Final Fantasy VII Remake

[Review] Final Fantasy VII Remake

Es ist vollbracht: Nach jahrelangen Spekulationen, Ankündigungen und Verschiebungen liegt Final Fantasy VII Remake endlich in unseren Händen. Square Enix wagte sich an eines der heiligsten Güter der Videospielgeschichte heran – und das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen. Doch wie schlägt sich das Remake im direkten Vergleich mit unseren oft überhöhten Erwartungen?

Die Rückkehr nach Midgar – Story mit neuen Dimensionen

Wer erwartet, einfach die bekannte Geschichte in schönerer Grafik zu erleben, wird überrascht. Final Fantasy VII Remake ist weit mehr als eine bloße Auffrischung – es ist eine komplette Neuerzählung der Midgar-Sequenz aus dem Original. Wo das PS1-Spiel die Metropole in wenigen Stunden abhandelte, nimmt sich das Remake die Zeit für eine detailierte Charakterentwicklung.

Cloud Strife ist nicht mehr der wortkarge Antiheld von damals. Stattdessen erleben wir einen jungen Mann, der mit Selbstzweifeln kämpft und trotz seiner coolen Fassade durchaus verletzlich wirkt. Die Beziehungen zwischen den Charakteren werden viel organischer entwickelt. Besonders die Dreiecksbeziehung zwischen Cloud, Tifa und Aerith entfaltet sich behutsam und glaubwürdig.

Die Avalanche-Mitglieder Biggs, Wedge und Jessie erhalten endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Aus den Statisten des Originals werden echte Persönlichkeiten mit eigenen Motivationen und Geschichten. Diese Charaktertiefe macht ihre späteren Schicksale umso emotionaler.

Interessant sind die neuen Story-Elemente, die das Remake einführt. Ohne zu spoilern: Square Enix spielt geschickt mit den Erwartungen der Veteranen und schafft es, auch bei Kennern des Originals für Überraschungsmomente zu sorgen. Die Geschichte bleibt vertraut und überraschend zugleich.

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Kampfsystem: Der perfekte Kompromiss?

Das Herzstück jedes Final Fantasy-Spiels ist traditionell das Kampfsystem – und hier vollbringt das Remake wahre Wunder. Die Entwickler schufen ein Hybrid-System, das Echtzeit-Action mit strategischen Elementen verbindet. Das Ergebnis fühlt sich modern und dynamisch an, ohne die taktische Tiefe des Originals zu verlieren.

Jeder Charakter besitzt einen individuellen Spielstil. Cloud agiert als vielseitiger Nahkämpfer, der sowohl rohe Kraft als auch Geschwindigkeit bieten kann. Barret dominiert den Fernkampf mit seiner integrierten Geschützanlage, während Tifa mit blitzschnellen Kombos punktet. Aerith schließlich brilliert als Magie-Spezialistin, deren Zauber verheerende Wirkung entfalten.

Das ATB-System kehrt in modernisierter Form zurück. Während der Echtzeitkämpfe füllen sich die ATB-Balken, die dann für spezielle Fähigkeiten, Magie oder Items eingesetzt werden können. Dieser Mechanismus zwingt zu taktischem Denken, ohne den Kampffluss zu unterbrechen.

Besonders gelungen sind die Bosskämpfe. Jeder Endgegner verlangt eine andere Herangehensweise und belohnt Spieler, die die Schwächen ihrer Feinde studieren. Die Kämpfe gegen ikonische Gegner wie die House-Roboter oder Motor Ball fühlen sich episch an und bleiben lange im Gedächtnis.

Kritikpunkte gibt es dennoch: In hektischen Situationen kann die Kameraführung problematisch werden. Zudem fühlen sich manche Gegner übermächtig an, wenn sie den Spieler in die Ecke drängen. Das kann frustrierend werden, besonders im anspruchsvollen Hard-Mode.

Audiovisuelle Meisterklasse

Final Fantasy VII Remake setzt neue Maßstäbe in der visuellen Präsentation. Midgar erstrahlt in einer Detailfülle, die 1997 undenkbar war. Die verschiedenen Sektoren der Stadt wirken lebendig und authentisch – von den verwinkelten Slums bis zu den sterilen Shinra-Büros.

Die Charaktermodelle verdienen besondere Erwähnung. Gesichtsanimationen transportieren Emotionen mit einer Präzision, die dem Storytelling enorm zugutekommt. Clouds nachdenklicher Blick, Tifas warmes Lächeln oder Barretts entschlossene Miene – alles wirkt natürlich und überzeugend.

Kleine Schwächen zeigen sich bei Nebensächlichkeiten: Vereinzelte Texturen wirken matschig, und manchmal laden Details mit Verzögerung. Diese Kritikpunkte fallen aber nur bei genauer Betrachtung auf und schmälern den Gesamteindruck kaum.

Akustisch liefert Final Fantasy VII Remake Perfektion ab. Nobuo Uematsus zeitlose Kompositionen erhalten eine orchestrale Neuinterpretation, die sowohl nostalgische als auch völlig neue Gefühle weckt. „One-Winged Angel“ erklingt majestätischer denn je, während neue Musikstücke nahtlos in das Gesamtwerk integriert sind.

Die deutsche Sprachausgabe überzeugt auf ganzer Linie. Jeder Sprecher haucht seinem Charakter Leben ein, wobei besonders Aeriths Synchronsprecherin Manja Doering herausragt. Ihre Interpretation verleiht der Blumenhändlerin eine Tiefe und Warmherzigkeit, die unter die Haut geht.

