Icewind Dale II

[Review] Icewind Dale II

Mit Icewind Dale II schließt Black Isle Studios ihre beliebte Icewind Dale-Serie ab und präsentiert uns damit das vermutlich letzte Dungeons & Dragons-Rollenspiel, das auf der mittlerweile in die Jahre gekommenen Infinity Engine basiert. Nach dem erfolgreichen ersten Teil aus dem Jahr 2000 waren die Erwartungen entsprechend hoch – kann das Entwicklerteam um Josh Sawyer diese erfüllen und einen würdigen Abschluss der Reihe liefern? Spoiler vorweg: Ja, das können sie definitiv, auch wenn nicht alles perfekt ist.

Black Isle Studios hat sich in den letzten Jahren einen Namen als Spezialist für tiefgehende Rollenspiele gemacht. Mit Fallout, Planescape: Torment und natürlich dem ersten Icewind Dale haben die Entwickler bewiesen, dass sie das Genre verstehen wie kaum ein anderer. Entsprechend gespannt darf man auf diesen finalen Icewind Dale-Teil sein, zumal er zeitgleich den Übergang zur neuen D&D 3rd Edition-Regelwerk vollzieht.

Die Geschichte von Icewind Dale II

Die Handlung spielt etwa 30 Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils und führt uns erneut in die eiskalten Gebiete des hohen Nordens. Diesmal sind es jedoch nicht untote Kreaturen oder finstere Magier, die das Zehn-Städte-Bündnis bedrohen, sondern eine Armee von Orks, Goblins und anderen Kreaturen unter der Führung des charismatischen Kriegsherrn Isair und seiner Schwester Madae – zwei Tieflingen mit einer durchaus nachvollziehbaren Motivation für ihren Feldzug.

Die Geschichte beginnt verhältnismäßig klassisch: Eine Gruppe von Abenteurern (eure selbst erstellte Truppe) wird angeheuert, um die belagerte Stadt Targos zu verteidigen. Was anfangs wie ein simpler Söldnerauftrag aussieht, entwickelt sich jedoch schnell zu einer epischen Reise durch verschiedene Regionen, die weit über das hinausgeht, was man vom ersten Teil gewohnt war. Black Isle hat diesmal deutlich mehr Wert auf eine zusammenhängende Handlung gelegt, auch wenn die Story nach wie vor nicht das Level eines Planescape: Torment erreicht.

Was besonders positiv auffällt: Die Charaktere sind diesmal weniger schwarz-weiß gezeichnet. Selbst die Antagonisten haben nachvollziehbare Motive für ihr Handeln, was der gesamten Geschichte eine angenehme Tiefe verleiht. Ohne zu viel zu verraten – die Hintergrundgeschichte von Isair und Madae ist durchaus bewegend und lässt einen als Spieler nicht selten über die moralische Rechtmäßigung des eigenen Handelns nachdenken.

Gameplay und das neue D&D 3rd Edition Regelwerk

Der wohl größte Unterschied zum Vorgänger liegt in der Implementierung des neuen Dungeons & Dragons 3rd Edition Regelwerks. Wer bisher mit den teilweise recht kryptischen AD&D-Regeln gekämpft hat, wird die Umstellung definitiv begrüßen. Das neue System ist deutlich intuitiver und logischer aufgebaut – niedrigere Rüstungsklassen sind nicht mehr besser, Attributsboni sind einfacher zu verstehen und das Klassensystem bietet wesentlich mehr Flexibilität.

Besonders erfreulich: Die Charaktererstellung ist nun deutlich abwechslungsreicher geworden. Während man im ersten Teil praktisch gezwungen war, bestimmte Standardklassen zu wählen (Kämpfer, Magier, Priester, Dieb), eröffnet das neue Regelsystem mit Prestige-Klassen wie dem Dunklen Verteidiger oder dem Arkanen Trickser völlig neue Spielweisen. Ein Kämpfer kann nun beispielsweise später zum Barbaren werden, oder ein Magier zum Eldritchen Ritter – solche Multiclass-Kombinationen waren früher undenkbar.

