Need for Speed Heat hatte es bei der ersten Ankündigung sicher nicht leicht, die Reihe hat in den letzten Jahren recht viele Titel hervorgebracht und einige davon waren nicht so wirklich überzeugend. Vor allem bei den letzten drei Titeln, allesamt aus dem Hause Ghost Games, zeigt die Kurve doch recht steil bergab. Mit Need for Speed: Hot Pursuit hatte Criterion 2010 quasi ein Paradestück geliefert und einen Vorzeigetitel kreiert der so ziemlich alles beinhaltet was die meisten Serien-Fans mögen und das auch noch mit einer überzeugenden Präsentation. Davor und danach gab es mit den Shift-Ablegern von den Slightly Mad Studios zwei Klasse Games, die zwar ein etwas anderes Konzept verfolgten, aber auch grandios ankamen. Der Erfolg des Studios führte sich ja dann mit Project Cars fort, während Need for Speed sich auf eine etwas seltsame Reise begab. NfS Nitro von EA Montreal, das sich noch dazwischen quetschte, konnte nicht so richtig überzeugen und so ließ man in der Folge EA Black Box wieder ran. Das wird bei den Fans, trotz des eher schwachen NfS Undercover, sicher reihenweise Freudentränen ausgelöst haben. Immerhin ist dieses Studio für Need for Speed Underground und den direkten Nachfolger verantwortlich gewesen, die bei nicht nur gut waren, sondern zu den absoluten Fan-Lieblingen zählen. Was dann folgte, war eher enttäuschend und hört auf den Namen NfS Run. Im Anschluss lieferte Criterion mit Most Wanted erneut ein Reboot eines beliebten Ablegers, der auch wieder überzeugen könnte. Danach übergab man dann das Lenkrad an Ghost Games, was die bisher lieferten, wurde ja eingangs schon angedeutet.
Aber da ist Licht am Ende des Tunnels, denn scheinbar hat man sich noch mal intensiv mit der Serie auseinandergesetzt, zudem scheinbar auch ein wenig auf die Community gehört. Um so mehr von Need for Speed Heat zu sehen war, desto überzeugender wurde der Eindruck von diesem kommenden Racer. Irgendwann kam dann der Punkt, wo man das Gefühl bekam, das es sich um einen Weg zurück zu den beliebten Underground und Most Wanted, natürlich garniert mit ein paar frischen Ansätzen.
Das Ergebnis sind tiefgreifende Fahrzeuganpassungen und turbulente Verfolgungsjagden. Angelegt in einer modernen Spielwelt, die technisch was zu bieten hat und in der sogar Steinmauern bröckeln und Bäume zersplittern, wenn man vom Kurs abkommt. Ein wahre Frischzellenkur und eine erstaunliche Kehrtwende, im Gegensatz zum vorherigen Payback. Palm City heißt der neue Spielplatz von Need for Speed Heat, und die neonbeleuchtete, scheinbar stark von Miami inspirierte Karte passt hervorragend zum recht klassischen Need for Speed-Konzept. Man hat ein wenig das Gefühl das Need for Speed (2015) ein wenig ein Proof of Concept war, das schon ganz gut funktionierte, mit NfS Payback teilweise in eine falsche Richtung ging und nun versucht man halt einen anderen Ansatz. Das scheint dir richtige Entscheidung gewesen zu sein.
Blasse Tage und strahlende Nächte
Die Stadt selbst stellt hier das große Highlight dar- die umliegende Landschaft ist ein wenig unscheinbar – es gibt aber noch ein paar andere coole Orte außerhalb, darunter ein Mini-Raumfahrtzentrum im Cape Canaveral-Stil, ein lustiges verlassenes Renn-Oval und einen großen Containerhof. Die Map ist nicht riesig, wenn man es z. B. mit der Größe von etwas so wahnsinnig Ehrgeizigem wie The Crew 2 vergleicht und bei genauerem Hinsehen auch etwas leblos, aber es ist weitaus stimmiger als NfS Payback und sorgt für ein interessanteres Fahrerlebnis. Im Grunde sind hier zwei unterschiedliche Rennerfahrungen zu entdecken. Tagsüber finden in Palm City regelmäßige, sanktionierte Straßenrennen auf markierten Strecken statt. Bei diesen gibt es Geldpreise und man kann seine Kasse füllen. Bei den Nachtrennen geht es um illegale Rennen und um die Flucht vor der Polizei, zum Steigern des Ansehens. Beides ist notwendig, um die in Need for Speed Heat voranzukommen. Die Story ist nicht sehr umfangreich; es handelt sich eher um eine gelegentliche Ablenkung von den regulären Rennveranstaltungen und eher um einen losen dünnen roten Faden. Gegen Ende gibt es einen netten Fan-Service, aber letztendlich sie keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das ist aber im Grund so auch ok, denn story-fokussierter hat es ja zuletzt nicht so gut funktioniert. Erwähnenswert ist auch, dass Need for Speed Heat online (andere Spieler können an den Veranstaltungen teilnehmen) oder komplett offline gespielt. Man muss sich im Hauptmenü für einen der beiden Modi entscheiden; er ist nicht ganz so elegant wie der nahtlose Online-/Offline-Wechsel, der beispielsweise bei den Forza Horizon-Spielen möglich ist.
