren Stadtgebieten erschwert. Man muss sich auf die Formen der Marker verlassen und oft raten, wo sich bestimmte Geschäfte befinden. Eine kleine Nachlässigkeit, die den Spielfluss aber spürbar beeinträchtigt.

Fazit zu Dragon Age: The Veilguard

Dragon Age: The Veilguard ist ein solides Fantasy-Rollenspiel, das in vielen Bereichen überzeugt, aber auch Schwächen zeigt. BioWare ist es gelungen, ein zugängliches Action-RPG zu schaffen, das sowohl Neueinsteiger als auch Serienveteranen ansprechen kann. Das Kampfsystem ist temporeich und macht Spaß, die Begleiter sind sympathisch, und die technische Umsetzung ist gelungen. Die Spielzeit von 30 bis 100 Stunden – je nach Spielstil – bietet genug Inhalt für einen oder mehrere Durchläufe.

Dennoch hinterlässt das Spiel gemischte Gefühle. Die Geschichte ist gut, aber nicht herausragend. Die Entscheidungen sind erkennbar, aber wenig subtil. Das Kampfsystem ist dynamisch, aber manchmal zu simpel. Die Welt ist hübsch, aber linear. Es fehlen die ikonischen Momente, die wirklich großen emotionalen Schläge und die moralischen Dilemmata, die frühere Dragon Age-Teile auszeichneten. The Veilguard ist ein gutes Spiel in einer Reihe großartiger Spiele – und das ist gleichzeitig sein größtes Problem.

Für Fans der Serie ist The Veilguard trotz aller Kritikpunkte ein Muss. Wer seit zehn Jahren auf eine Fortsetzung wartet, wird hier seine lang ersehnte Rückkehr nach Thedas finden. Neueinsteiger, die ein unterhaltsames Fantasy-Abenteuer mit sympathischen Charakteren suchen, werden ebenfalls nicht enttäuscht. Nur wer die taktische Tiefe von Origins oder die politischen Verstrickungen von Inquisition erwartet, sollte seine Erwartungen anpassen.

BioWare hat mit The Veilguard bewiesen, dass das Studio noch immer weiß, wie man fesselnde Charaktere und spannende Geschichten schreibt. Ob dies jedoch die Rückkehr zur absoluten Spitzenform ist, bleibt abzuwarten. Immerhin: Nach den Turbulenzen der letzten Jahre hat BioWare ein Spiel abgeliefert, das Hoffnung macht. Und manchmal ist das schon mehr als genug.

Wertung: 8/10

Positiv:

  • Hervorragender Charakter-Editor mit nachträglicher Anpassungsmöglichkeit
  • Sympathische, gut geschriebene Begleiter mit starken persönlichen Questlines
  • Dynamisches, actionreiches Kampfsystem mit befriedigenden Combo-Mechaniken
  • Technisch solide Umsetzung mit starker Grafikpräsentation
  • Umfangreiche Spielzeit von 30 bis 100 Stunden
  • Keine spielbrechenden Bugs zum Launch

Negativ:

  • Linearere Levelgestaltung im Vergleich zu Inquisition
  • Kampfsystem teilweise zu simpel, besonders bei Bossgefechten
  • Magier-Klasse in späteren Kämpfen frustrierend zu spielen
  • Fehlende ikonische musikalische Momente
  • Entscheidungen wenig subtil und meist vorhersehbar
  • Rook als Protagonist bleibt blass und austauschbar
  • Minimap-Navigation teils umständlich

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