Eishockey ist ein schneller Sport, rasante Spielzüge dominieren das Geschehen, die oftmals nur durch harten körperlichen Einsatz unterbunden werden können. Die NHL-Spiele von EA Sports blicken auf eine fast 20-jährige Geschichte zurück, denn bereits 1991 erschien das erste Eishockey-Spiel mit NHL-Lizenz und dem simplen Namen NHL-Hockey (in Europa als EA Hockey, da leider noch ohne Lizenz). Damit gibt es die Reihe sogar länger als die FIFA-Serie, wobei natürlich Fußball hierzulande schon damals um einiges populärer war. Trotzdem mauserte sich NHL im Laufe der Reihe zeitweise zum absoluten Vorzeigetitel im Sportgenre, zudem gibt es bei dieser Sportart auch keine wirkliche (virtuelle) Konkurrenz. Trotzdem gibt es schon seit einiger Zeit einen Kritikpunkt der besonders mit der eingangs angesprochenen Schnelligkeit und dem rasanten Ablauf eines Eishockey-Matches zu tun hat. Viele Spieler empfinden NHL nämlich als etwas zu langsam, um wirklich realistisch zu sein. Darum scheint man sich bei EA für dieses Jahr scheinbar besonders auf diesen Bereich fokussiert zu haben, denn die Feature-Liste enthält dahingehend einige interessante Details.
Dafür hat man aber nicht einfach simpel irgendwo an der Geschwindigkeitsschraube gedreht, sondern sich tatsächlich mit spielrelevanten Details auseinandergesetzt. Das fängt zum Beispiel damit an das man nun einfacher schöne One Timer hinbekommen kann und nicht mehr darauf angewiesen ist das einem der Pass Millimeter- und millisekundengenau auf den Stock gespielt wird. Des Weiteren ist es sehr erfreulich das man sich ab sofort auch an flüssigeren und geschmeidigeren Schussanimationen erfreuen darf. Auch gibt es eine erfreuliche Auswahl an neuen Animationen. Nicht das NHL vorher auffällig schlecht aussah oder besonders gravierende Mängel aufwies, aber NHL 20 hat schon einen tollen Schritt gemacht sich optisch wie richtiges Eishockey zu präsentieren.
Auch die Torhüter haben in dieser Disziplin einen Sprung nach vorne gemacht, hübsche Paraden und Bewegungen, die nicht irgendwo zwischen hölzerner Marionette und Schlangenmensch einzuordnen sind, sondern sich um einiges realistischer präsentieren. Allerdings gab es während unserer zahlreichen Test-Matches Situationen in höheren Schwierigkeitsgraden, die den Eindruck machten, als wäre die KI den Schritt nicht mitgemacht. Oder anders ausgedrückt schien der Körper dem Geist nicht zu gehorchen, denn es gab Situationen, in denen der Goalie stark überfordert wirkte und nicht selten schmiss er sich minimal neben den Puck so das ein Abstauber möglich war. Das wirkte weniger wie ein dem Realismus geschuldeter Fehlermoment, sondern tatsächlich wie ein kleiner KI-Bug. Da wird hoffentlich noch mit Patches nachgebessert.
Ein kleines weiteres Manko das weiterhin dazu führt, das sich einige Spielsituationen etwas unrealistisch anfühlen ist die Tatsache das fast jede längere Körperberührung dazu führt das der Gegenspieler von den Kufen gehauen wird. Das führt oft zu einer unschönen Unterzahl Situation, wenn der Spieler erst mal sekundenlang auf dem Eis liegt. Gerade jetzt durch das leicht rasantere Gameplay wiegt das recht schwer. Hier wäre es für die Zukunft wünschenswert, wenn körperlich Überlegene oder besonders fähige Spieler dem Gegner die Scheibe einfach technisch sauber abnehmen können.
