Mit Freelancer liefert Digital Anvil unter der Leitung von Wing Commander-Schöpfer Chris Roberts ein Weltraum-Abenteuer ab, das sich eindeutig an Spieler richtet, die ein Faible für epische Space-Operas und komplexe Handelssimulationen haben. Nach den gefeierten Wing Commander-Titeln hatte sich Roberts mit seinem Studio einen gewissen Ruf als Weltraum-Profi erarbeitet. Freelancer ist nach längerer Entwicklungszeit nun endlich da – und Microsoft als Publisher hat einiges daran gesetzt, dass dieser Titel das Genre revolutioniert.
Von Beginn an wird langsam Spannung und Atmosphäre aufgebaut, indem man uns in die Rolle von Edison Trent versetzt, einem Freelancer-Piloten, der nach einem verheerenden Angriff auf die Forschungsstation Freeport 7 plötzlich in galaktische Machenschaften verwickelt wird. Das Ziel ist dabei eigentlich immer dasselbe: überleben, Geld verdienen und dabei eine Verschwörung aufdecken, die das gesamte Sirius-System bedroht.
Story und Weltraum-Setting
In Freelancer verfolgen wir die Geschichte von Edison Trent, einem eher unscheinbaren Söldner-Piloten, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist – nämlich auf Freeport 7, als diese von mysteriösen Angreifern pulverisiert wird. Zu Beginn des Spiels wird uns jedoch erst mal angeteasert, dass im Sirius-System irgendetwas Großes im Gange ist, und dabei handelt es sich definitiv nicht um friedliche Handelsverhandlungen zwischen den großen Häusern.
Was dann folgt, ist eine Reise durch 48 Sternensysteme, in der wir sehr viel erleben, was wir aus zahlreichen Science-Fiction-Filmen bereits kennen – galaktische Verschwörungen, mysteriöse Alien-Technologie und Kämpfe zwischen den verschiedenen Häusern Liberty, Bretonia, Rheinland und Kusari. Das ist dabei auch in keiner Weise abwertend gemeint. Klar würde Freelancer als Film definitiv nicht mit einem Oscar berücksichtigt werden, als Spiel liefert es uns aber diese faszinierende Möglichkeit, unsere eigene Karriere als Weltraum-Händler und Kopfgeldjäger zu gestalten. Dass die relativ linear erzählte Haupthandlung öfter mal nicht die Freiheiten bietet, die man sich vorgestellt hätte, macht seinen ganz besonderen Reiz aus – denn nach dem Abspann wird die Galaxie komplett für uns geöffnet.
Der Hauptschauplatz von Freelancer ist das Sirius-System mit seinen vier großen Häusern, unzähligen Piratenbasen und geheimnisvollen Randwelten. In den schimmernden Weiten des Weltraums und umgeben von atemberaubenden Nebeln und Asteroidenfeldern vermittelt es uns einen Hauch des perfekten Weltraum-Abenteuers. Dann beginnen die ersten Kämpfe, Piraten greifen an und das große Abenteuer nimmt seinen Lauf. In gewohnter Manier führen uns Handelsmissionen, Kampfeinsätze, Entdeckungsflüge und Storyline-Missionen durch die Galaxis.
Wer auf die komplexe Handelssteuerung und das Micromanagement keine Lust hat, kann sich auf die Storyline konzentrieren und größtenteils den automatischen Navigationspunkt ansteuern. Nettes Feature für Einsteiger, man verpasst aber auf diese Art viele wichtige Handelsmöglichkeiten, optionale Basen und eine Menge Credits, die man nur durch manuelles Erkunden und Handeln verdienen kann.
Gameplay und Steuerung
Wenn man Freelancer mit anderen Weltraum-Simulationen vergleicht, stellt man fest, dass hier der Ansatz „zugängliche Weltraum-Simulation“ stärker ausgeprägt ist als „hardcore Space-Sim“. Es gibt keine komplizierte Cockpit-Ansicht mit hunderten von Knöpfen – stattdessen steuert man sein Schiff komplett mit der Maus, was anfangs gewöhnungsbedürftig ist, aber nach kurzer Zeit absolut intuitiv funktioniert. Die Kämpfe sind schnell und actionreich, ohne dass man eine Ingenieursstudium für die Steuerung benötigt.
Etwas ärgerlich ist leider, dass es teilweise etwas wenig Abwechslung bei den Missionstypen gibt – „fliege zu Punkt A, erschieße Piraten, kehre zurück“ kommt doch sehr häufig vor. Auch dass es nicht möglich ist, größere Schiffe zu steuern oder eine eigene Flotte aufzubauen, ist etwas schade. Die verfügbaren Schiffsklassen reichen von wendigen Light Fighters bis hin zu schwer bewaffneten Very Heavy Fighters, was zwar eine gewisse Progression bietet, aber durchaus mehr Vielfalt vertragen hätte.
Bei wiederholten Missionen ist es derzeit nicht möglich, bereits gesehene Zwischensequenzen zu überspringen. Das fiel in anderen Space-Sims nie so wirklich negativ auf, in Freelancer, das etwas mehr auf Cinematics und weniger auf pure Simulation setzt, ist es leicht frustrierend. Dabei liegt ja der Reiz daran, verschiedene Handelsrouten auszuprobieren oder einfach die Galaxis zu erkunden, um zu sehen, was man alles entdecken kann.
