Mit V-Rally 4 haben Herausgeber Big Ben Interactive und Entwickler Kylotonn haben eine etwas ältere Spieleserie wiederbelebt und bereits zur Gamescom 2018 konnten wir unsere Finger an den Controller bekommen und ein paar Runden zocken. Ob sich das Comeback lohnt und vor allem, ob es ein würdiger Nachfolger ist, klären wir in diesem Test.
Früher war alles besser?
Wir erinnern uns gerne an die gute alte Zeit zurück, als wir V-Rally 1997 in die Playstation eingelegt haben. Damals hat das Game besonders durch seine hervorragende Grafik zu begeistern gewusst. Da konnte man über die eher schlechte Fahrphysik schon hinwegsehen. Wir hatten ja sonst nichts! 🙂
An der Fahrphysik hat man hart gearbeitet, wenn sich auch heute noch die eine oder andere Parallele zum Original ziehen lässt. Man fliegt doch recht schnell von der Bahn, wenn man einmal mit einem Reifen auf dem Gras oder Schotter war. Es bedarf schon etwas Übung, sein Fahrzeug dann wieder zu fangen. Das ist also alles nicht so schlimm wie früher, obschon die Steuerung mit dem normalen Controller auch heute irgendwo zwischen sehr gewöhnungsbedürftig bis fast schon schlecht anzusiedeln ist. Das haben wir bereits auf der Gamescom gemerkt, denn mit einem Lenkrad bzw. einem kompletten Simulator erhält man ein merklich besseres Feedback und kontrolliert sein KFZ deutlich einfacher. So macht V-Rally 4 dann auch richtig viel Spaß.
Ist das noch Tutorial?
Die Einführung in V-Rally 4 ist nicht so gelungen. Der Spieler muss sich sowohl auf die Strecke als auch auf die Texte konzentrieren. Außerdem quatscht uns der Co-Pilot mit seinen Ansagen voll. Zudem muss man seinen Polo stabil halten, was sich nicht immer als einfach darstellt, da die Steuerung mit dem Controller sehr sensibel ist.
Für unsere Wünsche hätte das Tutorial auch gerne etwas länger sein können. So richtig warm wird man erst in der Kampagne, wenn man sich an seine erste Karre gewöhnt hat.
Unberechenbar
V-Rally möchte eine Simulation sein. Das merkt man besonders im Menü, wenn man seinen Boliden anpassen möchte. Unter anderem lassen sich die Fahrhilfen wie Traktionskontrolle oder ABS justieren. Selbst kleinste Bodenwellen können ein Fahrzeug quasi abheben lassen, sodass der Spieler richtig Arbeit hat, dieses wieder zu fangen. Das fühlt sich an, als stimmte da was mit dem Gewicht nicht. Ein richtiges Gespür lässt sich folglich kaum entwickeln, zumal die Rennwagen auch immer wieder verändert bzw. verbessert werden und danach völlig anders zu steuern sind. Nur allzu oft haben wir uns im Test eine Rewind-Funktion gewünscht, wie sie etwa in Gear.Club Unlimited eingebaut wurde. Meistens resultieren Unfälle im Neustart des Events samt langem Ladebildschirm.
Glücklicherweise ist das Schadensmodell recht gnädig und wertet nicht jeden krassen Unfall auch als solchen. Dennoch muss man seinen Wagen während der Etappen oder nach einem Event gegen Einwurf kleiner Münzen reparieren lassen.
Die Zusammenfassung zum Fahrverhalten klingt negativ und ist auch nicht zu unterschätzen, was den Frustfaktor angeht, aber letztlich findet sicherlich jeder Spieler ein für ihn passendes Fahrzeug in der Auswahl der knapp 50 unterschiedlichen PKW. So lange ihr im Tuning keine Anpassungen durchführt, ist dann erstmal alles gut. Danach müsst ihr den Umgang mit eurer Karre quasi wieder neu erlernen. Plötzlich passt kein Winkel mehr, den ihr anfahrt, weil die Leistung eine andere ist. Selbst bekannte Strecken werden wieder zur Herausforderung.
