Mit Marvel’s Spider-Man 2 kehrt Insomniac Games zur wohl bekanntesten Superhelden-Franchise zurück und verspricht uns das bisher größte Spider-Man-Abenteuer. Nach dem grandiosen ersten Teil von 2018 und dem eigenständigen Miles Morales-Ableger von 2020 haben die Entwickler nun beide Spinnen-Helden in einem gemeinsamen Abenteuer vereint. Die Erwartungen waren entsprechend hoch – schließlich hatte Insomniac bereits bewiesen, dass sie das Netzschwingen und die Superhelden-Action perfekt beherrschen. Aber kann Spider-Man 2 diese hohen Erwartungen erfüllen und gleichzeitig neue Maßstäbe setzen?
Die Story von Spider-Man 2
Die Geschichte von Marvel’s Spider-Man 2 setzt etwa ein Jahr nach den Ereignissen des Miles Morales-Spiels an. Peter Parker und Miles Morales haben sich mittlerweile als eingespieltes Duo etabliert und teilen sich die Verantwortung für New York City auf. Doch die Ruhe währt nicht lange: Mit Kraven dem Jäger (eindrucksvoll vertont von Jim Pirri) taucht ein neuer Antagonist auf, der es auf die „größte Beute“ der Stadt abgesehen hat – die beiden Spider-Men und andere Superschurken.
Parallel dazu kehrt auch das außerirdische Symbiont zurück, das schon in den Comics für so viel Drama gesorgt hat. Ohne zu viel zu verraten: Die schwarze, außerirdische Substanz findet ihren Weg zu Peter Parker und verändert nicht nur sein Aussehen, sondern auch sein Verhalten auf drastische Weise. Was als scheinbarer Segen beginnt – neue Kräfte, gestärkte Fähigkeiten – entwickelt sich schnell zu einem Fluch, der Peters Beziehungen zu Miles, MJ und seinen Freunden auf eine harte Probe stellt.
Die Charakterentwicklung ist dabei eines der Highlights der Geschichte. Während Peter mit der Versuchung der neuen Macht kämpft, muss Miles lernen, mehr Verantwortung zu übernehmen und notfalls auch gegen seinen Mentor anzutreten. Die Dynamik zwischen beiden Protagonisten ist authentisch und emotional packend inszeniert. Besonders beeindruckend ist dabei, wie Insomniac es schafft, beiden Charakteren genügend Entwicklungsraum zu geben, ohne dass einer von ihnen in den Hintergrund gedrängt wird.
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Gameplay und Mechaniken
Das Schwingen durch Manhattan war schon in den Vorgängern das absolute Highlight, und auch in Spider-Man 2 ist es ein wahres Vergnügen, sich durch die Häuserschluchten von New York zu katapultieren. Insomniac hat das bereits perfektionierte System noch einmal verfeinert und durch neue Moves erweitert. Besonders die Web Wings, die von Miles‘ neuem Anzug inspiriert sind, bringen frischen Wind ins Bewegungssystem. Mit ihnen lassen sich größere Distanzen überbrücken und spektakuläre Gleitmanöver ausführen, die das ohnehin schon befriedigende Fortbewegungssystem noch vielseitiger machen.
Das Kampfsystem baut auf den bewährten Grundlagen auf, bietet aber durch die Möglichkeit, zwischen Peter und Miles zu wechseln, neue taktische Optionen. Jeder der beiden Helden hat seine eigenen Fähigkeiten und Gadgets: Peter kann mit seinen mechanischen Armen (inspiriert von Doc Ock) und später mit den Symbiont-Kräften zuschlagen, während Miles seine Bioelektrizität und Tarnfähigkeiten einsetzt. Die Kämpfe fühlen sich dadurch nie monoton an, zumal das Spiel geschickt zwischen Action-Sequenzen mit einem Spider-Man und kooperativen Kämpfen mit beiden Helden wechselt.