Die Charakterentwicklung fühlt sich dadurch wesentlich organischer an. Anstatt alle paar Level einfach nur Trefferpunkte und eventuell einen neuen Zauberspruch zu bekommen, trifft man nun regelmäßig wichtige Entscheidungen: Welche Fertigkeiten soll ich steigern? Welches Talent nehme ich als nächstes? In welche Richtung entwickle ich meinen Charakter weiter? Das macht die Charakterentwicklung zu einem aktiven, spannenden Prozess anstatt zu einer passiven Erfahrung.

Die Kämpfe selbst haben ebenfalls profitiert. Durch die neuen Regeln fühlen sich Konfrontationen taktischer an – Gelegenheitsangriffe, Kampfmanöver und die überarbeiteten Zaubersprüche sorgen für mehr strategische Tiefe. Gleichzeitig wurde das berüchtigte THAC0-System endlich über Bord geworfen, was allein schon Grund zur Freude ist.

Dungeons, Quests und Spielwelt

Icewind Dale II bietet etwa 30-40 Stunden Spielzeit, je nachdem wie gründlich man die verschiedenen Gebiete erkundet und wie viele der zahlreichen Nebenquests man angeht. Die Dungeons sind durchweg liebevoll gestaltet und bieten eine gute Mischung aus Kampf, Rätseln und Erkundung. Besonders die Drachenauge-Ruinen und das Kloster des Zerbrochenen Zirkels bleiben als herausragende Leveldesigns im Gedächtnis.

Was den zweiten Teil deutlich vom Vorgänger abhebt, ist die größere Vielfalt der Schauplätze. Während der erste Teil fast ausschließlich in schneeverwehten Höhlen und eisigen Ruinen spielte, führt uns die Reise diesmal durch verschiedenste Environments: Von der belagerten Hafenstadt Targos über sumpfige Moorlandschaften bis hin zu einem lebenden Eispalast. Diese Abwechslung tut dem Spiel gut und verhindert, dass sich Monotonie einstellt.

Die Nebenquests sind größtenteils gelungen und gehen über simple „Hol-und-Bring“-Aufträge hinaus. Viele haben interessante moralische Entscheidungen oder führen zu unerwarteten Wendungen. Allerdings gibt es auch hier die typischen Black Isle-Eigenarten: Manche Quests sind extrem kryptisch formuliert und ohne Lösungshinweise aus dem Internet praktisch unlösbar. Das ist ärgerlich, aber wer die anderen Spiele des Studios kennt, wird damit rechnen.

Grafik und Sound

Technisch bewegt sich Icewind Dale II natürlich noch immer im Rahmen der Infinity Engine, die mittlerweile schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Die Grafik wirkt zwar nicht mehr ganz taufrisch, aber die detailreichen Hintergründe und atmosphärischen Lichteffekte haben nach wie vor ihren Charme. Besonders gelungen sind die Zaubereffekte, die deutlich spektakulärer ausfallen als noch im Vorgänger.

Die Charakteranimationen sind flüssig und die neuen Kreaturendesigns (besonders bei den Tieflingen und höheren Untoten) zeigen, dass die Künstler noch einmal alles aus der betagten Engine herausgeholt haben. Schade nur, dass die Auflösung nach wie vor auf 800×600 Pixel beschränkt ist – auf modernen Monitoren wirkt das schon etwas pixelig.

Audiovisuell glänzt das Spiel jedoch in einem anderen Bereich: Der Soundtrack von Jeremy Soule ist schlichtweg phänomenal. Die orchestralen Kompositionen schaffen es perfekt, die unterschiedlichen Stimmungen der verschiedenen Gebiete einzufangen. Von düsteren, bedrohlichen Klängen in den Katakomben bis hin zu epischen, heroischen Melodien während der großen Schlachten – musikalisch ist Icewind Dale II ein absolutes Highlight.

