Manhattan brennt. Nicht im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich. Militärhelikopter kreisen über den Dächern, Panzer rollen durch die Straßen und eine mysteriöse Seuche verwandelt die Bewohner der Millionenmetropole in wandelnde Albträume. Mittendrin: Alex Mercer, ein Mann ohne Erinnerung, aber mit Fähigkeiten, die jegliche Vorstellungskraft sprengen. Mit Prototype legt Radical Entertainment einen Action-Titel vor, der keine halben Sachen macht und den Begriff „übermenschlich“ völlig neu definiert. Nach Jahren der Entwicklung und etlichen verschobenen Release-Terminen ist das Spiel nun endlich da – war das Warten gerechtfertigt?
Die Geburt eines Monsters
Alex Mercer erwacht auf einer Leichenbahre im Keller der Gerichtsmedizin. Eigentlich sollte er tot sein, doch stattdessen spürt er eine unglaubliche Kraft durch seinen Körper pulsieren. Die ersten Minuten des Spiels werfen uns direkt ins kalte Wasser – oder besser gesagt ins brennende Inferno. Ohne lange Erklärungen müssen wir fliehen, während sich unsere neu erworbenen Fähigkeiten Stück für Stück offenbaren. Mercer kann Wände hochlaufen, gewaltige Sprünge vollführen und seine Arme in tödliche Waffen verwandeln. Was zur Hölle ist mit ihm passiert?
Die Antwort auf diese Frage treibt die Story voran, die sich wie ein düsterer Thriller entfaltet. Prototype erzählt seine Geschichte auf zwei Zeitebenen: Während wir im Hier und Jetzt versuchen, die Verschwörung hinter der Seuche aufzudecken, erleben wir in Rückblenden die 18 Tage, die zu dieser Apokalypse geführt haben. Das Ganze ist wie ein Puzzle aufgebaut, dessen Teile wir durch das Konsumieren von Schlüsselpersonen sammeln. Ja, richtig gelesen – konsumieren. Alex kann Menschen absorbieren und erhält dadurch nicht nur ihre Erinnerungen, sondern auch ihr Aussehen und ihre Fähigkeiten. Eine verstörende, aber verdammt effektive Mechanik.
Manhattan als Spielplatz der Zerstörung
Radical Entertainment hat mit dem digitalen Manhattan eine beeindruckende Spielwelt erschaffen. Die Stadt ist in verschiedene Zonen unterteilt, die den Fortschritt der Infektion widerspiegeln. Während in den grünen Zonen noch halbwegs Normalität herrscht, sind die roten Bereiche vollständig von der Seuche überrannt. Dazwischen tobt ein erbitterter Krieg zwischen Militär und Infizierten, in den wir nach Belieben eingreifen können.
Die vertikale Gestaltung der Stadt ist dabei das absolute Highlight. Alex bewegt sich mit einer Geschwindigkeit und Eleganz durch Manhattan, die ihresgleichen sucht. Mit gewaltigen Sprüngen hüpfen wir von Dach zu Dach, rennen senkrecht Wolkenkratzer empor und gleiten mit ausgebreiteten Armen über die Häuserschluchten. Das Bewegungssystem ist so flüssig und befriedigend, dass man manchmal vergisst, überhaupt eine Mission zu verfolgen. Stattdessen springt man einfach nur zum Spaß durch die Stadt und genießt dieses unbeschreibliche Gefühl von Freiheit und Macht.
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Evolution der Gewalt
Das Kampfsystem von Prototype ist brutal, kompromisslos und absolut übertrieben – im besten Sinne. Alex verfügt über verschiedene Verwandlungsfähigkeiten, die er jederzeit aktivieren kann. Die Klauen verwandeln seine Hände in mörderische Sicheln, die Peitschenfaust ermöglicht Angriffe über große Distanzen, und der Hammerfaust zermalmt selbst gepanzerte Fahrzeuge zu Schrott. Jede Waffe hat ihre eigenen Kombos und Spezialattacken, die sich durch gesammelte Evolutionspunkte weiter ausbauen lassen.
Besonders gelungen ist die Integration der Umgebung in die Kämpfe. Autos werden zu Wurfgeschossen, Klimaanlagen zu improvisierten Projektilen. Alex kann Panzer kapern, Helikopter aus der Luft reißen und ganze Gebäudefassaden als Schilde verwenden. Die schiere Anzahl an Möglichkeiten ist überwältigend und sorgt dafür, dass die Action niemals langweilig wird.
Das Web of Intrigue, ein verzweigtes Netzwerk aus Erinnerungsfragmenten, enthüllt nach und nach die Hintergründe der Katastrophe. Jede konsumierte Zielperson fügt ein weiteres Puzzlestück hinzu und offenbart die erschreckende Wahrheit über Gentek, Blackwatch und die wahre Natur des Blacklight-Virus. Es ist eine düstere Geschichte über Machtmissbrauch, militärische Experimente und die Frage, was einen Menschen eigentlich ausmacht.
Zwischen Held und Monster
Was Prototype besonders macht, ist die moralische Ambivalenz seines Protagonisten. Alex Mercer ist kein strahlender Held, sondern ein Racheengel, der über Leichenberge geht, um seine Ziele zu erreichen. Das Spiel scheut sich nicht davor, die Kollateralschäden seiner Taten zu zeigen. Wenn Alex einen Devastator-Angriff auslöst und dabei dutzende Zivilisten in Stücke reißt, ist das kein Versehen – es ist Teil seiner Natur.
