Mit Starlancer liefert Digital Anvil, das Studio von Wing Commander-Legende Chris Roberts, einen brandneuen Weltraum-Kampfsimulator ab, der sich eindeutig an Spieler richtet, die ein Faible für epische Schlachten zwischen den Sternen haben. Seit dem 30. März ist das Spiel nun in den Läden erhältlich, und nach dem durchschlagenden Erfolg der Wing Commander-Serie war die Erwartungshaltung natürlich entsprechend hoch. Microsoft als Publisher setzt große Hoffnungen in diesen exklusiven Windows-Titel, der die Möglichkeiten aktueller PC-Hardware voll ausschöpfen soll. Ob dieser Spagat zwischen bewährtem Space-Combat und den Ansprüchen des neuen Jahrtausends gelingt, zeigt unser Test nach den ersten intensiven Spiel-Wochen.
Die Ausgangslage war durchaus vielversprechend: Digital Anvil konnte auf Chris Roberts‘ jahrelange Erfahrungen in der Weltraum-Simulation zurückgreifen, und mit Microsoft hatte man einen Publisher im Rücken, der bereit war, ordentlich Budget in die Waagschale zu werfen. Dass Starlancer dabei auch als Vorgeschichte zu dem für 2001 angekündigten Freelancer fungieren soll, macht die Sache zusätzlich interessant für alle Fans des Genres.
Story und Gameplay
Starlancer versetzt uns in das Jahr 2160, in eine Zeit, in der die Menschheit längst das Sonnensystem kolonisiert hat. Die Erde wird von der Eastern Coalition regiert, einer Allianz asiatischer und slawischer Nationen, während sich die westlichen Staaten zur Alliance of Free Worlds zusammengeschlossen haben. Was als politische Spannungen beginnt, eskaliert schnell zu einem ausgewachsenen Krieg um die Vorherrschaft im Sonnensystem. Als Pilot der 45. Volunteer Squadron stehen wir mittendrin in diesem Konflikt und müssen nicht nur unser eigenes Überleben sichern, sondern auch das Schicksal der freien Welt mitbestimmen.
Die Geschichte wird hauptsächlich über Briefings und cinematische Zwischensequenzen erzählt, die durchaus ordentlich in Szene gesetzt sind. Hier merkt man, dass Digital Anvil aus den Erfahrungen der Wing Commander-Serie gelernt hat. Die Charaktere wirken authentisch, auch wenn sie nicht die Tiefe erreichen, die man von einem Christopher Blair oder Maniac aus Wing Commander kennt. Trotzdem entwickelt man im Laufe der Kampagne eine gewisse Verbindung zu seinen Squadkameraden, was besonders dann schmerzt, wenn einer von ihnen den nächsten Einsatz nicht überlebt.
Das Gameplay selbst orientiert sich stark an bewährten Genre-Konventionen, fügt aber einige interessante Neuerungen hinzu. Die Missionen sind abwechslungsreich gestaltet und reichen von klassischen Eskort-Aufträgen über Aufklärungs-Einsätze bis hin zu großangelegten Flottenangriffen. Besonders gelungen sind die großen Schlachten, in denen Dutzende von Jägern, Kreuzern und Zerstörern gleichzeitig aufeinandertreffen. Hier zeigt Starlancer, was in ihm steckt, und liefert spektakuläre Weltraumschlachten ab, die durchaus mit den besten Momenten aus Wing Commander mithalten können.
Die Steuerung geht gut von der Hand, auch wenn sie für Genre-Neulinge zunächst etwas komplex erscheinen mag. Wer bereits Wing Commander oder ähnliche Spiele gespielt hat, findet sich schnell zurecht. Das Flugmodell ist realistischer als in vielen anderen Space-Sims, was bedeutet, dass Trägheit und Momentum eine wichtige Rolle spielen. Man kann nicht einfach auf der Stelle wenden wie in einem Arcade-Shooter, sondern muss vorausschauend fliegen und die Physik des Weltalls berücksichtigen.
