The Witcher 3: Wild Hunt

[Review] The Witcher 3 – Wild Hunt

Nach jahrelanger Vorfreude, diversen Verschiebungen und medienwirksamen Gameplay-Präsentationen ist es endlich soweit – The Witcher 3: Wild Hunt von CD Projekt RED ist da. Das polnische Entwicklerstudio hat sich bereits mit den beiden Vorgängern in der Gaming-Szene einen Namen gemacht und konnte eine treue Fangemeinde aufbauen. Während The Witcher und The Witcher 2: Assassins of Kings noch deutlich linearer gestaltet waren, verspricht der dritte Teil nun eine riesige, offene Spielwelt, in der man sich frei bewegen kann. Die Messlatte wurde von den Entwicklern selbst extrem hoch gelegt, die Erwartungen der Spieler sind entsprechend gewaltig. Schauen wir uns also genauer an, ob CD Projekt RED diese ambitionierten Versprechen auch einlösen kann.

Der weiße Wolf auf der Jagd

Wir schlüpfen erneut in die Rolle von Geralt von Riva, dem titelgebenden Hexer. Geralt gehört einer aussterbenden Zunft von Monsterjägern an, die durch alchemistische Prozesse übermenschliche Fähigkeiten erlangt haben. Seine Aufgabe ist es, gegen Bezahlung die Welt von allerhand Kreaturen zu befreien, die den Menschen das Leben schwer machen. Doch diesmal ist die Jagd eine ganz persönliche Angelegenheit. Geralt sucht nach Ciri, seiner Ziehtochter und ehemaligen Schülerin. Die junge Frau wird von der Wilden Jagd verfolgt, einer Gruppe übernatürlicher Reiter, die nichts Gutes im Schilde führen. Ciri verfügt über besondere Kräfte, die sie zu einem begehrten Ziel verschiedenster Parteien machen.

Die Story führt uns durch ein kriegsgebeuteltes Land, in dem sich die Königreiche Nilfgaard und die Nördlichen Königreiche in einem erbitterten Konflikt befinden. Geralt muss sich dabei durch ein Netz aus politischen Intrigen, alten Bekannten und gefährlichen Kreaturen kämpfen. Was The Witcher 3 besonders auszeichnet, ist die Art wie die Geschichte erzählt wird. Hier gibt es keine klaren Gut-Böse-Schemata, sondern moralische Graubereiche. Entscheidungen die auf den ersten Blick richtig erscheinen, können ungeahnte und teilweise drastische Konsequenzen nach sich ziehen. Das macht die Handlung ungemein fesselnd und sorgt dafür, dass man wirklich über seine Antworten und Taten nachdenkt.

Wer die Romane von Andrzej Sapkowski kennt oder die Vorgänger gespielt hat, wird hier natürlich deutlich mehr Zusammenhänge verstehen und Charaktere wiedererkennen. Doch auch Neueinsteiger finden sich gut zurecht, denn das Spiel erklärt die wichtigsten Hintergründe durch geschickt platzierte Dialoge und das umfangreiche Glossar im Spielmenü.

Eine Welt die lebt und atmet

The Witcher 3 präsentiert sich mit einer beeindruckenden Open World, die ihresgleichen sucht. Die Spielwelt gliedert sich in mehrere große Regionen, darunter die Städte Novigrad und Oxenfurt, die ländlichen Gebiete von Velen, die nebelverhangenen Inseln von Skellige und viele weitere Schauplätze. Jede Region hat ihren eigenen Charakter, ihre eigenen Probleme und ihre ganz spezielle Atmosphäre. Velen beispielsweise zeigt die Schrecken des Krieges in all ihrer Brutalität – ausgebrannte Dörfer, Leichenberge am Wegesrand und verzweifelte Überlebende prägen das Bild. Skellige hingegen präsentiert sich rauer, von skandinavischer Kultur geprägt und mit atemberaubenden Landschaften aus kargen Felsen und tosender See.

Was sofort auffällt, ist die schiere Größe der Spielwelt. Man kann sich problemlos stundenlang verlieren, einfach durch die Gegend reiten und immer wieder auf neue Entdeckungen stoßen. Verlassene Ruinen, Monster-Nester, versteckte Schätze oder kleine Dörfer mit eigenen Geschichten – die Welt strotzt nur so vor Inhalten. Dabei wirkt nichts willkürlich platziert oder sinnlos. Fast jeder Ort erzählt seine eigene kleine Geschichte, sei es durch Umgebungsdetails, Notizen oder NPCs.