Abgesehen von den Änderungen am aktiven Spielablauf, wurde auch ein wenig am drumherum gearbeitet. In NHL 20 bringt nämlich ein neues Team einen neuen Ton und jede Menge frischer Energie in die virtuelle Kommentatorenbox. James Cybulski (Spielkommentator und erfahrener Mann aus Funk und Fernsehen) und Ray Ferraro (bisher dritter Kommentator) sind jetzt die Experte am Mikrofon. Ferraro liefert noch tiefere Einblicke ins Spiel, da er selbst zwei Jahrzehnte lang in der NHL gespielt hat und mittlerweile für ESPN, NBC und TSN arbeitet. Das sind also die beiden neuen Namen und lösen die bisherigen Kommentatoren Doc Emrick und Eddie Olczyk ab. Ob dies eine positive Veränderung können wir an dieser Stelle gar nicht so wirklich sagen, aber zumindest ist es eine willkommene Abwechslung. Allerdings kommt es auch bei diesen Herren zu Wiederholungen und Dead-Mic-Momenten. Obwohl EA hier wohl enorm viel zusätzliches Material aufgenommen hat Es gab Situationen z. B. wenn ein Neuling alleine zum Aufwärmen rausgeschickt wurde oder ein Spieler mit einer schweren Verletzung den Tunnel hinunterging, als die Kommentare ausblieben. Hier könnte man vielleicht auch noch nachbessern, denn so etwas kann die Atmosphäre enorm runterziehen, bzw. würde den Realismus der Simulation enorm steigern.
Der Kommentar passt aber sonst gut zu dem überarbeiteten System. Jede Periode endet mit einem Highlight, dass einen intelligent gewählten großen Moment zeigt, und die dynamischen Slow-Motion-Kameras machen es viel besser als das vorherige System. Die Einblendung von Spielerfotos nach einem Tor ist ebenfalls eine feine Sache, auch wenn dieses Feature die Kritiker, die fordern das EA nicht genug tut, um die Spielerbilder zu verbessern, zu weiteren Beschwerden animieren könnte. Wenn man sieht, wie ein Spieler im Vergleich zu seinem offensichtlich unzureichenden In-Game-Modell aussieht, wird deutlich, wie wenig Arbeit investiert wurde, diesen Teil von NHL 20 authentisch zu gestalten. Allerdings gibt es diese Kritik ja auch teilweise bei FIFA.
EA traf zudem die fragwürdige Entscheidung, den beliebten wettbewerbsfähigen EASHL-Onlinemodus weitgehend unberührt zu lassen. Es wurde wenig getan, um das Ladesystem zu verbessern, nachdem es letztes Jahr eingeführt wurde, und die schreckliche KI macht den Modus geradezu unangenehm, wenn man nicht genug Freunde online hat, um eine ganze Liste auszufüllen. Die Verteidiger schließen sich dem Angriff immer noch mit wilder Hingabe an und lassen deinen Torwart bei jeder Gelegenheit den Gegenstößen alleine ausgesetzt.
Dafür investierte EA in die weitere Ausgestaltung der auf Arcade fokussierten World of Chel-Modi wie Ones und Threes, die nun neue Outdoor-Eisbahnen, Turniere in längerer Form und eine größere Auswahl an kosmetischen Belohnungen bieten. Die neuen wöchentlichen Herausforderungen reizen mit verlockenden Gegenständen, wie beispielsweise seltene Trikots. Die Platzierung des Hardcore EASHL im gleichen Bereich wie die arcadefokussierten Modi ist in dieser Hinsicht eine etwas kuriose Entscheidung.