Die Flotte im Detail
Ein besonderes Highlight von Starlancer ist die große Auswahl an Raumschiffen, die man im Laufe der Kampagne fliegen darf. Von wendigen Abfangjägern wie der Wolverine bis hin zu schwer bewaffneten Angriffsbombern wie der Piranha ist für jeden Geschmack etwas dabei. Jedes Schiff hat seine eigenen Stärken und Schwächen, und die Wahl des richtigen Fighters für die jeweilige Mission kann über Erfolg oder Niederlage entscheiden.
Die Waffensysteme sind ebenfalls vielfältig und reichen von klassischen Laser-Kanonen über Raketen bis hin zu exotischeren Waffen wie Partikelstrahlern. Das Energiemanagement spielt eine wichtige Rolle, da man ständig zwischen Antrieb, Waffen und Schilde balancieren muss. Wer seine Energie schlecht einteilt, wird schnell Bekanntschaft mit dem kalten Weltall machen.
Was die Missionsstruktur angeht, so bietet Starlancer eine gute Mischung aus linearen Story-Missionen und optionalen Nebeneinsätzen. Die Hauptkampagne umfasst 24 Missionen und dauert etwa 15-20 Stunden, je nachdem, wie oft man einen Einsatz wiederholen muss. Und ja, man wird den einen oder anderen Einsatz definitiv wiederholen müssen, denn Starlancer macht keine Gefangenen. Das Spiel ist durchaus herausfordernd und verlangt taktisches Denken sowie gute Pilotenfähigkeiten.
Grafik und Technik
Optisch kann Starlancer durchaus beeindrucken und zeigt, was die aktuellen PC-Systeme zu leisten imstande sind. Die Raumschiff-Modelle sind detailliert und liebevoll gestaltet, und die Explosionen und Waffeneffekte sorgen für ordentlich Spektakel auf dem Bildschirm. Besonders die großen Kapitalschiffe sind imposant anzusehen und vermitteln das Gefühl, wirklich Teil einer großangelegten Weltraumschlacht zu sein.
Die Engine unterstützt Hardware-Beschleunigung und nutzt aktuelle 3D-Grafikkarten voll aus. Wer eine GeForce 256, TNT2 oder die neueste Voodoo3-Generation sein Eigen nennt, wird mit scharfen Texturen und flüssigen Animationen belohnt. Auch das Lighting ist gelungen und sorgt für eine atmosphärische Darstellung des Weltalls, mit realistischen Schatten und Lichtreflexionen auf den Schiffshüllen.
Ein kleiner Wermutstropfen sind die Planetenoberflächen und Stationen, die teilweise etwas kantig wirken. Hier hätte man sich etwas mehr Detail gewünscht, aber das fällt im Gesamtbild nicht allzu schwer ins Gewicht. Die wichtigsten Elemente – die Raumschiffe und Kampfszenen – sind überzeugend umgesetzt.
Sound und Atmosphäre
Akustisch leistet sich Starlancer ebenfalls keine Schwächen. Der Soundtrack, komponiert von einem Team erfahrener Musiker, liefert orchestrale Klänge, die perfekt zur epischen Atmosphäre einer Weltraumoper passen. Von dramatischen Kampfthemen bis hin zu melancholischen Melodien während ruhigerer Momente ist alles dabei, was das Genre-Herz begehrt.
Die Sprachausgabe ist durchweg solide, auch wenn sie nicht ganz das Niveau der Wing Commander-Serie erreicht. Die Dialoge wirken authentisch, und die verschiedenen Charaktere haben ihre eigenen, erkennbaren Stimmen. Besonders die Kommunikation während der Missionen trägt zur Immersion bei und lässt einen wirklich das Gefühl haben, Teil einer Kampfstaffel zu sein.