Das dynamische Wettersystem und der Tag-Nacht-Wechsel tragen enorm zur Atmosphäre bei. Ein Gewitter über den Sümpfen von Velen wirkt bedrohlich und verstärkt das Gefühl der Gefahr. Ein Sonnenuntergang über den skelligischen Bergen lädt hingegen zum Verweilen ein. Passanten gehen ihrer täglichen Arbeit nach, Wachen patrouillieren, Händler preisen ihre Waren an. Die Welt fühlt sich lebendig an, nicht wie eine leere Kulisse.

Hexerhandwerk vom Feinsten

Das Gameplay von The Witcher 3 vereint verschiedene Elemente zu einem stimmigen Ganzen. Im Zentrum steht das Kampfsystem, das im Vergleich zu den Vorgängern deutlich flüssiger und dynamischer geworden ist. Geralt kämpft mit zwei Schwertern – einem stählernen für menschliche Gegner und einem silbernen für Monster. Die Kämpfe erfordern taktisches Geschick, wildes Draufhauen führt schnell zum Tod. Man muss ausweichen, parieren, den richtigen Moment für einen Angriff abpassen und die Schwächen der Gegner kennen.

Unterstützung erhält Geralt durch seine Hexerzeichen, magische Fähigkeiten die er mit schnellen Gesten wirken kann. Igni entfacht Feuer, Aard stößt Gegner zurück, Quen erschafft ein schützendes Schild, Yrden verlangsamt Feinde und Axii beeinflusst Gegenwillen. Dazu kommen Tränke, Öle für die Waffen und Bomben, die Geralt durch Alchemie herstellen kann. Die Vorbereitung auf einen Kampf ist oft entscheidend – wer gegen einen Werwolf antritt, sollte besser Wolfsöl auf sein Schwert auftragen und den passenden Trank parat haben.

Das Charaktersystem bietet umfangreiche Entwicklungsmöglichkeiten. Geralt sammelt Erfahrungspunkte und verteilt bei jedem Levelaufstieg Punkte in einem von drei Talentbäumen: Kampf, Zeichen und Alchemie. So kann man seinen Spielstil individuell anpassen – vom brutalen Schwertkämpfer über den Magie-fokussierten Hexer bis zum Alchemie-Spezialisten ist alles möglich. Hinzu kommt ein Mutagen-System, das zusätzliche Boni gewährt, wenn man Fähigkeiten geschickt kombiniert.

Ein weiteres Kernelement ist die Monsterjagd. Als Hexer nimmt Geralt Aufträge von Dorfbewohnern entgegen und macht sich auf die Suche nach gefährlichen Kreaturen. Diese Hexeraufträge folgen einem bestimmten Muster: Zunächst sammelt man Informationen, untersucht Spuren mit Geralts Hexersinnen, findet das Monster und erlegt es schließlich. Das klingt simpel, ist aber wunderbar inszeniert und jede Jagd erzählt ihre eigene kleine Geschichte. Die Monster sind dabei extrem vielfältig – von Greifen über Werwölfe bis hin zu Vampiren und anderen Kreaturen aus slawischer Mythologie.

Nebenquests die begeistern

Was The Witcher 3 von vielen anderen Open-World-Titeln abhebt, ist die außergewöhnliche Qualität der Nebenquests. Hier gibt es keine generischen Sammelaufgaben oder stumpfes Abhaken von Listen. Jede Quest, selbst kleinere Aufträge, wurde mit Liebe zum Detail gestaltet und erzählt eine vollwertige Geschichte. Da ist der verzweifelte Vater, der sein Kind an einen Dämon verloren hat. Die mysteriöse Frau am Wegesrand, die mehr verbirgt als sie preisgibt. Der korrupte Stadtbeamte, dessen Machenschaften man aufdecken kann.

Viele dieser Nebenquests erstrecken sich über mehrere Spielstunden und verzweigen sich je nach getroffenen Entscheidungen. Charaktere die man in einer frühen Quest kennengelernt hat, tauchen später wieder auf. Konsequenzen zeigen sich manchmal erst nach vielen Spielstunden. Das erzeugt ein Gefühl von Bedeutsamkeit und macht jede Entscheidung gewichtig. Man hat oft das Gefühl, nicht einfach nur Nebenquests abzuarbeiten, sondern echte Geschichten zu erleben.

Besonders hervorzuheben sind die Questreihen rund um bekannte Charaktere aus den Vorgängern. Triss Merigold, Yennefer von Vengerberg, Zoltan und viele andere begleiten Geralt auf seiner Reise und haben ihre eigenen, vielschichtigen Handlungsstränge. Die Chemie zwischen den Charakteren stimmt, die Dialoge sind erstklassig geschrieben und vertont.

