inFAMOUS

[Review] inFAMOUS

Mit inFAMOUS wagt sich Entwickler Sucker Punch auf völlig neues Terrain. Bekannt geworden durch die Sly Cooper-Reihe, präsentiert uns das Studio nun ein düsteres Open-World-Abenteuer für die PlayStation 3, das Superhelden-Action mit moralischen Entscheidungen kombiniert. Nach den ersten Gameplay-Videos und Trailern war die Vorfreude groß – eine offene Spielwelt voller elektrischer Superkräfte und die Freiheit, selbst zu entscheiden ob man Held oder Schurke sein möchte. Das klingt vielversprechend und lässt automatisch an Titel wie Prototype oder sogar Grand Theft Auto denken, die ebenfalls mit offenen Welten und reichlich Action locken. Doch inFAMOUS geht einen etwas anderen Weg und setzt auf eine sehr spezielle Atmosphäre. Schauen wir uns also genauer an, was Sucker Punch hier abliefert und ob das Konzept aufgeht.

Stromausfall in Empire City

Die Geschichte von inFAMOUS dreht sich um Cole MacGrath, einen ganz normalen Fahrradkurier in der fiktiven Metropole Empire City. Cole führt ein unspektakuläres Leben, bis er eines Tages ein mysteriöses Paket ausliefern soll. Was dann geschieht, verändert nicht nur sein Leben für immer, sondern auch das Schicksal der gesamten Stadt. Das Paket entpuppt sich als verheerende Bombe, die einen gewaltigen Teil der Stadt in Schutt und Asche legt – die sogenannte Explosion, auch bekannt als „The Blast“. Cole überlebt wie durch ein Wunder, doch statt einfach nur Glück gehabt zu haben, erwacht er mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Er kann nun Elektrizität kontrollieren, aus seinen Händen schießen Blitze und er kann sich sogar an Stromleitungen entlanghangeln wie Spider-Man an seinen Netzen.

Doch die neue Macht kommt nicht ohne Konsequenzen. Empire City versinkt im Chaos. Die Regierung hat die Stadt abgeriegelt, Plünderer und Gangs übernehmen die Kontrolle über ganze Stadtteile und die Bevölkerung ist gespalten. Einige sehen in Cole den Verursacher der Katastrophe, andere hoffen auf einen Retter. Hinzu kommt eine mysteriöse Seuche, die sich in der Stadt ausbreitet und die Menschen dahinrafft. Cole muss nicht nur herausfinden, was wirklich hinter der Explosion steckt, sondern auch, ob er seine Kräfte zum Wohle der Bevölkerung einsetzen will – oder ob er sie für seine eigenen Zwecke missbraucht.

Die Story wird hauptsächlich über Zwischensequenzen im Comic-Stil erzählt, was perfekt zur düsteren Superhelden-Atmosphäre passt. Diese Szenen sind stilvoll inszeniert und erinnern an Graphic Novels, was dem Ganzen einen sehr eigenständigen Charakter verleiht. Die Handlung selbst ist solide erzählt, auch wenn sie keine völlig neuen Wege geht. Was inFAMOUS aber wirklich auszeichnet, ist die Verknüpfung der Story mit dem Karma-System. Jede Entscheidung, die Cole trifft, hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung durch die Bevölkerung und auf seine Kräfte. Das ist mehr als nur Kosmetik – es beeinflusst tatsächlich das Spielgefühl.

Held oder Schurke – Die Wahl liegt bei dir

Das Herzstück von inFAMOUS ist zweifellos das Karma-System. Im Spielverlauf wird Cole immer wieder vor Entscheidungen gestellt, die sein moralisches Profil beeinflussen. Rettet man Zivilisten aus einer brenzligen Situation oder lässt man sie ihrem Schicksal? Teilt man knappe Essensrationen mit Bedürftigen oder behält man alles für sich? Diese Entscheidungen sind nicht immer schwarz-weiß, wobei fairerweise gesagt werden muss, dass viele von ihnen schon recht deutlich in die Kategorien „gut“ oder „böse“ fallen. Trotzdem macht es Spaß, bewusst einen Pfad zu wählen und zu sehen, wie sich die Spielwelt darauf einstellt.

