Horizon Zero Dawn

[Review] Horizon Zero Dawn

Mit Horizon Zero Dawn wagt sich Guerrilla Games auf völlig neues Terrain. Nach jahrelanger Erfahrung mit der Killzone-Reihe haben die Niederländer ihre Sci-Fi-Shooter-Expertise komplett über Bord geworfen und sich stattdessen an einem Open-World-Action-RPG versucht. Das Ergebnis ist eine faszinierende postapokalyptische Welt, in der primitive Menschenstämme auf hochentwickelte Roboter-Dinosaurier treffen. Klingt verrückt? Ist es auch – aber auf die allerbeste Art und Weise.

Von der ersten Minute an wird klar, dass hier etwas ganz Besonderes entstanden ist. Die Kombination aus steinzeitlicher Kultur und futuristischer Technologie könnte in den falschen Händen schnell albern wirken, doch Guerrilla Games gelingt es meisterhaft, diese gegensätzlichen Elemente zu einer stimmigen und glaubwürdigen Welt zu verweben.

Story und Charaktere

In Horizon Zero Dawn schlüpfen wir in die Rolle von Aloy, einer jungen Jägerin vom Stamm der Nora, die als Ausgestoßene aufgewachsen ist. Die Welt, in der sie lebt, ist eine merkwürdige Mischung: Die Menschheit ist nach einer nicht näher definierten Katastrophe in primitive Stammesgesellschaften zurückgefallen, während gigantische Maschinen in Form von Dinosauriern und anderen Tieren die Wildnis bevölkern. Diese „Maschinen“ werden von den meisten Menschen als gottähnliche Wesen verehrt oder gefürchtet.

Als Aloy bei der Prüfung zur Jägerin einen mysteriösen Focus-Apparat findet – ein kleines technisches Gerät aus der „Alten Welt“ – beginnt eine Reise, die nicht nur ihre eigene Vergangenheit aufdeckt, sondern das Geheimnis um den Untergang der Zivilisation lüftet. Die Geschichte entwickelt sich dabei überraschend intelligent und vermeidet die meisten Klischees, die man bei einem solchen Setting erwarten würde.

Besonders beeindruckend ist, wie natürlich sich die verschiedenen Stammeskulturen anfühlen. Jeder Stamm hat seine eigene Philosophie im Umgang mit den Maschinen: Die einen verehren sie als Götter, die anderen jagen sie als Beute, wieder andere versuchen sie zu verstehen. Diese unterschiedlichen Weltanschauungen sorgen für spannende Konflikte und interessante Charaktermomente.

Aloy selbst ist eine erfrischend eigenständige Protagonistin. Sie ist neugierig, intelligent und hartnäckig, aber nie nervig oder überheblich. Ihre Außenseiterrolle macht sie zu einer perfekten Identifikationsfigur, da auch wir als Spieler diese fremde Welt erst verstehen müssen.

Gameplay und Kampfsystem

Das Herzstück von Horizon Zero Dawn ist zweifellos das Kampfsystem gegen die Maschinen. Jeder Maschinentyp hat seine eigenen Schwächen, Angriffsmuster und abbrechbaren Komponenten. Ein Strider (eine Art mechanisches Pferd) kämpft völlig anders als ein gewaltiger Thunderjaw (ein robotischer T-Rex) oder ein flinker Stalker mit seinen Stealth-Fähigkeiten.

Der Kampf erfordert echte Taktik: Mit dem Focus kann Aloy schwache Punkte und abtrennbare Komponenten scannen. Ein gut platzierter Pfeil kann einem Sawtooth die Kreissägen von den Kiefern schießen, die man dann als mächtige Wurfwaffen verwenden kann. Oder man schießt einem Broadhead die Schallkanonen ab und nutzt diese gegen andere Feinde. Diese emergenten Gameplay-Momente entstehen organisch und fühlen sich jedes Mal befriedigend an.

Das Bogenschießen selbst fühlt sich präzise und kraftvoll an. Die verschiedenen Pfeiltypen – von einfachen Jagdpfeilen über Feuerpfeile bis hin zu den mächtigen Tearblast-Pfeilen – erweitern die taktischen Möglichkeiten erheblich. Dazu kommen Fallen, Tripwires und andere Tools, die besonders bei größeren Gegnern unverzichtbar sind.

Die Charakterentwicklung erfolgt über drei Talentbäume: Prowler (Schleichen), Brave (Nahkampf) und Forager (Sammeln/Crafting). Das System ist nicht übermäßig komplex, bietet aber genug Tiefe um verschiedene Spielstile zu unterstützen. Ob man lieber aus dem Hinterhalt angreift oder frontal in den Kampf stürmt – beides ist möglich und wird belohnt.

Open World und Erkundung

Die Spielwelt ist mit einer beeindruckenden Liebe zum Detail gestaltet. Von schneebedeckten Bergen über üppige Wälder bis hin zu kargen Wüsten – jede Region hat ihren eigenen Charakter und ihre eigenen Maschinenarten. Die Ruinen der alten Zivilisation sind überall zu entdecken: Überwucherte Wolkenkratzer, verlassene Bunker und mysteriöse Hologramme erzählen stumm von vergangener Größe.