Besonders hervorzuheben sind die Bosskämpfe, die cinematisch inszeniert sind und oft mehrere Phasen umfassen. Ohne zu viel zu spoilern: Die Auseinandersetzungen mit Kraven, Venom und anderen ikonischen Gegenspielern gehören zu den spektakulärsten Momenten, die ich in einem Superhelden-Spiel erlebt habe. Hier wird deutlich, dass Insomniac nicht nur technisch, sondern auch kreativ einen großen Sprung gemacht hat.
Grafik und Präsentation
Optisch ist Marvel’s Spider-Man 2 schlichtweg atemberaubend. Die PS5-Hardware wird voll ausgereizt, und das merkt man in jedem Frame. New York City wirkt lebendiger denn je, mit deutlich mehr Verkehr, Passanten und Details in der Architektur. Die Beleuchtung ist besonders beeindruckend – egal ob die goldenen Stunden des Sonnenuntergangs oder die neonbeleuchtete Nacht, jede Tageszeit hat ihren eigenen visuellen Charakter.
Die Charaktermodelle sind ebenfalls auf höchstem Niveau. Die Gesichtsanimationen während der Cutscenes sind so realistisch, dass man zeitweise vergisst, ein Videospiel zu spielen. Besonders die Darstellung des Symbionten ist visuell beeindruckend – die Art, wie die schwarze Masse über Peters Anzug kriecht und sich bewegt, ist sowohl faszinierend als auch beunruhigend.
Technisch läuft das Spiel in beiden verfügbaren Modi (Performance und Fidelity) stabil. Im Performance-Modus mit 60 FPS fühlt sich das Schwingen noch flüssiger an, während der Fidelity-Modus mit seinen 30 FPS die visuellen Details noch stärker zur Geltung bringt. Die Ladezeiten sind dank der SSD praktisch nicht vorhanden – ein Segen für ein Open-World-Spiel dieser Größe.
Sound und Musik
Akustisch setzt Spider-Man 2 die hohen Standards der Vorgänger fort. Yuri Lowenthal (Peter Parker) und Nadji Jeter (Miles Morales) liefern erneut überzeugende Leistungen ab und verleihen ihren Charakteren Tiefe und Authentizität. Die Chemie zwischen beiden Sprechern ist spürbar und macht die emotionalen Momente der Story noch wirkungsvoller.
Der Soundtrack von John Paesano greift die bekannten Themen der Vorgänger auf und erweitert sie um neue, düsterere Töne, die perfekt zur Symbiont-Story passen. Besonders die Kampfmusik ist dynamisch und passt sich dem Geschehen an – wird der Kampf intensiver, wird auch die Musik dramatischer.
Die Soundeffekte verdienen ebenfalls Lob. Das Geräusch der Spinnenweben, die sich an Gebäuden festsetzen, die knackenden Geräusche bei erfolgreichen Treffern oder das bedrohliche Grollen des Symbionten – all das trägt zur immersiven Atmosphäre bei. Mit einem guten Headset oder Soundsystem kommt die akustische Kulisse von New York richtig zur Geltung.
Open World und Aktivitäten
Das New York von Spider-Man 2 ist nicht nur schöner, sondern auch größer als in den Vorgängern. Erstmals können beide Boroughs Queens und Brooklyn erkundet werden, was die Spielwelt erheblich erweitert. Jeder Stadtteil hat seinen eigenen Charakter – von den noblen Vierteln Manhattans bis zu den raueren Gegenden von Brooklyn.
Die Nebenaktivitäten sind vielfältig, auch wenn nicht alle gleich innovativ sind. Neben den klassischen Sammelobjekten (Rucksäcke, Fotospots) gibt es neue Aktivitäten wie das Symbiont-Nester-System oder die Marko-Erinnerungen, die tiefere Einblicke in die Lore der Spielwelt gewähren. Besonders gelungen sind die Citizen Request-Missionen, die kleine Geschichten erzählen und New York lebendiger machen.
Etwas schade ist, dass manche Aktivitäten zu repetitiv werden können. Nach dem zehnten Verbrechercamp oder der fünfzehnten Verfolgungsjagd wünscht man sich mehr Abwechslung. Hier hätte Insomniac ruhig mutiger sein können und unkonventionellere Aufgaben einbauen können.