Das Besondere: Je nachdem ob Cole zum strahlenden Helden oder zum gefürchteten Bösewicht wird, verändern sich nicht nur die Reaktionen der NPCs, sondern auch seine Fähigkeiten. Ein heldenhafter Cole erhält präzisere, eher defensiv ausgerichtete Kräfte, während ein böser Cole brutalere und zerstörerischere Attacken freischaltet. Das sorgt definitiv für Wiederspielwert, denn um alle Fähigkeiten zu erleben, muss man das Spiel mindestens zweimal durchspielen – einmal als Held, einmal als Schurke.

Die Superkräfte selbst sind das absolute Highlight von inFAMOUS. Cole kann elektrische Stöße verschießen, Blitze vom Himmel herabbeschwören, auf Stromleitungen gleiten und sich an Gebäuden hochhangeln. Die Fortbewegung durch Empire City fühlt sich dadurch unglaublich flüssig und dynamisch an. Besonders das Grinding auf Stromleitungen und Bahnschienen macht enormen Spaß und bietet eine erfrischende Alternative zum üblichen Klettern und Springen. Im Spielverlauf schaltet man durch gesammelte Erfahrungspunkte und absolvierte Missionen immer neue Fähigkeiten frei. Von einfachen Elektroschüssen entwickelt sich Coles Arsenal zu mächtigen Lightning Storms und elektrischen Granaten. Das Progression-System ist gut durchdacht und motiviert, immer weiter zu spielen um die nächste coole Attacke freizuschalten.

Allerdings hat Coles Macht auch ihre Grenzen – im wahrsten Sinne des Wortes. Cole muss regelmäßig Energie aufladen, was er an Stromkästen, Laternen oder anderen elektrischen Quellen tun kann. Das sorgt zwar für eine gewisse Ressourcen-Verwaltung, wird aber nie wirklich zum Problem, da Empire City voller Energiequellen ist. Ein größeres Problem ist Wasser. Cole kann nicht schwimmen und stirbt sofort, wenn er in tieferes Wasser fällt. Das macht Sinn im Kontext seiner elektrischen Kräfte, schränkt die Bewegungsfreiheit in einer Open-World aber doch merklich ein.

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Empire City – Düster, dreckig, lebendig

Empire City selbst ist in drei große Stadtteile aufgeteilt: Die Slums, der historische Distrikt und der Neon-Distrikt. Jeder Bereich hat seinen eigenen Charakter und wird von unterschiedlichen feindlichen Gangs kontrolliert. Die Slums sind heruntergekommen und versinken im Chaos, der historische Distrikt erinnert an alte europäische Architektur und der Neon-Distrikt ist das kommerzielle Zentrum mit Hochhäusern und Leuchtreklame. Die Stadt wirkt glaubwürdig als krisengeschüttelte Metropole, in der das Chaos regiert.

Allerdings muss man auch ehrlich sein: Empire City ist keine besonders schöne Stadt. Die Farbpalette ist durchweg grau und trist gehalten, was zwar perfekt zur postapokalyptischen Atmosphäre passt, auf Dauer aber etwas eintönig wirken kann. Die Gebäude wiederholen sich häufig und wirklich ikonische Wahrzeichen fehlen. Das ist schade, denn eine markantere Stadtarchitektur hätte dem Titel noch mehr Persönlichkeit verliehen. Trotzdem ist die Stadt lebendig – überall sieht man Plünderer, feindliche Gangs und verängstigte Zivilisten. Je nachdem wie man sich verhält, reagiert die Bevölkerung unterschiedlich. Als Held wird man bejubelt und die Leute wollen Fotos mit Cole machen, als Schurke weichen die Menschen panisch zurück oder greifen einen sogar an.