Besonders gelungen ist, wie natürlich sich die Welt anfühlt. Maschinen grasen friedlich auf Wiesen, trinken aus Flüssen oder wandern in Herden umher – bis man ihnen zu nahe kommt oder sie angreift. Diese „künstlichen“ Lebewesen wirken lebendiger als die meisten echten Tiere in anderen Spielen.

Die Nebenmissionen sind größtenteils durchdacht und gut geschrieben. Statt simplem „Gehe dahin, töte das“ erzählen sie meist kleine Geschichten über die verschiedenen Stämme und ihre Probleme. Einige davon sind sogar entscheidend für das Verständnis der Hintergrundgeschichte.

Allerdings zeigt sich hier auch eine der wenigen Schwächen des Spiels: Viele Aktivitäten folgen dem bekannten Ubisoft-Schema. Aussichtstürme (hier „Longnecks“) decken Kartenabschnitte auf, Sammelobjekte sind über die gesamte Welt verstreut, und manche Nebenaufgaben fühlen sich doch etwas repetitiv an. Das schadet dem Gesamteindruck nicht erheblich, sorgt aber gelegentlich für ein Déjà-vu-Gefühl.

Grafik und Präsentation

Visuell ist Horizon Zero Dawn ein absolutes Meisterwerk. Die PS4 wird hier an ihre Grenzen getrieben, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Maschinendesigns sind durchweg brillant – jedes mechanische Biest sieht funktional und bedrohlich aus, während gleichzeitig eine gewisse Eleganz ausgestrahlt wird.

Besonders beeindruckend sind die Lichteffekte und die Darstellung der Vegetation. Sonnenstrahlen, die durch Baumkronen fallen, wiegende Gräser in der Abendsonne oder die Art, wie Feuer und Blitze die metallischen Oberflächen der Maschinen zum Leuchten bringen – all das sorgt für unvergessliche Momente.

Auch die Gesichtsanimationen und Motion Capture-Arbeit sind auf höchstem Niveau. Aloy wirkt in jeder Cutscene lebendig und ausdrucksstark, und auch die Nebenfiguren sind überzeugende dargestellt.

Die verschiedenen Tageszeiten und Wettereffekte tragen zusätzlich zur Atmosphäre bei. Ein Thunderjaw bei strahlendem Sonnenschein zu bekämpfen ist ein völlig anderes Erlebnis als der gleiche Kampf bei Gewitter in der Nacht.

Sound und Musik

Der Soundtrack von Joris de Man, The Flight und Niels van der Leest ist eine perfekte Ergänzung zur visuellen Pracht. Die Mischung aus orchestralen Elementen und elektronischen Klängen spiegelt die Dualität der Spielwelt wider. Besonders die ruhigeren Momente beim Erkunden werden von wunderschönen, atmosphärischen Kompositionen begleitet.

Die Soundeffekte der Maschinen sind ebenfalls hervorragend gelungen. Jeder Maschinentyp hat seine eigenen, charakteristischen Geräusche – vom metallischen Klirren der Strider bis zum donnernden Gebrüll eines Thunderjaw. Diese Audio-Signale werden schnell zu wichtigen Gameplay-Elementen, da man oft schon am Klang erkennt, welche Bedrohung sich nähert.

Die deutsche Synchronisation ist durchweg solide, auch wenn die englische Originalfassung etwas authentischer wirkt. Ashly Burch als Aloy liefert eine nuancierte Performance ab, die der Figur Leben einhaucht.

Technische Umsetzung

Guerrilla Games hat bei der technischen Umsetzung ganze Arbeit geleistet. Die Framerate bleibt auch in hektischen Kämpfen stabil, und Bugs sind erfreulich selten. Die Ladezeiten halten sich in Grenzen, und das Spiel läuft sowohl auf der Standard-PS4 als auch auf der Pro-Version flüssig.

Besonders das Streaming der offenen Welt funktioniert nahtlos. Selbst bei schnellen Bewegungen mit einem gerittenen Strider gibt es keine spürbaren Nachladeruckler oder Pop-ins.

Fazit

Horizon Zero Dawn ist ein beeindruckendes Debüt für Guerrilla Games im Open-World-Genre. Die Entwickler haben es geschafft, eine völlig neue IP zu erschaffen, die sich sowohl visuell als auch spielerisch von der Konkurrenz abhebt. Die Kombination aus intelligentem Kampfsystem, faszinierender Welt und starker Protagonistin macht dieses Spiel zu einem echten Highlight.

Sicher, das eine oder andere Open-World-Klischee wird bedient, und nicht jede Nebenquest ist ein Meisterwerk des Questdesigns. Aber diese kleinen Schwächen verblassen angesichts der vielen Stärken des Spiels. Die Art, wie hier Sci-Fi und Fantasy verschmelzen, wie durchdacht das Kampfsystem ist und wie packend die Geschichte erzählt wird – all das macht Horizon Zero Dawn zu einem Pflichtspiel für jeden PS4-Besitzer.

Als Fan von Open-World-Spielen und Sci-Fi kann ich nur sagen: Endlich mal wieder etwas wirklich Frisches in diesem Genre. Guerrilla Games hat bewiesen, dass sie mehr können als nur Shooter, und ich bin sehr gespannt auf die bereits angekündigte Fortsetzung. Bis dahin werde ich sicher noch einige Stunden damit verbringen, die letzten Geheimnisse dieser faszinierenden Welt zu ergründen.

Getestet auf PlayStation 4 Pro

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