NHL 20 mag EASHL-Fans vielleicht nicht viel neues zu bieten, setzt aber erfreulicherweise den längst überfälligen Franchise-Modus-Umbau mit einem neuen Coaching-System fort, welcher sich stark auf das Teambuilding auswirkt. Jeder Organisation werden acht Trainer zur Verfügung stellt, die Sie nach Belieben einstellen und feuern lassen. Wie im wirklichen Leben hat jeder Trainer seine eigene Philosophie, wie die Mannschaft spielen und agieren soll und das beeinflusst auch, welche Spieler ins System passen, wie ihre Karriere verläuft und wie sich die Chemie unter den einzelnen Teammitgliedern entwickelt. Das komplexe System braucht Zeit, um sein Potenzial zu entfalten. Am Anfang wirkt es etwas verwirrend und komplex, macht aber dann doch Sinn und vor allem auch Spaß. Seltsamerweise kann man keine Trainer anderer Mannschaften abwerben, was auch wieder ein wenig auf die Realismus-Bremse drückt. Immerhin ist sowas in der Realität ja Gang und gebe und so ein Coaching-Karussel wurde es zusätzlich spannender und fordernder gestalten. Auch das Trading-System bekam einen leichten Push und fühlt sich etwas komfortabler an, auch wenn manche Features noch nicht wirklich sauber laufen. Das System ist also noch nicht ganz perfekt, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie die anderen Spiele von EA Sports verfügt auch NHL 20 über einen mikrotransaktionsgetriebenen Modus – Hockey Ultimate Team (HUT). Man verdient Geld, indem man Herausforderungen meistert und sich online der Konkurrenz stellt. Nach kurzer Zeit bekommt man genug Credits für Spielertransfers oder hat bereits einige Spieler gezogen. Das erste Team steht, allerdings wird es von den Werten eher nicht im Top-Bereich angesiedelt sein und auch die Zusammenstellung wird noch recht willkürlich wirken. Von hier an beginnt der Feinschliff, um ein optimales Team zusammenstellen zu können und konkurrenzfähig zu bleiben. Allerdings merkt man schnell, wie bei anderen Modi dieser Art auch, dass HUT eindeutig von Leuten dominiert wird, die entweder Hunderte von Stunden spielen, um sich Elite-Karten zu verdienen, oder die die Abkürzung nehmen und dafür bezahlen. Diejenigen, die auch in diesem Jahr vorhaben, eine Mannschaft im Hockey Ultimate Team aufzubauen, werden in NHL 20 nicht viel Neues finden, außer einer neuen Karteneröffnungsanimation, neuen legendären Spielern und dem Squad Battles-Modus, der erstmals in FIFA eingeführt wurde und für NHL übernommen wurde. Dieser Modus ermöglicht es, in Offline-Spielen gegen die Mannschaften anderer Spieler um einzigartige Belohnungen zu kämpfen. Die Verbesserungen sind schön, aber HUT fehlt es noch an Tiefe, wie man sie in Madden und FIFA findet. Dasselbe gilt übrigens auch für Be A Pro und den Karrieremodus. EA fügte nichts von Bedeutung hinzu, auch wenn hier ein Umbau wünschenswert wäre.
Fazit
Je nachdem, welchen Modus man gerade favorisiert, kommt einem NHL 20 entweder wie ein Aufguss des Vorjahres vor, oder man bemerkt einen spürbaren Fortschritt. Die Action auf dem Eis präsentiert sich dank des überarbeiteten Aufnahmesystems realistischer und die Arcade-Modi der World of Chel gewinnen etwas mehr an Tiefe. Der frustrierende Mangel an Änderungen für EASHL und Be A Pro untergräbt jedoch den Eindruck das es stark vorangeht. Insgesamt ist NHL 20 ein tolles Eishockeyspiel und würde sich, selbst wenn es Konkurrenz gäbe, von dieser klar absetzen können. Wer nach einer Pause mal wieder zu NHL greift, dem wird ein extrem positives Gesamtbild geboten. Treue Fans die jährlich mitziehen hätten sich letztendlich wohl über eine diesjährige Pause nicht beschwert.
Eine viel bessere Rate im Vergleich zu NHL 19. Die Grafik und die Spielerbewegungen sind so viel besser. Ich kann ehrlich sitzen und chaos um stundenlang mit all den coolen neuen Stick bewegt, die Sie tun können.