Far Cry 3

[Review] Far Cry 3

Mit Far Cry 3 schickt uns Ubisoft Montreal Ende November 2012 auf eine tropische Inselgruppe im Pazifik, die paradiesischer kaum aussehen könnte – und gleichzeitig zur absoluten Hölle werden kann. Was als entspannter Urlaub mit Freunden beginnt, entwickelt sich schnell zu einem gnadenlosen Überlebenskampf, bei dem sich der Protagonist Jason Brody vom naiven Partygänger zum effizienten Killer wandelt. Doch kann das Spiel die hohen Erwartungen erfüllen, die nach dem durchwachsenen Far Cry 2 in der Community herrschten?

Willkommen im Paradies – oder doch in der Hölle?

Die Geschichte von Far Cry 3 beginnt mit einer Gruppe junger Amerikaner, die nach ausgiebigen Partynächten in Thailand beschließen, noch einen draufzusetzen. Jason Brody, seine beiden Brüder Grant und Riley, seine Freundin Liza sowie die Freunde Keith, Oliver und Daisy lassen sich von einem zwielichtigen DJ zu einem Fallschirmsprung über eine abgelegene Inselgruppe überreden – die Rook Islands. Was die Gruppe nicht ahnt: Sie sind direkt in die Fänge einer brutalen Piratenbande unter der Führung des psychopathischen Vaas Montenegro geraten.

Die Flucht aus der Gefangenschaft misslingt katastrophal. Jasons älterer Bruder Grant, der einzige mit militärischer Erfahrung, wird von Vaas kaltblütig erschossen. Jason selbst entkommt nur knapp und wird vom Rakyat-Krieger Dennis Rogers gefunden, der ihm Unterschlupf gewährt. Die Rakyat sind der einheimische Stamm der Inseln, der seit Jahren einen aussichtslosen Kampf gegen die Piraten und deren Hintermänner führt. Dennis erkennt in Jason einen potenziellen Verbündeten – oder vielmehr einen verzweifelten jungen Mann, der perfekt manipuliert werden kann.

Was folgt, ist eine Geschichte über Rache, Identität und den schmalen Grat zwischen Selbstverteidigung und purem Wahnsinn. Jason erhält das traditionelle Tatau der Rakyat, ein Tattoo, das mit jeder neuen Fähigkeit wächst und seine Transformation vom wehrlosen Opfer zum gefürchteten Krieger symbolisiert. Die Story ist durchaus ambitioniert und versucht, tiefgründige Fragen über Gewalt und Moral zu stellen. Allerdings wirken einige Wendungen übertrieben und die philosophischen Ansätze manchmal etwas zu offensichtlich. Dennoch funktioniert die Grundprämisse hervorragend, und besonders die ersten Spielstunden fesseln durch ihre Intensität.

Vaas – Der Wahnsinn hat ein Gesicht

Wenn es einen Grund gibt, Far Cry 3 zu spielen, dann ist es Vaas Montenegro. Dieser Antagonist ist ohne Übertreibung einer der beeindruckendsten und unvergesslichsten Bösewichte der Videospielgeschichte. Mit seiner Definition von Wahnsinn – „Immer wieder das Gleiche tun und ein anderes Ergebnis erwarten“ – brennt er sich sofort ins Gedächtnis ein. Michael Mando liefert eine Performance ab, die selbst in kinoreifen Produktionen herausstechen würde.

Vaas ist unberechenbar, charismatisch und absolut furchteinflößend. In einem Moment wirkt er fast freundschaftlich, im nächsten zeigt er seine brutale Seite. Diese Unberechenbarkeit macht jede Begegnung mit ihm zu einem Highlight. Man hat ständig das Gefühl, dass er die Kontrolle hat, selbst wenn man ihm überlegen scheint. Die Art, wie er Jason verhöhnt, wie er zwischen Gelassenheit und explosiver Gewalt wechselt – das ist Schauspielkunst auf höchstem Niveau.