Handelssystem und Wirtschaft
Ein Herzstück von Freelancer ist das ausgeklügelte Handelssystem. Jede Basis produziert bestimmte Waren und benötigt andere – wer geschickt zwischen den Stationen pendelt, kann auch ohne Kampfmissionen reich werden. Die Preisdifferenzen zwischen verschiedenen Systemen können enorm sein, und es macht richtig Spaß herauszufinden, welche Luxuswaren auf welcher Basis besonders begehrt sind.
Das Wirtschaftssystem reagiert dynamisch auf das Spielerverhalten und auch auf NPC-Aktivitäten. Piratenangriffe können Handelsrouten unterbrechen, was zu Preisschwankungen führt. Allerdings hätte man sich hier noch etwas mehr Tiefe gewünscht – eine richtige Börse oder langfristige Wirtschaftszyklen wären das i-Tüpfelchen gewesen.
Bei einem durchschnittlichen Spieldurchgang kommt man übrigens auf gute 40-60 Stunden, je nachdem wie viel Zeit man mit freiem Handel und Erkundung verbringt.
Grafik und Sound
Bereits Wing Commander sah für seine Zeit ziemlich gut aus und zauberte eine wahnsinnig packende Weltraum-Atmosphäre auf den Bildschirm. Freelancer legt da optisch natürlich noch mal ein bisschen was drauf, was ordentlich auf den Punkt Präsentation einzahlt. Die Zeiten von „Die Grafik ist zweitrangig, Hauptsache das Gameplay stimmt“ sind vorbei und wir müssen eingestehen, dass gerade durch die hochwertige Optik erst wirkliches „Weltraum-Feeling“ entsteht.
Die Sprecher leisten einen sehr guten Job, auch wenn die deutsche Synchronisation teilweise etwas steif daherkommt. John Rhys-Davies als Tobias und Ian Ziering als Edison Trent kennt man aus Film & Serien, und so funktioniert die Verschmelzung von Film und Spiel einfach super. Dazu gesellen sich tolle Kamerafahrten und eindrucksvolle Weltraum-Panoramen, um das Geschehen in Szene zu setzen.
Bei der Soundkulisse lässt man sich auch nicht lumpen. Die Highlights sind tatsächlich die sehr stimmigen Weltraum-Ambient-Sounds und die wuchtigen Waffeneffekte. Aber auch gerade das, was sich nicht in den Vordergrund drängt – das Summen der Triebwerke, die Funksprüche der NPCs –, hilft dabei, ordentlich Spannung und Atmosphäre aufzubauen. Dazu hat man einen orchestralen Soundtrack zusammengestellt, der mit epischen Melodien die Weltraum-Action passend untermalt und für die richtige Stimmung sorgt.
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Multiplayer und Community
Was Freelancer besonders auszeichnet, ist der umfangreiche Multiplayer-Modus. Bis zu 128 Spieler können gleichzeitig auf einem Server ihre Abenteuer erleben, gemeinsam handeln, Fraktionen gründen oder sich bekämpfen. Die Server können dabei komplett eigene Regeln und Modifikationen haben, was für enormen Wiederspielwert sorgt.
Der Multiplayer fühlt sich wie ein eigenes MMO an, auch wenn er technisch gesehen „nur“ ein erweiterter Multiplayer-Modus ist. Man kann Clans beitreten, an groß angelegten Kämpfen teilnehmen oder einfach friedlich Handel treiben. Die Community ist bereits jetzt sehr aktiv und arbeitet an Mods, die das Spiel um weitere Schiffe, Systeme und Fraktionen erweitern.
Fazit zu Freelancer
Chris Roberts ist es wieder einmal gelungen, eine spannende Weltraum-Simulation zu präsentieren, die sowohl Einsteiger als auch Genre-Veteranen anspricht. Freelancer macht vieles richtig: die intuitive Steuerung, die packende Story, die riesige Spielwelt und vor allem der hervorragende Multiplayer-Modus.
Sicher hätte man sich mehr Schiffsvielfalt, komplexere Wirtschaftssimulation oder eine weniger lineare Haupthandlung gewünscht. Aber letztendlich liefert Digital Anvil genau das, was Weltraum-Fans seit Jahren erwarten: ein zugängliches, aber dennoch tiefes Space-Trading-Abenteuer mit enormem Langzeitspielspaß.
Mir hat Freelancer sehr viel Spaß gemacht, wenngleich ich ehrlicherweise gestehen muss, dass mich Wing Commander damals noch mehr gepackt hatte. Es war für mein Empfinden cinematischer und die Kämpfe intensiver. Auch hat man bei Freelancer schnell den Eindruck, dass die Haupthandlung etwas zu schnell vorübergeht und dann erst das „richtige“ Spiel beginnt.
Trotzdem wird hier viel richtig gemacht: das Konzept passt, die Präsentation ist stimmig und der Multiplayer wird sicher noch monatelang für Beschäftigung sorgen. Digital Anvil liefert mit Freelancer genau das, was man erwartet – eine moderne Weltraum-Simulation auf hohem Niveau.
Deswegen bin ich schon total gespannt, was Chris Roberts und sein Team uns als nächstes präsentieren werden. Bis dahin erkunde ich sicher noch eine Weile die unendlichen Weiten des Sirius-Systems.
Wertung: 8.6/10
Testzeitraum: 45 Stunden | Getestet auf: Windows XP, Pentium 4 2.4 GHz, 512 MB RAM, GeForce4 Ti 4600