Gwint – mehr als nur ein Minispiel

Wer eine Pause von der Monsterjagd braucht, kann sich dem Kartenspiel Gwint widmen. Dieses Minispiel hat sich zu einem regelrechten Phänomen entwickelt. Gwint ist ein strategisches Kartenspiel, bei dem zwei Spieler über drei Runden ihre Karten ausspielen und versuchen, den Gegner zu übertrumpfen. Was zunächst simpel klingt, entwickelt sich schnell zu einem komplexen Strategiespiel mit eigenem Metagame.

Man sammelt im Verlauf des Spiels neue Karten, baut sein Deck aus und kann sogar an Turnieren teilnehmen. Gwint ist so gut durchdacht und macht so viel Spaß, dass man tatsächlich Gefahr läuft, die Hauptquest zu vernachlässigen, nur um den nächsten Gwint-Spieler zu finden und zu besiegen. Ein geniales Minispiel, das die Spielwelt zusätzlich bereichert.

Grafik die verzaubert

Technisch spielt The Witcher 3 in der absoluten Oberliga. Die Grafik ist atemberaubend schön und setzt neue Maßstäbe für Open-World-Titel. Die Umgebungen sind mit unzähligen Details gespickt, die Vegetationsdichte ist beeindruckend und die Weitsicht enorm. Besonders die Lichteffekte verdienen Erwähnung – Sonnenstrahlen die durch Baumkronen brechen, das Schimmern von Wasser, flackernde Fackeln in dunklen Höhlen. All das trägt zu einer unvergleichlichen Atmosphäre bei.

Die Charaktermodelle sind exzellent gestaltet, mit detaillierten Gesichtern und authentischen Animationen. Die Mimik in den Dialogen wirkt natürlich, Emotionen werden glaubwürdig transportiert. Auch die Monster sind fantastisch designt und oft überzeugend bedrohlich in ihrer Darstellung.

Allerdings muss man fairerweise erwähnen, dass diese grafische Pracht ihren Preis hat. Selbst leistungsstarke PCs werden gefordert, und auf Konsolen musste CD Projekt RED teilweise Kompromisse eingehen. Gelegentlich kommt es zu Framerate-Einbrüchen, besonders in größeren Städten wie Novigrad. Auch kleinere grafische Glitches tauchen vereinzelt auf – NPCs die in Objekten stecken bleiben oder Geralts Pferd Plötze, das physikalisch fragwürdige Manöver vollführt. Diese Schwächen trüben das Gesamterlebnis aber nur minimal.

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Soundkulisse die berührt

Akustisch weiß The Witcher 3 ebenfalls zu überzeugen. Der Soundtrack von Marcin Przybyłowicz, Mikolai Stroinski und Percival ist ein Meisterwerk für sich. Slawische Folklore trifft auf orchestrale Klänge und erschafft eine einzigartige Klangkulisse. Ruhige, melancholische Stücke begleiten das Erkunden der Welt, während dramatische Kompositionen die Spannung in Kämpfen und wichtigen Story-Momenten erhöhen. Tracks wie „The Fields of Ard Skellig“ oder „Wolven Storm“ gehen sofort ins Ohr und bleiben im Gedächtnis.

Die deutsche Synchronisation bewegt sich auf hohem Niveau. Geralts Sprecher Peter Flechtner verleiht dem Hexer die perfekte Mischung aus Zynismus, Müdigkeit und verborgener Warmherzigkeit. Auch die Nebencharaktere sind durchweg gut vertont, wobei die englische Originalvertonung stellenweise noch eine Nuance authentischer wirkt. Hier darf jeder nach eigenem Geschmack entscheiden.

Die Soundeffekte runden das Gesamtbild ab. Schwertkämpfe klingen wuchtig, Monster geben bedrohliche Laute von sich und die Umgebungsgeräusche – sei es das Knacken eines Lagerfeuers, das Plätschern eines Baches oder das Heulen des Windes – sorgen für Immersion.

Technische Aspekte und Umfang

Mit einer Spielzeit von 50 bis über 100 Stunden (je nach Spielweise und Vollständigkeitsdrang) bietet The Witcher 3 einen gewaltigen Umfang. Wer nur die Hauptquest durchspielt, ist nach etwa 30 bis 40 Stunden am Ziel. Bezieht man die hochwertigen Nebenquests mit ein, verdoppelt sich die Spielzeit locker. Für Kompletionisten, die jeden Winkel der Welt erkunden und alle Inhalte sehen wollen, sind auch 150 Stunden nicht unrealistisch.