Dieses eher negative Resultat eines Tunings kann der versierte Gamer mit manuellen Anpassungen am Setup selbst etwas aufweichen. So lassen sich die Voreinstellungen für Asphalt-, Schotter- und Schneepisten ändern. Konkret werden Fahrwerk, Getriebe und Bremsen modifiziert. Hier gilt ein wenig das „Trial-and-Error“ Prinzip.
Wie bereits erwähnt, hat uns das Spiel mit Lenkrad mehr Spaß gemacht, wenn auch das Force-Feedback zu gering ausfällt. Außerdem muss man in den Settings das Lenkrad manuell auswählen, anstatt dass V-Rally 4 die Eingabemethode selbst erkennt und für den User hinterlegt. Das ist tatsächlich seltsam und wird hoffentlich noch gepatcht.
Schicke Strecken
In das Design der Strecken ist viel Liebe geflossen. Dieses weiß zu gefallen. Einige lange und vor allem anspruchsvolle Etappen verlangen dem Spieler viel Können und Reaktionsvermögen ab. Dieses sollte man auch ganz dringend einsetzen, denn Schäden müssen teuer repariert werden.
Große Auswahl
Der Einfluss von Kylotonn sorgt in V-Rally 4 für eine ordentliche Auswahl und Vielfalt an Events. Zur klassischen Rallye gesellen sich Rallye-Cross auf Rundstrecken, Bergrennen, Buggy-Veranstaltungen und „Extreme-Khana“. Khana kennt sicherlich der eine oder andere Gamer schon von Ken Blocks „Gymkhana“. Verrückte Sprünge und coole Drifts werden euch dort abverlangt.
Die Events selbst finden auf der ganzen Welt statt. Ihr könnt durch Wüsten, Dschungel, städtische Gebiete oder auch Schneelandschaften brettern. Von Kenia bis Sibirien ist alles dabei. Obschon die Grafik nicht top aktuell wirkt, ist die Präsentation der jeweiligen Schauplätze richtig gut gelungen. Ein hohes Maß an Abwechslung lassen keine Langeweile aufkommen. Einziger Wermutstropfen ist die Beleuchtung einiger Strecken. Hier hat man es teils ein wenig übertrieben und der Spieler erkennt vor Helligkeit die Strecke kaum noch. Ein ähnliches Gefühl hat man z.B. bei The Crew 2 an einigen Passagen. Kann nerven, muss es aber nicht. Manche Witterungsbedingungen sowie Nachtrennen stehen leider nur speziellen Strecken zur Verfügung, sind also nicht überall zugänglich. Das ist schade, weil es fest hinterlegt ist und die Dynamik einschränkt. Die Darstellung auf der PS4 Pro ist absolut sauber.
Aggressive KI
Wo man auch startet oder welchen Modus man auch als Erstes testet, da ist die KI sehr stark bzw. aggressiv. Das hat uns im Test in den ersten Stunden ein hohes Maß an Überwindung gekostet, am Ball zu bleiben. Die Gegner fahren Kampflinie und scheinen darauf programmiert, eure Reparaturkosten hoch zu treiben.
An dieser Stelle erwähnen wir auch gerne den stark verbesserten Co-Piloten, der endlich nicht mehr wie ein Roboter klingt und auch größtenteils einen richtig guten Job an den Tag legt.
Die Karriere und so…
Im Gegensatz zum „Schnellen Spiel“ bekommt der Spieler in der Karriere nicht sofort alle Strecken zur Auswahl, sondern muss sich mit und mit vorkämpfen. Das gilt natürlich auch für den Fuhrpark. Wenn da nur der öde Soundtrack nicht wäre, der in den ersten Minuten noch okay ist, aber mit zunehmender Spielzeit zu nerven beginnt. Zu kurz sind die Schleifen, als dass man deren Wiederholungen nicht mitbekommt.