Die Soundeffekte verdienen ebenfalls Lob. Das charakteristische Pfeifen der Triebwerke, das Zischen von Laserstrahlen und das dumpfe Donnern explodierender Raumschiffe – all das trägt zur Atmosphäre bei und macht jede Schlacht zu einem audiovisuellen Erlebnis. Wer das Spiel mit einem guten Soundsystem oder Kopfhörer spielt, wird definitiv belohnt.
Multiplayer und Langzeitmotivation
Neben der Einzelspieler-Kampagne bietet Starlancer auch einen Mehrspielermodus, der sowohl über LAN als auch über das Internet gespielt werden kann. Gerade in Zeiten, in denen DSL und Kabel-Internet langsam Verbreitung finden, ist das ein wichtiges Feature. Hier können bis zu acht Spieler in verschiedenen Modi gegeneinander antreten, von klassischen Deathmatches bis hin zu teambasierten Missionen. Der Multiplayer-Part ist zwar nicht so umfangreich wie die Kampagne, bietet aber durchaus Langzeitmotivation für alle, die auch nach Abschluss der Story noch weiterfliegen möchten.
Die Kampagne selbst lädt durchaus zu einem zweiten Durchgang ein, besonders da man beim ersten Mal nicht alle verfügbaren Raumschiffe ausprobieren kann. Die verschiedenen Schwierigkeitsgrade sorgen zusätzlich für Wiederspielwert, und wer beim ersten Mal noch Probleme mit der Steuerung hatte, wird beim zweiten Anlauf oft ganz neue Seiten des Spiels entdecken.
Fazit zu Starlancer
Digital Anvil hat mit Starlancer einen würdigen Nachfolger zu Wing Commander abgeliefert, auch wenn das Spiel nicht ganz die Genre-prägenden Qualitäten seines geistigen Vorgängers erreicht. Was Starlancer definitiv richtig macht: Es liefert spektakuläre Weltraumschlachten, eine solide Story und abwechslungsreiches Gameplay. Die technische Umsetzung ist für 2000 durchaus beeindruckend, und sowohl Grafik als auch Sound können überzeugen.
Trotzdem merkt man dem Spiel an einigen Stellen an, dass es sich thematisch noch nicht ganz von Wing Commander lösen konnte. Das ist nicht per se schlecht, führt aber dazu, dass Starlancer gelegentlich wie ein „Wing Commander in neuem Gewand“ wirkt, anstatt eine eigenständige Vision zu entwickeln. Die Charaktere bleiben etwas blass, und die Story, obwohl solide erzählt, überrascht nicht mit unerwarteten Wendungen.
Für Fans von Weltraum-Simulationen ist Starlancer trotzdem eine klare Empfehlung. Wer Wing Commander geliebt hat, wird auch hier seinen Spaß haben. Genau diese Zielgruppe hatte Digital Anvil wohl auch im Visier, und für diese Spieler ist das Spiel definitiv ein Volltreffer. Neueinsteiger ins Genre sollten sich bewusst sein, dass Starlancer keine Kompromisse macht und durchaus anspruchsvoll ist. Wer bereit ist, sich auf die Komplexität einzulassen, wird mit einem der besseren Space-Combat-Spiele des neuen Jahrtausends belohnt.
Microsoft und Digital Anvil haben hier solide Arbeit geleistet und eine würdige Brücke zwischen der Wing Commander-Ära und dem kommenden Freelancer geschlagen. Starlancer mag nicht das ultimative Weltraum-Spiel sein, aber es ist definitiv ein sehr gutes. Und manchmal reicht das völlig aus, um stundenlang zwischen den Sternen unterwegs zu sein und die Galaxie zu retten.
Bewertung: 8,5/10
Starlancer ist ab sofort für PC erhältlich. Systemanforderungen: Pentium II 300 MHz, 64 MB RAM, Windows 95/98/2000, DirectX 7.0-kompatible 3D-Grafikkarte mit 8 MB VRAM empfohlen. Für optimale Darstellung: Pentium III 450 MHz, 128 MB RAM, GeForce 256 oder Voodoo3.