Die Hauptmissionen führen Cole durch die verschiedenen Stadtteile und erzählen die Geschichte weiter. Daneben gibt es zahlreiche Nebenmissionen, die oft etwas repetitiv ausfallen. Verletzte heilen, Sprengsätze entschärfen, Gefangene befreien – die Aufgaben ähneln sich leider zu sehr und verlieren nach einer Weile an Reiz. Dafür gibt es noch diverse Sammelobjekte wie Dead Drops, die mehr über die Hintergrundgeschichte verraten, und Blast Shards, die Coles Energie-Kapazität erhöhen. Wer gerne Stadtteile von feindlicher Kontrolle befreit, wird ebenfalls beschäftigt – jedes eroberte Gebiet bringt Vorteile wie weniger Feinddichte und mehr verbündete NPCs.

Technisch solide mit Luft nach oben

Technisch präsentiert sich inFAMOUS ordentlich, bewegt sich aber nicht auf dem absoluten Spitzenniveau der PlayStation 3. Die Charaktermodelle sind detailliert, besonders Cole selbst ist gut animiert und seine elektrischen Effekte sehen spektakulär aus. Wenn Blitze über den Bildschirm zucken und ganze Gebäude in bläuliches Licht getaucht werden, macht das definitiv was her. Die Framerate bleibt dabei größtenteils stabil, auch wenn es in besonders actionreichen Momenten mit vielen Effekten und Gegnern durchaus mal ruckeln kann.

Weniger überzeugend sind dagegen manche Texturen und die bereits erwähnte graue Farbgebung, die der Stadt zwar Atmosphäre verleiht, aber auch monoton wirken kann. Die NPCs sind ebenfalls eher durchschnittlich animiert und fallen durch wenig Variation auf. Auch die feindliche KI ist nicht besonders clever – Gegner verhalten sich oft sehr vorhersehbar und nutzen Deckungen kaum aus, was größere Gefechte zwar spektakulär, aber nicht übermäßig herausfordernd macht.

Der Sound hingegen ist durchweg gelungen. Die Umgebungsgeräusche einer Stadt im Ausnahmezustand sind authentisch eingefangen – Schüsse in der Ferne, schreiende Menschen, krachende Explosionen. Der Soundtrack hält sich dezent im Hintergrund und untermalt das Geschehen passend, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Besonders die elektrischen Soundeffekte von Coles Kräften sind fantastisch umgesetzt und verleihen jeder Attacke das gewisse Etwas. Die englische Sprachausgabe ist solide, eine deutsche Synchronisation gibt es allerdings nicht. Das ist bei einem solchen Titel aber auch verschmerzbar, da die Dialoge ohnehin nicht im Vordergrund stehen.

Fazit zu inFAMOUS

Sucker Punch hat mit inFAMOUS einen interessanten Schritt gewagt und sich von ihrer familienfreundlichen Vergangenheit verabschiedet. Herausgekommen ist ein düsteres Open-World-Abenteuer, das mit seinen elektrischen Superkräften und dem Karma-System überzeugen kann. Die Fortbewegung durch Empire City macht Spaß, das Freischalten neuer Fähigkeiten motiviert und die Entscheidung zwischen Held und Schurke sorgt für Wiederspielwert. Die Story ist zwar nicht revolutionär, aber durchaus spannend erzählt und die Comic-Optik der Zwischensequenzen ist ein gelungenes Stilmittel.

Allerdings hat inFAMOUS auch seine Schwächen. Die Stadt wirkt auf Dauer etwas monoton, Nebenmissionen wiederholen sich zu häufig und technisch hätte man von der PlayStation 3 an manchen Stellen noch etwas mehr erwarten können. Die KI der Gegner ist überschaubar und wirklich schwierig wird es selten. Trotzdem überwiegen die positiven Aspekte deutlich. Wer Lust auf ein Superhelden-Abenteuer mit moralischen Entscheidungen hat und dabei gerne durch eine offene Spielwelt saust, der sollte inFAMOUS definitiv eine Chance geben. Sucker Punch hat hier eine solide Basis gelegt, die mit einem Nachfolger sicher noch ausgebaut werden kann. Für Fans von Open-World-Action und Superhelden-Geschichten ist inFAMOUS ein lohnenswerter Titel, der trotz kleinerer Schwächen gut unterhält.

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