Anfangs ist das recht einzigartige Tageszeit-Umschaltsystem eventuell noch etwas gewöhnungsbedürftig. Irgendwann wird man damit aber warm und lernt es zu schätzen. Man kann sich auf das zu konzentrieren, was man gerade bevorzugt benötigt. Wenn man Geld für Teile und Autos braucht, fährt man einfach tagsüber Rennen. Heat sieht bei Tageslicht etwas schlichter aus – fällt bei 180 km/h natürlich weniger auf, als bei genauem hin sehen – aber die Rennen sind anständig in Szene gesetzt. Wie bereits erwähnt ist die Umgebung zerstörbar und auch die Leitplanken sind echte interaktive Objekte, wer gerne über Bande fährt, muss hier umdenken. Wenn man aktuell eher erpicht darauf ist sein Ansehen auf den Straßen von Palm City zu erhöhen, um mich für weitere Einsätze und stärkere Leistungssteigerungen zu qualifizieren, fährt man halt bevorzugt des Nachts. In der Nacht bietet sich auch das absolut überlegene und eindrucksvollere visuelle Erlebnis, besonders wenn es regnet. Richtig aufregend wird es, wenn man dann Rennen mit hohem Verkehrsaufkommen fährt, dem man ausweichen muss und den aggressiveren Polizisten, mit denen man auch noch fertig werden muss.
In Need for Speed Heat sind die Verfolgungsjagden mit den Cops nicht wie in Payback auf vorgegebene Zeitfahrstrecken beschränkt; man hat jetzt die Freiheit, in jede Richtung zu entkommen. Sie sind allerdings auch ein ganzes Stück härter; zumindest so lange, bis man sich die besten und leistungsstärksten Upgrades sichern kann. Während man sie in „Payback“ rammen und auf die Seite drängen konnte, kann man sich in „Heat“ nicht wirklich auf identische Weise mit den Cops anlegen. Es gibt jetzt einen Schadenswert für das eigene Auto. Man kann sich also zwar ein wenig wehren und bis zu dreimal pro Nacht an Tankstellen sofortige Reparaturen verdienen, aber wenn man zu viel raue Aktion bringt, wird man möglicherweise den Kürzeren ziehen und verhaftet.
Die Garage ist voller „Heißer Sachen“
Es gibt schon eine gute Auswahl an verschiedenen Autos, beispielsweise es eine riesige Auswahl an modernen Superautos, die einen wichtigen Teil der ursprünglichen DNA von Need for Speed ausmachen, aber dafür recht wenige Ikonen aus den 90er Jahren. Und im Regen kommen die meisten Fahrzeuge richtig gut zur Geltung und selbst kleine Regentropfen sind zu erkennen, die an den Seitenwänden herunterrieseln, schade dass dabei niemand daran gedacht hat die Scheibenwischer zu animieren. Das sah nämlich schon 1997 bei Need for Speed II SE mit der 3dfx Voodoo 3D klasse aus.
Das Upgrade-System von Heat ist eine gigantische Verbesserung gegenüber Payback. Zum Zeitpunkt dieses Tests sind in Need for Speed Heat keine Mikrotransaktionen oder Lootboxen verfügbar und laut Entwickler Ghost ist eine Rückkehr zu den verschiedenen Währungen, Lootboxen und Zufallskarten, die die Wirtschaft von Payback getötet haben, nicht in Sicht. Stattdessen wurden nach der Veröffentlichung kostenpflichtige DLC in Form von Auto-Packs bestätigt, was grundsätzlich in Ordnung geht.
Ein großer Neuzugang bei den Features ist der Tausch von Motoren, was großartig ist, weil man so das Gesamtpotenzial von Autos erhöhen kann, die zuvor bereits ihre Leistungsgrenze erreichten. Aber noch cooler ist die Auspuffabstimmung, die eine zusätzliche Feinabstimmung, der ohnehin schon exzellenten Optionen ermöglicht. Es ist schon ziemlich subtil, aber wirklich ein feines Detail.
Fazit
Auch wenn sich Need for Speed Heat ein wenig wie eine Collage, aus bestehenden Need for Speed-Konzepten anfühlt und nicht wie ein vor lauter Selbstvertrauen glühendes Statement, hat Ghost diese Ideen sicherlich aus einigen der beliebtesten Teile der jetzt 25 Jahre alten Serie zusammengesucht und zu einem insgesamt überzeugenden Vertreter der Reihe zusammengeschraubt. Heat kann sich nicht in jedem Bereich uneingeschränkt überzeugen, macht aber Spaß und ist ein Wegweiser in die richtige Richtung. Definitiv eines der Besten Need for Speed-Spiele der letzten Jahre.