Mit Star Trek – The Video Game hat Digital Extremes den Versuch unternommen, das wiederbelebte Star Trek-Universum von J.J. Abrams in ein spielbares Action-Abenteuer zu verwandeln. Der Titel erscheint als Brücke zwischen dem Reboot-Film von 2009 und dem kommenden Kinofilm Star Trek Into Darkness. Paramount Pictures verfolgte diesmal einen ungewöhnlichen Weg – anstatt die Entwicklung an ein externes Studio auszulagern, wurde das Spiel erstmals komplett inhouse produziert. Digital Extremes, die sich bereits mit Titeln wie The Darkness II oder ihrer Arbeit am BioShock-Port einen Namen gemacht haben, sollten nun beweisen, dass Film-Tie-ins nicht zwangsläufig enttäuschen müssen. Drei Jahre Entwicklungszeit, Drehbuchautorin Marianne Krawczyk von God of War und die Story-Beteiligung von Roberto Orci, Alex Kurtzman sowie Damon Lindelof – die Zutaten klangen vielversprechend. Doch kann das Spiel die hohen Erwartungen erfüllen?
Eine Geschichte zwischen zwei Filmen
Die Handlung von Star Trek – The Video Game setzt nach den Ereignissen des ersten Films an. Eine Gruppe Wissenschaftler arbeitet an einer neuen Heimatwelt für die Vulkanier und nutzt dabei das experimentelle Helios-Gerät zur Terraformierung. Doch das Experiment läuft katastrophal schief und reißt ein Loch in den Weltraum auf. Durch diesen Riss dringen die Gorn in den Föderationsraum ein – eine aggressive Spezies, die bereits in der klassischen Serie ihren Auftritt hatte. Captain Kirk und Commander Spock müssen die Invasion aufhalten, bevor die Bedrohung das gesamte Territorium der Sternenflotte verschlingt.
Die Gorn wurden für dieses Spiel komplett neu designt. Fünfzehn verschiedene Varianten gibt es, die sich in Größe, Intelligenz und Farbe unterscheiden. Designer Neville Page hat hier ganze Arbeit geleistet und aus den eher behäbigen Echsenwesen der Originalserie gefährliche Gegner gemacht, die durchaus Respekt einflößen. Besonders perfide: Die Gorn setzen biologische Waffen ein und können damit Vulkanier sowie Sternenflotten-Offiziere infizieren, die sich dann gegen Kirk und Spock wenden. Das bietet zumindest konzeptionell interessante Möglichkeiten – in der Umsetzung hätte man daraus aber deutlich mehr herausholen können.
Die Story selbst ist durchaus solide erzählt und bewegt sich auf einem Niveau, das man von einer guten Episode der Serie erwarten würde. Es gibt einige nette Referenzen an klassische Folgen wie „Arena“ oder „Amok Time“, die Fans ein Schmunzeln entlocken dürften. Allerdings fehlt es der Erzählung an den großen Momenten, die einen wirklich packen und mitreißen. Das Drehbuch hätte von mehr philosophischen Fragen profitiert – schließlich war Star Trek immer mehr als nur Weltraumaction.
Bro-Op statt Solo-Mission
Das zentrale Gameplay-Element ist der kooperative Modus, den Creative Director Steve Sinclair auf der E3 liebevoll als „Bro-op“ bezeichnete. Spieler können wahlweise Kirk oder Spock steuern, sowohl im lokalen Split-Screen als auch online. Im Einzelspieler-Modus übernimmt die künstliche Intelligenz den jeweils anderen Charakter. Die beiden Figuren spielen sich durchaus unterschiedlich: Kirk ist der klassische Shooter-Charakter, während Spock über Stealth-Fähigkeiten verfügt und den vulkanischen Nackengriff sowie die Gedankenverschmelzung einsetzen kann.
In der Theorie klingt das nach einem durchdachten Konzept. In der Praxis zeigen sich jedoch erhebliche Schwächen. Die KI des Begleiters ist bestenfalls mittelmäßig – der computergesteuerte Partner läuft gerne mal im Weg herum, kämpft um denselben Deckungsplatz oder steht einfach nur untätig herum, während man selbst unter Beschuss steht. Das Cover-System, das stark an Gears of War erinnert, funktioniert grundsätzlich, kämpft aber ständig mit technischen Problemen. Charaktere bleiben in Deckungen hängen, die Kamera zeigt plötzlich ungewollte Perspektiven oder man rutscht elegant zwischen zwei Deckungspunkten hin und her – Letzteres funktioniert tatsächlich erstaunlich gut und erinnert an Vanquish.
Im Koop-Modus mit einem menschlichen Mitspieler wird die Erfahrung spürbar besser, aber auch hier merkt man, dass das Konzept nicht vollständig durchdacht wurde. Es gibt keine Drop-in/Drop-out-Funktion, sodass Spieler von Anfang an dabei sein müssen. Die kooperativen Elemente beschränken sich auf das gegenseitige Hochhieven zu Plattformen, gemeinsames Öffnen von Türen und das Wiederbeleben gefallener Kameraden. Der Tricorder kann genutzt werden, um die Schilde oder Waffen des Partners zu verstärken – eine Funktion, die aber kaum jemand wirklich vermissen wird, da sie praktisch überflüssig ist.
