Mit Lords of Hellas wagt sich Designer Adam Kwapiński an ein ziemlich verrücktes Konzept: Griechische Mythologie trifft auf Science Fiction, verpackt in einem strategischen „Area Control“-Spiel. Awaken Realms, bekannt für ihre aufwendigen Produktionen, verspricht uns epische Schlachten zwischen mythologischen Helden, die mit futuristischer Technologie ausgestattet sind. Das klingt auf dem Papier erstmal nach einer wilden Mischung – aber funktioniert diese Kombination auch am Spieltisch?
Wenn Zeus einen Laser trägt – Thema und Setting
Lords of Hellas katapultiert uns in ein alternatives antikes Griechenland, in dem die Götter des Olymps nicht nur mit Blitz und Donner hantieren, sondern auch über fortschrittliche Technologie verfügen. Wir schlüpfen in die Rollen asymmetrischer Helden wie Achilles, Perseus, Herakles oder Leonidas – jeder mit seinen eigenen, einzigartigen Fähigkeiten und strategischen Ansätzen.
Die Grundidee ist durchaus faszinierend: Stellt euch spartanische Krieger vor, die nicht nur mit Schilden und Speeren kämpfen, sondern auch über mechanische Kampfanzüge und Energiewaffen verfügen. Das Setting wirkt zunächst bizarr, entfaltet aber beim Spielen seinen ganz eigenen Charme. Die verschiedenen Helden fühlen sich tatsächlich unterschiedlich an – Achilles spielt sich komplett anders als Perseus, was für ordentlich Wiederspielwert sorgt.
Mehr als nur Figuren schieben – Gameplay und Mechaniken
Das Herzstück von Lords of Hellas ist ein cleveres Action-System, das sich deutlich von klassischen „Dudes on a Map“-Spielen abhebt. Anstatt einfach nur Armeen zu bewegen und zu kämpfen, müssen wir strategische Entscheidungen auf mehreren Ebenen treffen.
Die Siegesbedingungen sind vielfältig:
- Landkontrolle: Zwei komplette Länder unter eure Kontrolle bringen
- Monumente: Fünf Monumente errichten und dabei geschickt den Endgame-Timer nutzen
- Monsterjagd: Zwei mächtige Monster erlegen
- Kontrolle: Zwei Städte plus euren Startbereich beherrschen
Diese Vielfalt ist genial, weil sie völlig unterschiedliche Strategien ermöglicht. Ihr könnt als militärischer Eroberer agieren, als Baumeister Monumente errichten, als Monsterjäger durch die Lande ziehen oder als Stadtplaner agieren. Noch besser: Die Strategien lassen sich kombinieren und ihr müsst ständig auf die Pläne eurer Mitspieler reagieren.
Das Action-System verdient besondere Erwähnung. Anstatt einer festen Zugreihenfolge wählt jeder Spieler geheim zwei Aktionen aus einem Pool von acht Möglichkeiten. Das sorgt für Spannung, weil man nie genau weiß, was die anderen vorhaben, und zwingt zu taktischen Überlegungen: Setze ich auf sichere Standardaktionen oder wage ich ein riskantes Manöver?
Monsterkämpfe sind ein echtes Highlight. Diese epischen Auseinandersetzungen fühlen sich tatsächlich wie Bosskämpfe an – mit Kartenmanagement, Ressourcenplanung und einer gehörigen Portion Glück. Jedes Monster hat seine eigenen Mechaniken, was die Kämpfe abwechslungsreich macht.
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Produktionsqualität deluxe – Komponenten und Optik
Hier zeigt Awaken Realms, warum sie in der Liga der Premium-Produzenten spielen. Die Miniaturen sind detailliert und imposant, besonders die riesigen Monster stechen hervor. Der Spielplan ist funktional und übersichtlich gestaltet, die verschiedenen Regionen sind klar voneinander abgegrenzt.
Die asymmetrischen Helden-Boards sind liebevoll gestaltet und vermitteln tatsächlich das Gefühl, verschiedene legendäre Krieger zu befehligen. Jedes Board hat seine eigenen Upgrade-Pfade und Spezialfähigkeiten, die thematisch perfekt zum jeweiligen Helden passen.
Kleine Kritikpunkte: Die Ikonografie ist nicht immer intuitiv und braucht etwas Eingewöhnung. Auch die Anleitung könnte an manchen Stellen präziser sein – gerade bei den Monsterkämpfen mussten wir öfter nachlesen.
Sound und… äh, Moment mal
Okay, Brettspiele haben keinen Sound. Aber die Atmosphäre stimmt! Die Artwork transportiert das verrückte Setting gut rüber, und wenn man sich darauf einlässt, entsteht durchaus das Gefühl, epische mythologische Schlachten zu führen. Die Kartenillustrationen sind stimmig und die verschiedenen Völker haben ihre eigene, erkennbare Optik.
Das Fazit – Ein Strategiespiel der Extraklasse?
Lords of Hellas ist definitiv etwas Besonderes. Selten habe ich ein Strategiespiel gespielt, das so viele verschiedene taktische Ansätze ermöglicht, ohne dabei überfrachtet zu wirken. Die Kombination aus Area Control, Ressourcenmanagement und asymmetrischem Gameplay funktioniert überraschend gut.
Die Stärken:
- Innovative Siegbedingungen sorgen für hohen Wiederspielwert
- Asymmetrische Helden mit echten Unterschieden
- Spannendes Action-Selection-System
- Hochwertige Komponenten und Präsentation
- Monsterkämpfe als echte Highlights
Die Schwächen:
- Komplexe Regeln brauchen Eingewöhnung
- Nicht ganz intuitive Ikonografie
- Kann bei unerfahrenen Gruppen etwas träge werden
- Das Sci-Fi/Antike-Setting ist nicht jedermanns Sache
Würde ich Lords of Hellas empfehlen? Absolut! Für Fans von strategischen Brettspielen ist das hier ein echter Geheimtipp. Ja, die Lernkurve ist steil, und ja, das Setting ist gewöhnungsbedürftig. Aber wenn man sich darauf einlässt, bekommt man ein Strategiespiel, das sowohl taktisch anspruchsvoll als auch thematisch unterhaltsam ist.
Adam Kwapiński hat hier etwas geschaffen, was das Genre durchaus bereichert. Lords of Hellas zeigt, dass „Dudes on a Map“-Spiele mehr sein können als nur Risiko mit besseren Komponenten. Das ist intelligent designtes, modernes Brettspielhandwerk – auch wenn Zeus mit Laserkanone erstmal gewöhnungsbedürftig ist.
Technische Daten:
- Spieler: 1-4 Personen
- Alter: Ab 14 Jahren
- Spieldauer: 60-90 Minuten
- Designer: Adam Kwapiński
- Verlag: Awaken Realms
- Erscheinungsjahr: 2018
Bewertung: 8/10 – Ein innovatives Strategiespiel mit eigenem Charakter.