Etwas schade ist allerdings, dass Vaas nicht der finale Gegner ist. Nach etwa zwei Dritteln des Spiels tritt Hoyt Volker in den Vordergrund, ein Sklavenhändler und Drogenbaron, der die eigentliche Macht auf den Inseln innehat. Hoyt ist als Charakter durchaus interessant und wird ebenfalls gut dargestellt, kann aber nicht ansatzweise mit der Präsenz von Vaas mithalten. Man hätte sich gewünscht, dass Vaas bis zum Ende die zentrale Bedrohung bleibt.

Neben den Antagonisten gibt es noch weitere Charaktere wie die mysteriöse Citra, Anführerin der Rakyat, den CIA-Agenten Willis Huntley oder den australischen Söldner Buck. Die meisten dieser Figuren sind gut geschrieben und tragen zur Atmosphäre bei, auch wenn sie oft in sehr klischeehaften Mustern verhaftet bleiben.

Die Rook Islands – Ein lebendiges Paradies voller Gefahren

Die Spielwelt von Far Cry 3 ist ohne Zweifel eines der größten Assets des Spiels. Die beiden Hauptinseln der Rook Islands bieten eine atemberaubende Kulisse aus dichten Dschungeln, weißen Sandstränden, türkisfarbenem Wasser und schroffen Berglandschaften. Die Welt wirkt lebendig und glaubwürdig – überall begegnet man wilder Fauna, von harmlosen Schweinen und Hirschen bis hin zu gefährlichen Tigern, Komodowaranen und Haien.

Besonders beeindruckend ist, wie Ubisoft Montreal das Ökosystem der Inseln gestaltet hat. Tiere jagen einander, Piraten können von wilden Raubtieren angegriffen werden, und man selbst wird schnell merken, dass die größte Gefahr nicht immer von bewaffneten Gegnern ausgeht. Mehr als einmal wird man mitten in einem Feuergefecht von einem Tiger attackiert oder muss feststellen, dass das vermeintlich ruhige Gewässer voller Krokodile ist.

Die Spielwelt lädt zum Erkunden ein. Überall gibt es Geheimnisse zu entdecken: versteckte Tempel mit Rätseln, Relikte, die man sammeln kann, Briefe und Tagebücher, die mehr über die Geschichte der Inseln verraten. Besonders die Radio-Türme, die man erklimmen muss, um Teile der Karte freizuschalten, sind eine gelungene Abwechslung. Zwar ähnelt das Prinzip stark dem aus Assassin’s Creed bekannten Synchronisationspunkten, funktioniert aber hervorragend und bietet zudem spektakuläre Aussichten.

Gameplay – Freiheit in Perfektion

Far Cry 3 gibt dem Spieler eine bemerkenswerte Freiheit in der Herangehensweise. Jede Mission, jeder Außenposten kann auf verschiedene Arten angegangen werden. Möchte man leise vorgehen, Feinde aus dem Hinterhalt ausschalten und nie entdeckt werden? Kein Problem. Lieber mit schwerem Geschütz die Vordertür einrennen? Auch das funktioniert. Oder vielleicht einen Käfig mit einem wilden Tiger öffnen und zusehen, wie das Tier die Drecksarbeit erledigt? Absolut möglich.

Das Skillsystem unterteilt sich in drei Zweige: Der Heron steht für Fernkampf und Scharfschützenfähigkeiten, der Shark für Heilung und Langstreckenwaffen, und die Spider für Nahkampf und Stealth-Takedowns. Mit steigendem Level schaltet man immer brutalere und effektivere Angriffe frei. Besonders die Takedowns sind ein Highlight: Man kann Feinde von oben herabfallend ausschalten, mehrere Gegner in einer Kette töten oder nach einem lautlosen Kill die Granate des Opfers scharf machen und es in eine Gruppe von Feinden kicken.

Die Waffenauswahl ist umfangreich und befriedigend. Von Pistolen über Sturmgewehre und Scharfschützengewehren bis hin zu Flammenwerfer, Raketenwerfer und Bogen ist alles dabei. Jede Waffe fühlt sich kraftvoll und präzise an, und die Möglichkeit, sie mit Schalldämpfern, Zielfernrohren und erweiterten Magazinen auszustatten, sorgt für zusätzliche Tiefe.

