Mit Metro Exodus wagt sich 4A Games erstmals seit dem Franchise-Start aus den dunklen Tunneln der Moskauer Metro heraus und schickt uns in die weiten, verstrahlten Landschaften eines post-apokalyptischen Russlands. Nach Metro 2033 (2010) und Metro: Last Light (2013), die beide ausschließlich in den unterirdischen Tunnelsystemen spielten, ist das definitiv der größte Schritt, den die ukrainischen Entwickler bisher gewagt haben. Basierend auf Dmitry Glukhovskys gleichnamigem Roman verlässt Protagonist Artyom endlich seine vertraute Unterwelt und begibt sich auf eine Reise quer durch das radioaktiv verseuchte Russland – mit einer umgebauten Dampflokomotive namens „Aurora“.
Story – Von Moskau in die weite Welt
Die Geschichte von Metro Exodus setzt ein Jahr nach den Ereignissen von Last Light an. Artyom hat Anna geheiratet und lebt mit ihr in der Moskauer Metro-Station „Exhibition“. Doch der junge Ranger lässt der Gedanke nicht los, dass es außerhalb der Metro noch andere Überlebende geben könnte. Während die Führung der Spartan Rangers diese Hoffnung längst aufgegeben hat, entdeckt Artyom bei einem seiner heimlichen Ausflüge an die Oberfläche Radiosignale, die beweisen: Da draußen gibt es noch Leben.
Was dann folgt ist eine Odyssee durch vier verschiedene Gebiete Russlands, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von der herbstlichen Wolga-Region über das winterliche Yamantau-Gebirge bis hin zur verstrahlten Wüste des Kaspischen Meeres und dem üppigen Grün von Taiga – jede Region erzählt ihre eigene Geschichte und konfrontiert uns mit völlig anderen Überlebenden und deren Problemen. Die Reise mit der Aurora wird dabei zum emotionalen Kern des Spiels, denn die Crew der umgebauten Lokomotive wird über die Spielzeit hinweg zu einer echten Familie, deren Schicksal uns wirklich am Herzen liegt.
Die Handlung ist deutlich persönlicher geworden als in den Vorgängern. Während in Metro 2033 und Last Light oft das Schicksal der gesamten Metro auf dem Spiel stand, konzentriert sich Exodus auf Artyoms persönliche Reise und die Menschen um ihn herum. Das macht die Geschichte zwar kleiner, aber auch viel greifbarer und emotionaler. Besonders die Charakterentwicklung von Anna und die Beziehung zwischen den Spartanern wird liebevoll ausgearbeitet.
Grafik – Russland war noch nie so schön
Visuell ist Metro Exodus ohne Zweifel der bisher beeindruckendste Teil der Serie. 4A Games hat sich selbst übertroffen und präsentiert uns ein post-apokalyptisches Russland, das trotz aller Verwüstung von atemberaubender Schönheit ist. Die verschiedenen Regionen unterscheiden sich nicht nur spielerisch, sondern auch optisch drastisch voneinander. Während die Wolga-Region mit ihren herbstlichen Farben und dem mystischen Nebel über dem Wasser verzaubert, zeigt uns die Wüste am Kaspischen Meer, wie gnadenlos und lebensfeindlich diese Welt geworden ist.
Besonders beeindruckend ist das Wetter- und Tag-Nacht-System. Wenn ein Sandsturm über die Wüste fegt oder sich bei Sonnenuntergang das Licht golden über die Wolga legt, dann vergisst man schon mal, dass man sich in einer lebensfeindlichen Umgebung befindet. Die Beleuchtung ist absolut erstklassig – egal ob es das warme Glühen der Aurora bei Nacht ist oder die gleißende Mittagssonne in der Wüste.
Die Charaktermodelle sind ebenfalls deutlich detaillierter geworden. Artyom selbst sieht man zwar wie gewohnt nur in Zwischensequenzen und Spiegelungen, aber die NPCs wirken lebendig und authentisch. Besonders die Animationen während der Dialoge auf der Aurora sind sehr gelungen und tragen viel zur Atmosphäre bei. Man merkt, dass hier viel Liebe zum Detail reingesteckt wurde.
Sound – Atmosphäre zum Gruseln
Audiovisuell war die Metro-Serie schon immer Spitzenklasse, und Exodus setzt diese Tradition nahtlos fort. Der Sound-Design ist schlichtweg phänomenal. Jede Region hat ihre eigenen akustischen Eigenarten: Das Plätschern des Wassers und die Rufe der Wasservögel an der Wolga, das Heulen des Windes in den Bergen oder das bedrohliche Grollen von Sandstürmen in der Wüste. Dazu kommen die Geräusche der vielen Mutanten, die einen auch ohne Sichtkontakt das Fürchten lehren können.
Die Synchronisation ist sowohl in der deutschen als auch in der russischen Sprachfassung hervorragend. Wer das authentische Erlebnis möchte, sollte definitiv zur russischen Vertonung mit deutschen Untertiteln greifen – die Sprecher transportieren die slawische Melancholie perfekt und machen die Charaktere noch glaubwürdiger. Die deutsche Synchronisation ist aber ebenfalls solide und keinesfalls ein Grund zur Klage.
Der Soundtrack von Alexey Omelchuk unterstreicht perfekt die verschiedenen Stimmungen der Reise. Von melancholischen Gitarren-Melodien bis hin zu bedrohlichen Ambient-Klängen während der Kampfsequenzen – musikalisch stimmt hier einfach alles. Besonders die ruhigen Momente auf der Aurora, wenn die Crew zusammensitzt und erzählt, werden durch die Musik zu echten Gänsehaut-Momenten.