Spielwelt und Progression

Final Fantasy VII Remake verfolgt einen linearen Ansatz, der bewusst von den offenen Welten neuerer Final Fantasy-Spiele abweicht. Diese Entscheidung erweist sich als goldrichtig, da sie den Fokus auf die erzählerische Qualität legt. Jeder Schauplatz ist durchdacht gestaltet und trägt zur Atmosphäre bei.

Das Materia-System kehrt in überarbeiteter Form zurück und macht das Experimentieren mit verschiedenen Fähigkeiten-Kombinationen zum Vergnügen. Das Leveling fühlt sich befriedigend an, da Verbesserungen direkt spürbar werden. Waffen können durch SP-Punkte aufgewertet werden, was zusätzliche Tiefe in die Charakterentwicklung bringt.

Die Nebenaufgaben fallen unterschiedlich aus. Während einige lediglich als Sammelmissionen daherkommen, erzählen andere kleine Geschichten und erweitern das Weltverständnis. Besonders die Interaktionen mit den Bewohnern der Slums zeigen die sozialen Spannungen in Midgar auf.

Der Hard-Mode: Echte Herausforderung für Veteranen

Nach dem ersten Durchlauf schaltet sich der Hard-Mode frei, der das Spiel komplett verändert. Items sind nicht mehr verwendbar, MP regeneriert sich zwischen den Kämpfen nicht, und die Gegner werden deutlich aggressiver. Diese Herausforderung richtet sich klar an erfahrene Spieler und verlangt tiefes Verständnis aller Spielmechaniken.

Der Hard-Mode zeigt die wahren Stärken des Kampfsystems auf. Hier wird strategisches Denken überlebenswichtig, und jeder Charakterwechsel muss wohlüberlegt sein. Es ist befriedigend, einen zunächst unmöglich erscheinenden Boss durch kluge Taktik zu besiegen.

Technische Umsetzung und Performance

Auf der PlayStation 4 läuft Final Fantasy VII Remake stabil und flüssig. Ladezeiten halten sich in Grenzen, und technische Probleme sind selten. Das Spiel nutzt die Hardware effizient aus und liefert konstant hohe Bildqualität.

Das Interface ist durchdacht und intuitiv bedienbar. Menüs sind übersichtlich strukturiert, und wichtige Informationen sind schnell zugänglich. Auch die Kameraführung funktioniert in den meisten Situationen tadellos.

Umfang und Wiederspielwert

Mit etwa 35-40 Stunden für die Hauptstory bietet Final Fantasy VII Remake ordentlich Spielzeit. Completionisten können weitere 20-30 Stunden mit Nebenaufgaben, Sammlerobjekten und dem Hard-Mode verbringen. Die verschiedenen Schwierigkeitsgrade und multiple Spielweisen sorgen für hohen Wiederspielwert.

Die Kapitel-Auswahl ermöglicht es, bestimmte Szenen zu wiederholen, ohne den gesamten Spielstand neu beginnen zu müssen. Das ist besonders praktisch für Trophy-Jäger oder Spieler, die bestimmte Bosskämpfe nochmals erleben möchten.

Kritikpunkte und verpasste Chancen

Trotz der vielen Stärken gibt es Bereiche, in denen Final Fantasy VII Remake Potenzial verschenkt. Die linearen Levelstrukturen fühlen sich manchmal zu eingeschränkt an, und einige Nebenaufgaben bleiben uninspiriert.

Die Pacing-Probleme einzelner Kapitel fallen auf. Während manche Abschnitte perfekt rhythmisiert sind, ziehen sich andere unnötig in die Länge. Hier hätte eine straffere Dramaturgie gutgetan.

Die Tatsache, dass dies nur der erste Teil einer mehrteiligen Serie ist, mag manche Spieler frustrieren. Wer die komplette Geschichte erleben möchte, muss Jahre warten und mehrere Vollpreis-Titel erwerben.

Fazit: Remake-Kunst vom Feinsten

Final Fantasy VII Remake gelingt ein Kunststück, das nur wenigen Neuauflagen vergönnt ist: Es ehrt das Original, während es gleichzeitig etwas völlig Eigenständiges erschafft. Square Enix bewies Mut, bekannte Pfade zu verlassen und neue Wege zu erkunden.

Das Spiel funktioniert sowohl für Neulinge als auch für Veteranen der Serie. Erstere erhalten eine packende JRPG-Erfahrung mit modernem Design, während Letztere eine liebevolle Hommage an ihre Kindheitserinnerungen bekommen – allerdings eine, die sie immer wieder überrascht.

Die technische und künstlerische Qualität ist über jeden Zweifel erhaben. Final Fantasy VII Remake zeigt, wie ein modernes Remake aussehen sollte: respektvoll gegenüber der Vorlage, aber mutig genug für Innovationen.

Ja, es ist nur der erste Teil einer längeren Serie. Aber als eigenständiges Werk überzeugt Final Fantasy VII Remake vollkommen und macht Lust auf mehr. Für JRPG-Fans ist es ein Pflichtspiel, für alle anderen ein hervorragender Einstieg in das Genre.

Wertung: 9/10

Ein Remake, das neue Maßstäbe setzt und zeigt, wie man ein Kultspiel für die moderne Zeit neu erfinden kann, ohne seine Seele zu verlieren.

 

 

 

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