Diese Grauzone zwischen Gut und Böse zieht sich durch das gesamte Spiel. Die Blackwatch-Soldaten, unsere Hauptgegner, versuchen nur, die Stadt vor der Seuche zu schützen. Die Infizierten sind Opfer, keine Bösewichte. Und Alex selbst? Ist er die Rettung oder die größte Bedrohung von allen? Prototype überlässt diese Entscheidung dem Spieler und das macht es umso faszinierender.
Technik am Limit
Optisch präsentiert sich Prototype durchaus ansehnlich, auch wenn es nicht zu den absoluten Grafikreferenzen des Jahres 2009 gehört. Die schiere Masse an Objekten, Gegnern und Effekten, die gleichzeitig auf dem Bildschirm dargestellt werden, ist beeindruckend. Wenn Alex vom Empire State Building springt und die gesamte Stadt unter ihm liegt, oder wenn dutzende Infected Mobs gegen Panzerverbände kämpfen, während Helikopter ihre Raketen abfeuern – das sind Momente, die haften bleiben.
Die Framerate bleibt dabei erstaunlich stabil, auch wenn es in den hitzigsten Gefechten zu kleineren Einbrüchen kommen kann. Die Charaktermodelle sind solide, besonders Alex‘ verschiedene Verwandlungen sind detailliert animiert. Die Stadt selbst wirkt lebendig und authentisch, auch wenn man bei genauerem Hinsehen die eine oder andere wiederverwendete Textur entdeckt.
Der Sound trägt massiv zur Atmosphäre bei. Das Kreischen der Infected, das Rattern der Maschinengewehre, das Bersten von Beton – die Geräuschkulisse ist ein akustisches Chaos, das perfekt zum visuellen Wahnsinn passt. Der Soundtrack untermalt die Action mit treibenden Gitarrenriffs und düsteren Orchesterklängen. Die Sprachausgabe ist durchweg solide, wobei besonders Barry Pepper als Alex Mercer eine intensive Performance abliefert.
Masse statt Klasse?
Bei all dem Lob gibt es natürlich auch Kritikpunkte. Die Missionsstruktur wiederholt sich nach einiger Zeit merklich. Infiltriere eine Basis, konsumiere eine Zielperson, zerstöre ein Infected-Nest – die Aufgabentypen variieren nur wenig. Die Nebenaktivitäten wie Zeitrennen oder Kampf-Challenges lockern das Ganze zwar auf, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Prototype in seiner Kernstruktur recht repetitiv ist.
Die Steuerung ist grundsätzlich gut, kann aber in hektischen Situationen etwas unpräzise werden. Besonders das automatische Zielsystem hat seine Macken – nicht selten springt Alex an der gewünschten Zielperson vorbei und konsumiert stattdessen einen unbeteiligten Passanten. Auch das Klettern an Gebäuden funktioniert nicht immer wie gewünscht, was in Verfolgungsjagden frustrierend sein kann.
Der Elefant im Raum
An dieser Stelle müssen wir über ein Thema sprechen, das deutsche Spieler besonders betrifft: Prototype hat hierzulande nie eine offizielle Veröffentlichung erhalten. Die USK verweigerte dem Titel eine Altersfreigabe, was einem faktischen Verkaufsverbot gleichkommt. Der Grund liegt auf der Hand – die extreme Gewaltdarstellung, das wahllose Töten von Zivilisten und die brutalen Konsumier-Animationen waren der Prüfstelle schlicht zu heftig. Während unsere Nachbarn in Österreich und der Schweiz problemlos in den Genuss des Spiels kommen, müssen deutsche Spieler auf Importe zurückgreifen. Ein Schicksal, das Prototype mit einigen anderen Titeln dieser Generation teilt, aber dennoch schade ist. Denn bei aller berechtigten Kritik an der Gewaltdarstellung – hier wird einem erwachsenen Publikum ein durchaus interessantes Spielerlebnis vorenthalten.
Fazit
Prototype ist kein perfektes Spiel, aber es ist ein verdammt unterhaltsames. Radical Entertainment hat hier einen Power-Fantasy-Simulator geschaffen, der seinesgleichen sucht. Die schiere Macht, die man als Alex Mercer ausübt, das Gefühl, eine wandelnde Naturgewalt zu sein – das ist berauschend und macht süchtig. Ja, die Story hätte mehr Tiefe vertragen können. Ja, die Missionen wiederholen sich. Und ja, technisch ist noch Luft nach oben.
Aber wenn man das erste Mal einen Panzer durch die Luft schleudert, eine ganze Militärbasis im Alleingang ausradiert oder vom Chrysler Building auf die Straßen Manhattans herabstürzt und dabei einen Krater in den Asphalt schlägt – dann vergisst man all diese Schwächen. Prototype ist ein wildes, unkontrolliertes und absolut übertriebenes Action-Spektakel, das keine Kompromisse macht. Es ist nicht für jeden, aber wer sich darauf einlässt, erlebt einen der intensivsten Power-Trips der Videospielgeschichte. Für Fans von brachialer Action und alle, die schon immer mal ein übermächtiges Monster spielen wollten, ist Prototype eine klare Empfehlung – sofern man an eine Kopie herankommt.

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