Phaserschlachten und Tricorder-Rätsel
Das Kampfsystem ist ein typischer Third-Person-Cover-Shooter, wie man ihn aus unzähligen anderen Spielen kennt. Die Schussmechanik funktioniert solide, ohne jedoch besonders hervorzustechen. Problematisch ist die Waffenvielfalt – oder besser gesagt, der Mangel daran. Abgesehen vom standardmäßigen Phaser, der sich aufladen lässt, fühlen sich die meisten Waffen erschreckend ähnlich an. Es gibt kaum einen Grund, eine spezielle Waffe einer anderen vorzuziehen. Besonders ärgerlich: Nach vielen Zwischensequenzen wird die Waffe automatisch auf den Standard-Phaser zurückgesetzt, sodass man jedes Mal manuell zur Hauptwaffe wechseln muss.
Die Hacking-Minigames sorgen zumindest für etwas Abwechslung. Beim sympathischsten Rätseltyp müssen Spieler mit beiden Analogsticks Frequenzen angleichen – eine Aufgabe, die anfangs durchaus befriedigend ist. Ein anderes Hacking-System verlangt, eine Linie über verschiedene Formen zu einem Endpunkt zu bewegen. Die Steuerung ist hier jedoch so unhandlich, dass man schnell das verfügbare Upgrade freischaltet, mit dem der KI-Partner diese lästige Aufgabe übernimmt.
Der Tricorder selbst ist ein nettes Gadget und wurde gut umgesetzt. Damit können Spieler ihre Umgebung scannen, Informationen sammeln und versteckte Objekte aufspüren. Erfolgreiche Scans bringen Erfahrungspunkte, mit denen Upgrades freigeschaltet werden. Allerdings ist das Upgrade-System selbst ziemlich uninspiriert – abgesehen von der Reduzierung der Abklingzeit für bestimmte Waffen gibt es kaum sinnvolle Verbesserungen.
Neben den Bodenmissionen gibt es einige Abwechslung in Form von Weltraumtauchgängen (wie sie in beiden Abrams-Filmen vorkommen), Schwimm-Passagen mit einer Teleportationswaffe und gelegentliche Turret-Sequenzen an Bord der Enterprise. Diese Elemente lockern das Geschehen auf, wirken aber oft wie nachträglich eingefügte Pflichtübungen ohne wirkliche Substanz.
![[Review] Star Trek – The Video Game 2 YouTube player](https://i.ytimg.com/vi/CAXgB0R4h7g/maxresdefault.jpg)
Die Enterprise als Spielplatz
Ein echter Lichtblick ist die Möglichkeit, die Enterprise selbst zu erkunden. Digital Extremes nutzte die Original-Baupläne und hat Bereiche des Schiffs erschaffen, die in den Filmen nicht zu sehen waren – etwa die Kapitänskajüte. Zwischen den Missionen können Spieler durch die Gänge wandern, mit der Crew sprechen und mehr über kommende Aufgaben erfahren. Diese ruhigeren Momente hätten dem Spiel tatsächlich gutgetan, wenn sie häufiger vorkommen würden.
Die gesamte Filmcrew leiht ihre Stimmen den Charakteren, was für Authentizität sorgt. Chris Pine als Kirk, Zachary Quinto als Spock, Zoe Saldana als Uhura – alle sind dabei. Die Sprachausgabe ist durchweg hochwertig und die Dialoge zwischen Kirk und Spock haben durchaus ihren Charme. Allerdings wiederholen sich bestimmte Sprachausgaben viel zu häufig – wenn Kirk oder Spock niedergeschlagen werden, hört man immer wieder dieselben ein oder zwei Phrasen. Auch die Gorn geben ständig die gleichen Laute von sich, während infizierte Offiziere zumindest etwas mehr Variation bieten.
Technische Unzulänglichkeiten trüben das Bild
Visuell bewegt sich Star Trek auf einem durchwachsenen Niveau. Es gibt durchaus eindrucksvolle Momente – besonders wenn man sich außerhalb des Schiffs im Weltraum befindet oder die Enterprise selbst steuert. Die Umgebungen wirken grundsätzlich stimmig und das Spiel fängt die Ästhetik der Abrams-Filme ganz gut ein. Allerdings sehen die Charakteranimationen veraltet aus, besonders die Gesichtsanimationen wirken steif und hölzern. Das Lip-Syncing ist oft nicht synchron, und es kommt immer wieder zu Clipping-Fehlern, bei denen Charaktere durch Wände laufen oder Objekte ineinander verschmelzen.
Besonders ärgerlich sind die zahlreichen Bugs, die das Spielerlebnis massiv beeinträchtigen. Die Kamera springt gelegentlich in bizarre Winkel und zeigt das Innere von Kirks oder Spocks Schädel. Gegner werden unsterblich und können nicht mehr besiegt werden. Die Cover-Mechanik versagt in entscheidenden Momenten. Es gibt sogar Berichte über Abstürze und eingefrorene Bildschirme. Zum Launch gab es massive Probleme mit dem Koop-Modus auf dem PC – Spieler erhielten Fehlermeldungen und konnten sich nicht verbinden. Paramount und Namco Bandai brauchten zwei Tage, um das Problem zu beheben, was für viel Frustration bei Early-Adoptern sorgte.
