Tamashii: Chronicle of Ascend

[Review] Tamashii: Chronicle of Ascend

Entwickler: Awaken Realms Lite
Spielerzahl: 1-4 Spieler
Alter: Ab 14 Jahren
Spieldauer: 45-90 Minuten (in der Praxis oft länger)
Genre: Kooperatives Cyberpunk-Abenteuer mit Bag-Building und Pattern-Matching

Willkommen in der Post-Apokalypse

In einer düsteren Zukunft, in der eine künstliche Intelligenz namens „Ascend“ die Kontrolle über die Welt übernommen hat, schlüpfen die Spieler in die Rolle von Widerstandskämpfern. Diese sogenannten „Outsider“ besitzen die einzigartige Fähigkeit, zwischen verschiedenen synthetischen Körpern zu wechseln und sowohl in der physischen als auch in der virtuellen Realität zu agieren. Was nach einer Mischung aus Matrix, Altered Carbon und Terminator klingt, entpuppt sich als eines der thematisch stimmigsten Cyberpunk-Brettspiele der letzten Jahre.

Gameplay: Zwischen zwei Welten

Das Herzstück von Tamashii liegt in seinem innovativen Dual-Welt-System. Spieler navigieren gleichzeitig durch eine modulare Stadtkarte in der physischen Welt und hacken sich durch die digitale Sphäre. In der realen Welt erkunden sie neue Distrikte, bekämpfen feindliche Roboter und sammeln wichtige Informationen. Parallel dazu nutzen sie Pattern-Matching-Mechaniken, um in der virtuellen Welt Gegner zu hacken, Boni zu erhalten und spezielle Sequenzen zu aktivieren.

Das Pattern-Matching erinnert dabei an Spiele wie „Bullet“, ist aber geschickt in das Cyberpunk-Setting eingebettet. Die kleinen Programme, die durch das Anordnen von Mustern erstellt werden, fühlen sich tatsächlich wie rudimentäre Programmierarbeit an – auch wenn echte Programmierer schmunzeln mögen.

Das Körper-System

Besonders gelungen ist das „Body-System“, das jedem Charakter eine einzigartige Spielweise verleiht. Je nach gewähltem Körper stehen unterschiedliche Fähigkeiten und Spielstile zur Verfügung. Dieses System verstärkt nicht nur die thematische Immersion, sondern sorgt auch für erheblichen strategischen Tiefgang.

Szenario-basierte Struktur

Statt einer starren Kampagne setzt Tamashii auf ein flexibles Szenario-System. Zehn verschiedene Missionen können in beliebiger Reihenfolge gespielt werden – lediglich das Finale erfordert den Abschluss aller anderen Szenarien. Diese Struktur fördert die Experimentierfreude und macht jede Partie zu einem eigenständigen Abenteuer mit verzweigten Entscheidungspunkten.

Komponenten: Hochwertig, aber mit Einschränkungen

Awaken Realms ist bekannt für opulente Produktionen, und auch Tamashii enttäuscht hier nicht. Die Materialqualität ist durchweg hochwertig: 16 detaillierte Körper-Spielsteine, vier doppellagige Spielerbretter, über 300 verschiedene Spielsteine und mehr als 300 Karten füllen die kompakte Box.

Allerdings gibt es einen wichtigen Vorbehalt: Die Retail-Version enthält keine Miniaturen. Diese waren exklusiv der Kickstarter-Ausgabe vorbehalten, was bei einem Preis von über 200 Euro durchaus enttäuschend ist. Die Standees erfüllen zwar ihren Zweck, erreichen aber nicht die visuelle Wirkung, die man von einem Awaken Realms-Spiel erwartet.

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Das japanische Cyberpunk-Flair

Visuell und thematisch ist Tamashii ein Volltreffer. Die Handlung spielt in Japan, und dieser kulturelle Einfluss durchzieht das gesamte Spiel. Von der Kunst über die Charakterdesigns bis hin zu den Namen – alles atmet authentische Cyberpunk-Atmosphäre mit japanischem Flair. Das Thema wirkt niemals aufgesetzt, sondern verschmilzt nahtlos mit den Spielmechaniken.

Herausforderungen und Kritikpunkte

Trotz seiner Stärken hat Tamashii einige Schwächen. Das Regelbuch ist unübersichtlich gestaltet und erschwert den Einstieg unnötig. Die angegebene Spielzeit von 45-90 Minuten ist optimistisch – in der Praxis dauern Partien oft deutlich länger, besonders mit voller Spielerzahl.

Der Schwierigkeitsgrad kann frustrierend sein. Der konstante Zeitdruck und die Zufälligkeit der Würfel führen manchmal dazu, dass man sich gehetzt fühlt, anstatt die durchaus cleveren Puzzles und die faszinierende Spielwelt zu genießen. Hier hätte eine etwas entspanntere Balance dem Spielerlebnis gutgetan.

Solo-Tauglichkeit

Für Solo-Spieler bietet Tamashii: Chronicle of Ascend eine solide Erfahrung, auch wenn die kooperative Variante mit mehreren Spielern letztendlich mehr Spaß macht. Die KI-Steuerung funktioniert gut, und die Szenario-Struktur eignet sich hervorragend für einzelne Spielsitzungen.

Erweiterungen und Zukunft

Das modulare System von Tamashii ist erweiterungsfreundlich konzipiert. Bereits verfügbare Add-ons wie „Catie’s Diary“ und die „Edgerunner“-Miniaturen zeigen das Potenzial für zukünftige Inhalte. Das Grundspiel bietet bereits dutzende verschiedene Orte und genug Variabilität für viele Spielabende.

Fazit: Cyberpunk mit Seele

Tamashii: Chronicle of Ascend ist ein ambitioniertes Spiel, das seine größten Stärken in der thematischen Kohärenz und den innovativen Mechaniken findet. Trotz einiger Schwächen beim Balancing und der Regelpräsentation gelingt es, ein authentisches Cyberpunk-Erlebnis zu schaffen, das weit über oberflächliche Genre-Klischees hinausgeht.

Wer sich für Cyberpunk-Themen begeistert und bereit ist, sich auf komplexere Mechaniken einzulassen, findet hier eines der besten Vertreter seiner Art. Das Spiel bietet genug Tiefe und Wiederspielwert, um lange zu fesseln – vorausgesetzt, man kann über die gelegentlichen Frustmomente hinwegsehen.

Bewertung: 7,8/10

Empfehlung: Für Cyberpunk-Enthusiasten und Freunde kooperativer Strategiespiele mit Thema. Gelegenheitsspieler sollten sich auf eine Lernkurve einstellen.


Tamashii: Chronicle of Ascend ist im deutschen Handel für etwa 200-210 Euro erhältlich. Eine deutsche Lokalisierung liegt vor.

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