Marvel's Midnight Suns

[Review] Marvel’s Midnight Suns

Mit Marvel’s Midnight Suns wagte sich Firaxis Games an ein durchaus ehrgeiziges Projekt: Erstmals sollten die für ihre herausragenden Strategiespiele bekannten Entwickler das Marvel-Universum in ihre bewährte Taktik-Formel integrieren. Nach den Meisterwerken XCOM: Enemy Unknown und XCOM 2 waren die Erwartungen entsprechend hoch. Kann das Team um Creative Director Jake Solomon erneut überzeugen und dabei gleichzeitig dem Superhelden-Genre neue Impulse verleihen? Die Antwort ist ein klares Ja – auch wenn der Weg dorthin nicht immer gradlinig verläuft.

Story – Wenn Magie auf Marvel trifft

Marvel’s Midnight Suns führt uns in eine düstere Version des Marvel-Universums, in der die uralte Dämonin Lilith erwacht ist und die Welt mit übernatürlichen Kräften bedroht. Die klassischen Avengers sind dieser mystischen Bedrohung nicht gewachsen, weshalb Doctor Strange die Midnight Suns ins Leben ruft – eine Gruppe von Superhelden, die sich auf okkulte und magische Gefahren spezialisiert haben.

Im Zentrum der Handlung steht der Hunter, ein anpassbarer Protagonist, der als direkter Nachkomme Liliths sowohl Schlüssel zur Rettung als auch potenzielle Gefahr darstellt. Diese Familienkonstellation sorgt für persönliche Dramatik und verleiht der Story eine emotionale Tiefe, die über das übliche „Superhelden retten die Welt“-Schema hinausgeht.

Die Erzählung profitiert enorm von der Fokussierung auf die weniger bekannten Marvel-Charaktere. Blade, Magik, Robbie Reyes als Ghost Rider und Nico Minoru erhalten hier endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Ihre düsteren Hintergründe harmonieren perfekt mit der übernatürlichen Bedrohung und schaffen eine stimmige Atmosphäre zwischen Horror und Superhelden-Action.

Besonders gelungen ist die charakterliche Entwicklung durch das Social-System. Zwischen den Missionen können wir Beziehungen zu den verschiedenen Helden aufbauen, ihre Persönlichkeiten kennenlernen und sogar romantische Verbindungen eingehen. Diese Momente der Ruhe kontrastieren wirkungsvoll mit der apokalyptischen Haupthandlung und machen die Charaktere zu mehr als nur Spielfiguren.

Grafik – Atmosphäre zwischen Düsternis und Marvel-Glanz

Optisch schlägt Marvel’s Midnight Suns einen interessanten Weg ein. Die Abtei, die als Hauptquartier dient, strahlt eine gothische Atmosphäre aus, die perfekt zur mystischen Thematik passt. Alte Steinmauern, geheimnisvolle Gärten und magische Artefakte erschaffen eine Kulisse, die sich deutlich von den typischen Marvel-Schauplätzen abhebt.

Die Charaktermodelle sind durchweg gelungen und fangen die Essenz der Comic-Vorlagen ein, ohne zu cartoon-haft zu wirken. Besonders die Animationen während der Kartenaktionen beeindrucken: Wenn Iron Man seine Repulsor-Strahlen abfeuert oder Doctor Strange seine mystischen Künste entfesselt, spürt man die Macht dieser Superhelden. Die Spezialeffekte sind spektakulär und verleihen jedem Helden seine unverwechselbare visuelle Identität.

Die Schlachtfelder bieten angenehme Abwechslung, auch wenn sie nicht die Detailverliebtheit eines XCOM erreichen. Von dämonisch verseuchten Straßen New Yorks bis hin zu mystischen Dimensionen gibt es genug Variation, um die taktischen Gefechte visuell interessant zu halten. Besonders die Umgebungsinteraktionen, bei denen Helden Gegner durch Wände schleudern oder Explosionsfässer als Waffen nutzen, sind spektakulär inszeniert.

Technisch läuft das Spiel solide, auch wenn gelegentlich kleinere Ruckler und Ladezeiten den Spielfluss etwas bremsen. Die Beleuchtung verdient besondere Erwähnung – sie verstärkt die düstere Grundstimmung erheblich und lässt magische Effekte besonders eindrucksvoll erscheinen.

Sound – Epische Vertonung mit Marvel-Charme

Der Soundtrack von Marvel’s Midnight Suns schafft es meisterhaft, die verschiedenen Stimmungen des Spiels zu unterstreichen. Ruhige, fast meditative Klänge begleiten die Erkundung der Abtei, während bombastische Orchesterarrangements die Kämpfe zu epischen Auseinandersetzungen machen. Die Musik erinnert dabei sowohl an klassische Superhelden-Vertonungen als auch an Horror-Soundtracks, was perfekt zur hybriden Natur des Spiels passt.

Die Sprachausgabe verdient höchstes Lob. Veteranen-Sprecher wie Yuri Lowenthal (Spider-Man) und Laura Bailey (Black Widow) hauchen ihren Charakteren Leben ein. Besonders beeindruckend ist jedoch die Arbeit der deutschen Synchronisation. Die Dialoge wirken natürlich und transportieren sowohl die heroischen als auch die intimeren Momente glaubwürdig.