Verpasste Chancen und falsche Prioritäten
Die fundamentale Schwäche von Star Trek liegt in einem grundlegenden Missverständnis: Das Spiel hat nicht verstanden, worum es bei Star Trek eigentlich geht. Die Serie war nie primär über Weltraumschlachten und Schießereien. Star Trek handelt von moralischen Dilemmata, diplomatischen Verhandlungen und dem Versuch, Konflikte friedlich zu lösen. Die besten Episoden zeigen die Crew am Konferenztisch, wo sie über das richtige Vorgehen diskutieren. Wenn die Phaser gezogen werden, bedeutet das meist, dass die Charaktere gescheitert sind.
Digital Extremes hat daraus einen hirnlosen Third-Person-Shooter gemacht, bei dem man sich durch Horden von Gegnern ballert. Es gibt keine schwierigen Entscheidungen, keine diplomatischen Optionen, keine Rätsel, die zum Nachdenken anregen. Das Spiel versucht krampfhaft, ein AAA-Action-Blockbuster zu sein und verliert dabei vollständig den Geist der Vorlage. Der Vergleich zu Mass Effect liegt nahe – aber BioWares Serie verstand es, Action mit Charaktermomenten und bedeutsamen Entscheidungen zu verbinden. Star Trek ist dagegen belanglos.
Der wohl beste Star Trek-Titel bleibt Star Trek: 25th Anniversary von 1992 – ein Point-and-Click-Adventure mit Dialogbäumen und geistreichem Gameplay, bei dem Phaser nur selten zum Einsatz kamen. Ein solches Spiel würde heute vermutlich nur bei Telltale Games oder Double Fine funktionieren. Man versteht, warum Paramount mit der Abrams-Ära ein breiteres, actionhungriges Publikum ansprechen wollte. Trotzdem hätte es möglich sein müssen, einen soliden Shooter zu kreieren, der gleichzeitig den Idealen von Star Trek treu bleibt.
Akustisch ordentlich, technisch solide
Komponist Chad Seiter, der bereits mit Michael Giacchino zusammengearbeitet hatte, liefert einen orchestralen Soundtrack ab, der dem Star Trek-Universum gerecht wird. Die Musik passt zur jeweiligen Situation und nutzt auch Material aus Giacchinos Score zum 2009er Film. Die Soundeffekte sind authentisch – Phaser klingen wie Phaser, die Enterprise hört sich an wie die Enterprise. Die Umgebungsgeräusche tragen zur Atmosphäre bei, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
Technisch läuft das Spiel auf Konsolen stabiler als auf dem PC, wo es anfangs erhebliche Probleme gab. Die Ladezeiten sind akzeptabel, auch wenn man sich auf den gelegentlichen Ladebildschirm einstellen muss. Die Spielzeit liegt bei etwa acht bis zehn Stunden für die Kampagne, je nachdem wie gründlich man vorgeht. Verschiedene Pfade für Kirk und Spock sollen für Wiederspielwert sorgen, doch in der Praxis unterscheiden sich diese Routen kaum voneinander.
Fazit zu Star Trek – The Video Game
Star Trek ist ein verpasstes Potenzial in Reinform. Die Grundzutaten waren vorhanden – ein beliebtes Franchise, talentierte Entwickler, ein solides Budget und die Unterstützung der Filmemacher. Doch was dabei herausgekommen ist, fühlt sich an wie ein halbfertiges Produkt, das überstürzt auf den Markt geworfen wurde, um den Kinostart von Star Trek Into Darkness zu begleiten. Der Druck, pünktlich zu liefern, ist diesem Spiel deutlich anzumerken.
Die zahlreichen technischen Probleme, die mittelmäßige KI, das uninspirierte Gameplay und das fundamentale Missverständnis dessen, was Star Trek ausmacht, machen diesen Titel zu einem der schwächeren Film-Tie-ins der letzten Jahre. Selbst hartgesottene Trekkies werden Schwierigkeiten haben, hier etwas Positives zu finden. Die Möglichkeit, als Kirk und Spock durch die Enterprise zu laufen und die Originalsprecher zu hören, ist nett – aber das reicht nicht aus, um die gravierenden Mängel zu kompensieren.
Wer unbedingt mehr Zeit im neuen Star Trek-Universum verbringen möchte, könnte bei einem stark reduzierten Preis einen Blick riskieren – idealerweise im Koop mit einem Freund, der die Erfahrung zumindest erträglicher macht. Alle anderen sollten dieses Spiel meiden und stattdessen die Filme schauen oder zu einem der besseren Star Trek-Spiele aus vergangenen Tagen greifen. Digital Extremes‘ Versuch, Star Trek spielbar zu machen, geht leider gründlich daneben. Ein Spiel, das weder den Ansprüchen von Shooter-Fans noch denen von Star Trek-Liebhabern gerecht wird – und damit beide Zielgruppen enttäuscht.