Ein weiteres zentrales Element ist das Crafting-System. Um die eigenen Taschen für Waffen, Munition und Geld zu erweitern, muss man Tiere jagen und deren Felle verwenden. Das klingt zunächst nach lästiger Nebenbeschäftigung, entpuppt sich aber als motivierendes Feature. Die Jagd auf einen seltenen schwarzen Panther oder einen Weißen Hai, um die beste Ausrüstung herzustellen, ist herausfordernd und lohnenswert. Zusätzlich kann man aus gesammelten Pflanzen Spritzen herstellen, die verschiedene Effekte bieten – von Heilung über erhöhte Jagdfähigkeiten bis hin zu einem Berserkermodus.

Die Außenposten der Piraten einzunehmen gehört zu den absoluten Gameplay-Highlights. Jeder Stützpunkt ist anders aufgebaut, hat eine unterschiedliche Anzahl an Gegnern und bietet verschiedene taktische Möglichkeiten. Schafft man es, einen Außenposten komplett unentdeckt zu säubern, erhält man einen Bonus. Diese Herausforderung ist äußerst befriedigend und sorgt dafür, dass man auch nach Stunden noch motiviert ist, neue Gebiete zu erobern.

Missionsvielfalt mit kleinen Schwächen

Die Story-Missionen von Far Cry 3 sind überwiegend gut gestaltet und bieten eine angenehme Abwechslung. Man muss Freunde befreien, feindliche Anlagen infiltrieren, Informationen beschaffen oder einfach nur bestimmte Ziele eliminieren. Einige Missionen stechen besonders hervor, etwa wenn man ein Drogenfeld mit einem Flammenwerfer niederbrennt, während dazu passende Musik läuft, oder wenn man halluzinogenen Substanzen ausgesetzt wird und sich durch surreale Traumsequenzen kämpfen muss.

Allerdings gibt es auch hier Kritikpunkte. Einige Missionen sind zu linear und nehmen dem Spieler die Freiheit, die das Spiel sonst so stark macht. Gerade gegen Ende häufen sich die Abschnitte, in denen man einfach nur von A nach B rennt und dabei Wellen von Gegnern abwehrt. Diese Momente fühlen sich fehl am Platz an und durchbrechen den Flow. Auch die Quick-Time-Events in einigen Bosskämpfen wirken uninspiriert und passen nicht so recht ins Gesamtbild.

Neben den Hauptmissionen gibt es zahlreiche Nebenaktivitäten. Man kann Kopfgeld-Missionen annehmen, Waffen-Challenges absolvieren, bei illegalen Autorennen teilnehmen oder sich als Söldner für Lieferfahrten verdingen. Auch die bereits erwähnten Jagd-Missionen bieten zusätzliche Herausforderungen. Die Aktivitäten sorgen dafür, dass die Spielwelt nie leer wirkt, auch wenn einige davon etwas repetitiv werden können.

Technik und Präsentation – Ein visuelles Fest

Optisch ist Far Cry 3 ein wahrer Augenschmaus. Die verbesserte Dunia Engine zaubert eine der schönsten Open-World-Umgebungen auf den Bildschirm, die man 2012 zu sehen bekommt. Die Beleuchtung ist spektakulär, besonders bei Sonnenauf- und -untergängen. Das Wasser sieht kristallklar und einladend aus, die Vegetation ist dicht und detailliert. Selbst auf Konsolen überzeugt die Grafik, auch wenn die PC-Version mit DirectX-11-Unterstützung und höheren Auflösungen nochmals einen Sprung macht.

Die Animationen sind flüssig, besonders die First-Person-Perspektive trägt zur Immersion bei. Jason sieht an sich herunter, man sieht seine Hände bei jeder Aktion, ob beim Heilen von Wunden, beim Ziehen von Splittern aus dem Arm nach einer Explosion oder beim Häuten eines erlegten Tieres. Diese kleinen Details machen einen großen Unterschied.

Die Soundkulisse ist ebenfalls erstklassig. Die Sprecher liefern durchweg überzeugende Leistungen ab, allen voran natürlich Michael Mando als Vaas. Die deutsche Synchronisation ist gut gelungen, auch wenn die Lippensynchronität in den Zwischensequenzen manchmal nicht ganz passt. Der Soundtrack von Brian Tyler passt perfekt zur Atmosphäre und steigert sich in den richtigen Momenten zu epischen Höhepunkten.