Die dunkle Seite der Macht – Das Symbiont-System
Eines der interessantesten neuen Features ist das Symbiont-System, das Peter neue Fähigkeiten verleiht, aber auch seine Persönlichkeit verändert. Gameplay-technisch eröffnen die Symbiont-Kräfte neue Kampfmöglichkeiten – von tentakelartigen Angriffen bis hin zu verheerenden Flächenangriffen. Diese Fähigkeiten fühlen sich mächtig an, was perfekt zur Story-Entwicklung passt.
Narrativ ist das Symbiont jedoch der wahre Star des Spiels. Die Art, wie es Peters Verhalten verändert – erst subtil, dann immer drastischer – ist psychologisch überzeugend dargestellt. Man erlebt als Spieler hautnah mit, wie Peter langsam die Kontrolle verliert und Entscheidungen trifft, die man normalerweise nie getroffen hätte. Das ist großartiges Storytelling, das zeigt, wie sehr sich Insomniac Games in den letzten Jahren als Erzähler weiterentwickelt hat.
Technische Perfektion und kleine Makel
Spider-Man 2 ist technisch nahezu makellos. Die bereits erwähnten kurzen Ladezeiten, die stabile Framerate und die beeindruckende Grafik machen das Spielerlebnis rundum zufriedenstellend. Auch das haptische Feedback des DualSense-Controllers wurde clever eingesetzt – man spürt förmlich, wie sich die Spinnenweben spannen oder wie sich die Symbiont-Masse ausbreitet.
Kleinere Kritikpunkte gibt es dennoch: Gelegentlich kommt es zu kleinen Clipping-Fehlern beim Web-Swinging, und manchmal reagieren NPCs etwas träge auf die Aktionen des Spielers. Das sind aber Kleinigkeiten, die das Gesamterlebnis nicht trüben.
Was mich persönlich etwas gestört hat, ist die teilweise vorhersehbare Struktur mancher Story-Missionen. Insomniac folgt oft einem bewährten Muster: Cutscene, Action, Stealth-Passage, Bosskampf. Das funktioniert gut, wird aber nach 20+ Stunden etwas repetitiv.
Fazit zu Marvel’s Spider-Man 2
Insomniac Games hat mit Marvel’s Spider-Man 2 ein Superhelden-Spiel abgeliefert, das in praktisch allen Belangen überzeugt. Die emotionale Geschichte um Peter Parker und das Symbiont ist packend erzählt und wird durch die exzellenten schauspielerischen Leistungen zum Leben erweckt. Die Beziehung zwischen Peter und Miles ist authentisch und entwickelt sich glaubwürdig weiter.
Gameplay-technisch baut das Spiel auf den bewährten Grundlagen auf und verfeinert sie, ohne das Rad neu zu erfinden. Das Web-Swinging ist nach wie vor das beste, was das Medium zu bieten hat, und die erweiterten Kampfmechaniken sorgen für Abwechslung. Die Bosskämpfe gehören definitiv zu den Highlights des Genres.
Optisch und akustisch setzt Spider-Man 2 neue Maßstäbe. Die technische Umsetzung auf PS5 ist beeindruckend und zeigt, was mit der aktuellen Konsolengeneration möglich ist. New York City war noch nie so detailreich und lebendig.
Kleine Abzüge gibt es für die teilweise repetitive Struktur der Nebenaktivitäten und die vorhersehbare Mission-Struktur. Diese Punkte trüben aber nicht das hervorragende Gesamtpaket.
Marvel’s Spider-Man 2 ist ein würdiger Nachfolger, der die Serie auf ein neues Level hebt. Fans der Vorgänger werden definitiv auf ihre Kosten kommen, aber auch Neueinsteiger können bedenkenlos zugreifen. Insomniac Games hat erneut bewiesen, dass sie die aktuell besten Superhelden-Spiele entwickeln können. Mit großer Macht kommt große Verantwortung – und dieser Verantwortung wird Spider-Man 2 in vollem Umfang gerecht.