Die deutsche Lokalisierung ist ebenfalls gelungen, auch wenn es hier und da kleinere Übersetzungsfehler gibt. Die Sprecher der wichtigeren NPCs machen ihre Sache gut, auch wenn man sich natürlich mehr Sprachausgabe gewünscht hätte.

Multiplayer und Modding

Ein oft übersehenes Feature von Icewind Dale II ist der Mehrspielermodus. Mit bis zu sechs Spielern lässt sich das gesamte Abenteuer gemeinsam bestreiten, was durchaus seinen Reiz hat. Die Koordination der verschiedenen Charakterklassen und die gemeinsame Strategieplanung machen definitiv Spaß, auch wenn die technische Umsetzung über das Internet manchmal etwas hakelig ist.

Für Modding-Enthusiasten bietet das Spiel ebenfalls einige Möglichkeiten, auch wenn diese nicht so umfangreich sind wie bei anderen Infinity Engine-Spielen. Die D&D 3rd Edition-Regeln lassen sich relativ einfach erweitern und anpassen, was der Community sicher noch einige interessante Projekte bescheren wird.

Kleinere Kritikpunkte

So gelungen Icewind Dale II auch ist, perfekt ist es nicht. Die Ladezeiten zwischen den Gebieten sind teilweise recht lang, besonders auf schwächeren Systemen. Auch die künstliche Intelligenz der Gruppenmitglieder könnte besser sein – ohne ständige Mikromanagement läuft die Party oft in ungünstige Positionen oder verschwendet Zaubersprüche.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Schwierigkeit: Während das Spiel zu Beginn recht moderat daherkommt, steigt der Schwierigkeitsgrad gegen Ende teilweise drastisch an. Ohne optimierte Charaktere und perfekte Taktik können die letzten Bosskämpfe schnell frustrierend werden. Hier hätte man sich eine etwas gleichmäßigere Progression gewünscht.

Auch die Inventarverwaltung bleibt umständlich. Zwar gibt es jetzt separate Container für verschiedene Gegenstandstypen, aber bei sechs Charakteren verliert man trotzdem schnell den Überblick über all die Ausrüstung, Zauberspruchrollen und Tränke.

Fazit zu Icewind Dale II

Black Isle Studios hat mit Icewind Dale II einen würdigen Abschluss ihrer beliebten Serie geschaffen. Das neue D&D 3rd Edition-Regelwerk verleiht dem Spiel deutlich mehr taktische Tiefe und macht die Charakterentwicklung wesentlich interessanter. Die abwechslungsreichen Schauplätze, die gelungene Geschichte und der brillante Soundtrack sorgen für eine atmosphärisch dichte Spielerfahrung.

Natürlich merkt man der Infinity Engine ihr Alter an, und einige altbekannte Probleme wie die umständliche Inventarverwaltung sind nach wie vor vorhanden. Dennoch ist Icewind Dale II für Fans klassischer Computer-Rollenspiele ein absolutes Muss. Wer schon den ersten Teil mochte, wird hier definitiv auf seine Kosten kommen. Aber auch Einsteiger in die Serie finden hier einen hervorragenden Einstiegspunkt, zumal das neue Regelwerk deutlich anfängerfreundlicher ist.

Es ist schade, dass dies vermutlich das letzte Spiel dieser Art von Black Isle sein wird – mit Baldur’s Gate 3 (falls es denn jemals erscheint) soll die Zukunft ganz anderen technischen Ansätzen gehören. Icewind Dale II zeigt jedoch eindrucksvoll, dass auch „alte“ Technik in den richtigen Händen noch zu großartigen Spielerlebnissen führen kann.

Für alle Fans von Dungeons & Dragons, strategischen Kämpfen und klassischen Computer-RPGs ist Icewind Dale II eine klare Empfehlung. Man sollte nur genügend Zeit mitbringen – denn hat einen das Spiel erst einmal gepackt, fällt das Aufhören schwer.

Bewertung: 8/10

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