Mehrspieler und Koop – Solide Zugaben

Neben der umfangreichen Singleplayer-Kampagne bietet Far Cry 3 auch einen Mehrspieler-Modus sowie eine Koop-Kampagne. Die Koop-Story spielt sechs Monate vor den Ereignissen der Haupthandlung und dreht sich um vier Söldner, die von Vaas‘ Piraten über den Tisch gezogen wurden und nun Rache nehmen wollen. Die Missionen sind objektbasiert und bieten unterhaltsame Action für bis zu vier Spieler. Besonders die kompetitiven Einlagen während der Missionen – etwa Wettrennen oder Scharfschützen-Challenges – lockern das Geschehen auf.

Der klassische Mehrspieler umfasst verschiedene Modi wie Team Deathmatch, Domination oder den speziellen Firestorm-Modus, bei dem Teams versuchen, die gegnerische Basis mit Napalm zu vernichten. Die Kämpfe machen durchaus Spaß, und Features wie Battle Cries (Schlachtrufe, die Teammitgliedern Buffs verleihen) oder Psyche Gas (das Gegner durchdrehen lässt) sorgen für Abwechslung. Allerdings kann der Mehrspieler nicht mit Platzhirschen wie Call of Duty oder Battlefield mithalten und wird vermutlich für die meisten Spieler eher ein netter Zusatz als der Hauptgrund zum Kauf sein.

Ein besonderes Highlight ist der zurückkehrende Karten-Editor. Mit diesem mächtigen und gleichzeitig benutzerfreundlichen Tool können Spieler eigene Mehrspieler-Maps erstellen. Die Möglichkeiten sind beeindruckend, und die Community wird sicherlich für einen stetigen Nachschub an neuen Inhalten sorgen.

Fazit – Der Wahnsinn lohnt sich

Far Cry 3 ist ein beeindruckender Open-World-Shooter, der in nahezu allen Bereichen überzeugt. Die Spielwelt ist wunderschön und lebendig, das Gameplay bietet enorme Freiheiten, und die Geschichte – trotz einiger Schwächen – zieht einen in ihren Bann. Vaas Montenegro allein ist schon Grund genug, diesem Spiel eine Chance zu geben. Die Transformation von Jason Brody mag manchmal etwas übertrieben wirken, aber als spielerisches Erlebnis funktioniert sie hervorragend.

Natürlich ist nicht alles perfekt. Einige Story-Missionen sind zu linear, manche Nebenfiguren bleiben blass, und der Wechsel von Vaas zu Hoyt als Hauptantagonist fühlt sich wie ein Fehler an. Auch technische Kleinigkeiten wie gelegentliches Kantenflimmern oder die nicht immer perfekte Lippensynchronität trüben das Gesamtbild minimal.

Dennoch liefert Ubisoft Montreal hier ein Spiel ab, das man nicht verpassen sollte. Far Cry 3 setzt neue Maßstäbe für Open-World-Shooter und zeigt, was möglich ist, wenn man dem Spieler echte Freiheit gibt, ohne dabei auf eine packende Inszenierung zu verzichten. Die Kombination aus freier Erkundung, flexiblem Gameplay und einer intensiven Geschichte funktioniert fast makellos. Wer Actionspiele mag und gerne in großen, offenen Welten unterwegs ist, kommt an Far Cry 3 nicht vorbei.

Die Definition von Wahnsinn? Immer wieder das Gleiche zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten. Far Cry 3 macht vieles anders als seine Vorgänger – und bekommt dadurch genau das gewünschte Ergebnis: Ein herausragender Shooter, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung: 9/10

Pro:

  • Atemberaubende, lebendige Spielwelt
  • Enormer Freiraum bei der Herangehensweise
  • Vaas Montenegro als ikonischer Bösewicht
  • Befriedigendes Progression-System
  • Vielfältige Aktivitäten und Nebenaufgaben
  • Starke technische Präsentation
  • Gelungenes Crafting- und Jagdsystem

Contra:

  • Einige zu lineare Story-Missionen
  • Vaas verschwindet zu früh aus der Story
  • Charakterentwicklung manchmal überzogen
  • Gelegentliche technische Macken
  • Mehrspieler bleibt hinter der Kampagne zurück

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