Die Soundeffekte unterstreichen die Wucht der Superheldenkräfte eindrucksvoll. Jeder Charakter besitzt seine unverwechselbare akustische Signatur – von Wolverines Krallenschnitt bis hin zu Doctor Stranges mystischen Beschwörungen. Diese auditive Unterscheidung hilft enorm dabei, die Übersicht im taktischen Kampf zu behalten.

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Gameplay – Innovative Kartenmagie trifft bewährte Taktik

Das Herzstück von Marvel’s Midnight Suns ist sein revolutionäres Kartenkampfsystem, das Genre-Grenzen sprengt. Statt klassischer Rundenstrategie ziehen wir Karten aus einem Deck, das unsere verfügbaren Aktionen repräsentiert. Jeder Superheld bringt acht Karten mit verschiedenen Fähigkeiten mit – von direkten Angriffen über Buff-Zauber bis hin zu spektakulären Umgebungsinteraktionen.

Diese Mechanik fühlt sich zunächst ungewohnt an, entfaltet aber schnell ihren strategischen Reiz. Die Zufallskomponente beim Kartenziehen zwingt zur Improvisation und verhindert, dass sich Routinen einschleichen. Gleichzeitig bietet das System genug taktische Tiefe: Kartenkombinationen zwischen verschiedenen Helden, das Management der Kartenressource und die geschickte Nutzung der Umgebung erfordern durchdachte Planung.

Besonders gelungen ist die Integration der Superhelden-Kräfte. Hulks Karten spiegeln seine brutale Stärke wider, während Iron Mans technologische Raffinesse in cleveren Gadget-Kombos zum Ausdruck kommt. Jeder Held fühlt sich einzigartig an und bietet verschiedene Spielstile – von Tank über Supporter bis hin zum Schadensdeal.

Das Deckbuilding zwischen den Missionen fügt eine zusätzliche strategische Ebene hinzu. Neue Karten müssen verdient, verbessert und sinnvoll kombiniert werden. Wer seine Decks geschickt zusammenstellt, kann mächtige Synergien erschaffen, die selbst stärkste Gegner in Sekunden eliminieren.

Die Abtei fungiert als Hub zwischen den Missionen und bietet überraschend viel Inhalt. Erkundung, Rätsel, Sammelgegenstände und vor allem die sozialen Interaktionen mit den Teammitgliedern sorgen für willkommene Abwechslung. Das Freundschaftssystem ist mehr als nur Flavor – bessere Beziehungen schalten tatsächlich neue Kampffähigkeiten und Kartenverbesserungen frei.

Die Missionsstruktur variiert angenehm zwischen Hauptstory-Einsätzen und optionalen Herausforderungen. Während die Hauptmissionen meist narrative Schwerpunkte setzen, bieten die Nebenmissionen härtere taktische Brocken und bessere Belohnungen. Das Schwierigkeitsspektrum ist gut austariert – Einsteiger finden einen sanften Einstieg, während Veteranen auf höheren Stufen ordentlich gefordert werden.

Ein kleiner Kritikpunkt betrifft das Pacing: Gerade zu Beginn wirkt das Spiel etwas träge, da viele Systeme nach und nach freigeschaltet werden. Wer sich jedoch auf das ungewöhnliche Tempo einlässt, wird mit einem der innovativsten Taktikspiele der letzten Jahre belohnt.

Fazit

Marvel’s Midnight Suns ist ein mutiges und größtenteils erfolgreiches Experiment. Firaxis Games hat es geschafft, ihre bewährte Taktik-Expertise mit frischen Kartenspiel-Elementen und authentischem Marvel-Feeling zu verbinden. Das Ergebnis ist ein Spiel, das sowohl Strategiefans als auch Superhelden-Enthusiasten begeistern kann.

Die ungewöhnliche Mischung aus düsterer Horror-Atmosphäre und farbenfrohen Superhelden-Momenten funktioniert überraschend gut. Besonders die Fokussierung auf die mystischen Marvel-Charaktere verleiht dem Spiel eine einzigartige Identität abseits der üblichen Avengers-Kost.

Das Kartenkampfsystem mag zunächst polarisieren, entpuppt sich aber als geniale Innovation, die dem Genre neue Impulse verleiht. Die taktische Tiefe steht klassischen Rundenstrategie-Spielen in nichts nach, während die Zufallskomponente für langanhaltende Spannung sorgt.

Kleine Schwächen in der Technik und dem anfangs etwas trägen Spieltempo können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Spiel entstanden ist, das neue Maßstäbe setzt. Marvel’s Midnight Suns beweist, dass Innovation und bewährte Qualität sich nicht ausschließen müssen.

Für Fans von Strategiespielen ist Marvel’s Midnight Suns ein Pflichtkauf, der zeigt, wohin sich das Genre entwickeln kann. Aber auch Marvel-Liebhaber, die normalerweise einen Bogen um Taktikspiele machen, sollten diesem innovativen Hybrid eine Chance geben. Es könnte durchaus der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden.

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