Gameplay – Zwischen Stealth und Action
Spielerisch ist Metro Exodus der bisher vielseitigste Teil der Serie. Während die Vorgänger größtenteils linear waren, bietet Exodus deutlich mehr Freiheiten. Die verschiedenen Gebiete sind zwar nicht wirklich Open World, aber groß genug, um verschiedene Ansätze zu ermöglichen. Man kann Feinde umschleichen, sie frontal angreifen oder oft sogar komplett vermeiden. Diese Wahlfreiheit tut dem Spiel sehr gut und macht jeden Spielstil möglich.
Das Crafting-System wurde deutlich ausgebaut. An Werkbänken kann man seine Waffen modifizieren und verbessern, aber auch unterwegs lassen sich aus gefundenen Materialien Munition, Medipacks und andere nützliche Gegenstände herstellen. Das verleiht dem Survival-Aspekt mehr Gewicht, ohne dabei zu kompliziert zu werden. Man muss schon aufpassen, dass man nicht ohne Munition oder Filter für die Gasmaske dasteht, aber es ist nie unfair schwierig.
Die Steuerung geht gut von der Hand, auch wenn sie sich etwas träger anfühlt als in anderen Shootern. Das passt aber zur Atmosphäre des Spiels – Artyom ist kein Supersoldat, sondern ein normaler Mensch in einer lebensfeindlichen Umgebung. Die Waffen fühlen sich kraftvoll und authentisch an, wobei jede ihre eigenen Eigenarten hat. Besonders die selbstgebauten Waffen der verschiedenen Überlebenden-Gruppen sind sehr kreativ designt.
Ein besonderes Lob verdient das moralische System. Wie schon in den Vorgängern werden unsere Entscheidungen bewertet, aber diesmal viel subtiler. Es gibt keine offensichtlichen „Gut“ oder „Böse“-Entscheidungen, sondern oft muss man abwägen zwischen verschiedenen Grauschattierungen. Das macht die Entscheidungen schwerer und emotionaler.
Die Aurora – Ein Charakter für sich
Die umgebaute Dampflokomotive Aurora ist mehr als nur ein Fortbewegungsmittel – sie ist das Herz des Spiels. Zwischen den Missionen kann man durch die verschiedenen Waggons wandeln, mit der Crew sprechen und deren Geschichten erfahren. Jeder Charakter hat seine eigene Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte, die über die Reise hinweg erzählt wird. Man baut wirklich eine emotionale Bindung zu diesen Menschen auf.
Besonders schön sind die ruhigen Momente, wenn alle zusammensitzen und Gitarre spielen oder sich Geschichten erzählen. Diese Szenen sind völlig optional, aber sie machen den Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Spiel aus. Man merkt, dass 4A Games verstanden hat, was die Serie ausmacht: Es geht nicht nur um Action und Horror, sondern um Menschen, die in einer unmenschlichen Welt versuchen, ihre Menschlichkeit zu bewahren.
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Länger als erwartet
Mit etwa 20-25 Stunden Spielzeit ist Metro Exodus deutlich umfangreicher als seine Vorgänger. Wer alle Nebenaktivitäten mitmacht und jeden Winkel erkundet, kann sogar noch länger beschäftigt sein. Die Pacing ist dabei sehr gut gelungen – es gibt intensive Action-Sequenzen, aber auch ruhige Erkundungsphasen und emotionale Zwischensequenzen auf der Aurora.
Wiederspielwert ist definitiv vorhanden. Durch die verschiedenen Lösungsansätze und das moralische System lohnt es sich, das Spiel mehrfach durchzuspielen. Zudem gibt es in jeder Region Geheimnisse zu entdecken und Geschichten zu erfahren, die man beim ersten Durchgang leicht übersehen kann.
Fazit zu Metro Exodus
4A Games hat mit Metro Exodus alles richtig gemacht. Der Schritt aus der Metro heraus war genau das, was die Serie gebraucht hat. Die verschiedenen Regionen bieten Abwechslung, ohne die typische Metro-Atmosphäre zu verlieren. Die Geschichte ist emotional packend, die Technik beeindruckend und das Gameplay hat endlich die Vielseitigkeit erreicht, die sich viele Fans gewünscht haben.
Sicher, manche werden die klaustrophobische Enge der Metro-Tunnel vermissen, und gelegentlich wirken die größeren Gebiete etwas leer. Aber das sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was Exodus richtig macht. Die Charakterentwicklung, die verschiedenen Regionen, das verbesserte Gameplay und die technische Brillanz machen dies zum bisher besten Metro-Spiel.
Für Fans der Serie ist Metro Exodus ein absolutes Muss. Aber auch Neueinsteiger können hier problemlos einsteigen – die wichtigsten Ereignisse der Vorgänger werden erklärt, und die Geschichte funktioniert auch für sich allein. Wer atmosphärische Shooter mit starker Erzählung mag, wird an Metro Exodus seine helle Freude haben. Nach der langen Reise mit Artyom und der Aurora-Crew freue ich mich jetzt schon darauf zu sehen, wohin uns 4A Games als nächstes führen wird. Hoffentlich dauert es nicht wieder sechs Jahre bis zum nächsten Metro-Abenteuer.
Wertung: 8.5/10 – Ein würdiger Nachfolger, der die Serie in neue Höhen führt, ohne ihre Seele zu verlieren.