Die Ladezeiten halten sich in Grenzen, besonders auf PC mit SSD. Beim Schnellreise-System kommt man flott von A nach B, wobei die Welt so spannend gestaltet ist, dass man oft freiwillig auf Schnellreisen verzichtet und lieber zu Pferd unterwegs ist.

Das Inventarsystem ist funktional, wenn auch etwas überladen. Man sammelt im Laufe des Spiels unzählige Gegenstände, Waffen, Rüstungen und Handwerksmaterialien. Das kann gerade zu Beginn etwas überfordernd wirken. Hat man sich aber einmal eingearbeitet, findet man sich gut zurecht. Geralt hat ein Gewichtslimit, was dazu zwingt, regelmäßig auszusortieren und zu verkaufen. Das mag für einige Spieler nervig sein, passt aber zum realistischen Ansatz des Spiels.

Das Crafting-System erlaubt es, Waffen und Rüstungen zu verbessern oder komplett neue Sets herzustellen. Besonders die Hexer-Ausrüstungssets, die man durch Schatzkarten findet, sind sehr lohnenswert und bieten starke Set-Boni. Die Jagd nach den Bauplänen und Materialien ist eine spannende Beschäftigung für Zwischendurch.

Kleinere Schwächen im großen Ganzen

Bei aller Euphorie darf man auch die Schwächen nicht verschweigen. Die Steuerung, besonders die Bewegung von Geralt, fühlt sich manchmal etwas schwerfällig an. In engen Räumen oder bei Präzisionsaufgaben kann das frustrieren. CD Projekt RED hat bereits angekündigt, hier per Patch nachzubessern, was zeigt dass die Entwickler auf Feedback hören.

Die Menüführung, insbesondere auf Konsolen, könnte intuitiver sein. Das Wechseln zwischen Inventar, Charakterbildschirm, Karte und Questlog erfordert einige Gewöhnung. Hier hätte man sich eine benutzerfreundlichere Lösung gewünscht.

Wie bereits erwähnt, gibt es gelegentliche technische Probleme. Bugs und Glitches gehören bei einem Spiel dieser Größenordnung leider dazu, halten sich aber in Grenzen und werden hoffentlich zeitnah behoben.

Das Levelsystem kann manchmal etwas unausgewogen wirken. Manche Gegner sind extrem übermächtig, nur weil sie ein paar Level höher sind, während andere trotz gleichen Levels kaum eine Herausforderung darstellen. Auch die Verteilung von Erfahrungspunkten fühlt sich nicht immer ganz rund an – für aufwendige Nebenquests gibt es teilweise weniger EP als für simple Hauptquest-Abschnitte.

Fazit

CD Projekt RED hat mit The Witcher 3: Wild Hunt ein monumentales Werk geschaffen, das in so gut wie allen Belangen überzeugt. Die Kombination aus packender Story, vielschichtigen Charakteren, einer atemberaubenden Spielwelt und hochwertigem Gameplay setzt neue Standards für Open-World-Rollenspiele. Was diesen Titel besonders auszeichnet, ist die Liebe zum Detail, die in jedem Aspekt spürbar wird. Hier wurde nicht einfach eine riesige Welt mit generischen Inhalten gefüllt, sondern ein lebendiges, glaubwürdiges Universum erschaffen, das man am liebsten nie wieder verlassen möchte.

Die moralischen Grauzonen, schwierige Entscheidungen mit echten Konsequenzen und die erwachsene Erzählweise heben The Witcher 3 von vielen Genrekollegen ab. Man fühlt sich nicht wie ein strahlender Held, sondern wie jemand der in einer grausamen Welt ums Überleben kämpft und dabei oft zwischen mehreren schlechten Optionen wählen muss.

Kleinere technische Schwächen und gelegentliche Steuerungsprobleme können das Gesamterlebnis kaum trüben. The Witcher 3 ist ein Meilenstein des Rollenspiel-Genres und ein absolutes Muss für jeden Fan von Story-getriebenen Abenteuern. CD Projekt RED hat bewiesen, dass ein polnisches Studio absolut mit den Branchenriesen mithalten und diese sogar übertreffen kann. Wer auch nur ansatzweise Interesse an Fantasy-RPGs hat, sollte sich dieses Meisterwerk nicht entgehen lassen. Der weiße Wolf hat seine Jagd begonnen – und was für eine Jagd das ist!

Bewertung: 9,2/10

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