Abgeschlossene Rennen bringen Kohle und die muss natürlich ausgegeben werden. Dies geschieht entweder durch das Kaufen neuer Wagen, Tuning oder dem Anheuern von Technikern verschiedener Spezialgebiete. So treiben wir die Karriere voran, indem unsere Crew immer neue Teile erforscht bzw. herstellt. Ingenieure tragen z.B. dazu bei, dass Pläne für weitere Tuning-Komponenten im Bereich Forschung und Entwicklung schneller umgesetzt werden. Top Mechaniker wiederum sorgen für schnellere Reparaturen. Gute Agenten ziehen uns geile Deals an Land. In allen Fällen gilt, dass der Lohn für die Mitarbeiter am Ende einer Woche fällig wird. Spart also immer schön! Das allerdings ist gar nicht so schwer, denn die Teilnahme an Events lässt bei Bestehen richtig Kohle abfallen. Außerdem können unterschiedliche Vorgaben pro Sponsor erfüllt werden, die dann auch wieder in einem Geld-Boost resultieren.
Nicht ganz einfach
Alle möglichen Einstellungen in V-Rally 4 helfen dem User allerdings auch nur weiter, wenn man denn wüsste, gegen welche Gegner man denn antritt. Leider hilft in diesem Punkt die Anpassung des Schwierigkeitsgrades in den 100 Stufen nicht allzu viel. Man sieht immer nur seine eigenen Werte bzw. Zeiten, aber nicht die der Gegner.
Genau aus diesem Punkt resultiert dann ein gewisser Frust, denn mal fährt man locker auf Platz 1 ins Ziel und bei der nächsten Runde frisst man seinen Controller fast auf, weil man einfach nicht aufs Treppchen kommt. Das Balancing gehört noch ordentlich angepasst. Ein weiterer eher verwirrender Punkt sind die gemessenen Zwischenzeiten. Deren Anzeige oder Berechnung ist tatsächlich etwas seltsam. Da bretterte ich eine Etappe mit Vollgas und vor allem fehlerfrei durch Ziel und habe enorm an Zeit verloren und beim nächsten Abschnitt leuchten die Ampeln grün, obschon ich von einem Fail in den nächsten fliege. Das ist für den Spieler einfach nicht wirklich nachvollziehbar.
(Besten)Liste
Wer jetzt glaubt, er könne seine harte Arbeit in einer gut strukturierten Bestenliste verewigen, der wird vermutlich enttäuscht sein. Fehlende Filter, Wagen und Zeiten machen es nicht leicht, sich überhaupt zu finden. Außerdem nützt das ja ohnehin nichts, denn der Spieler kann nicht erkennen, welches Fahrzeug ein besserer Fahrer genutzt hat. So ist einfach die schnellste Karre ganz oben. Diese Liste ist so lieblos ins Spiel eingebaut worden, dass man sie auch hätte weglassen können. Es bringt mir ja nichts, wenn ich nur weiß, dass ich nicht so schnell wie ein anderer war. Ob es eine Sekunde oder eine Minute war, ist ja eben nicht abzuleiten.
Ähnlich absurd laufen temporäre Online-Events ab. Es werden weder Wagen-Modelle noch die Anzahl der Versuche eingeschränkt und auch keine Leistungsklassen unterschieden. So sichern sich immer die schnellsten Fahrer der gesamten Serie die Preisgelder. Wie soll man da als Tester oder Casual Gamer rankommen? Antwort: Mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht! So macht das keinen Spaß, wenn man sich nicht die dicken leistungsstarken Karren leisten kann.
Online-Modus
Online dürfen sich bis zu acht Spieler in allen sechs Disziplinen messen. Lokal im Splitscreen werden zwei Spieler unterstützt. Meisterschaften sind nicht verfügbar.
Fazit
V-Rally 4 war im Test eine harte Nuss. Lange Ladezeiten und viele Event-Neustarts mit wieder mehr Ladebildschirm zehrten schon an den Nerven. Nach einer längeren Eingewöhnungsphase kommt man ganz gut klar, wird aber immer wieder vom schwankenden Schwierigkeitsgrad genatzt.
Der Soundtrack ist leider ziemlich schlecht geworden, die Fahrzeuge hören sich aber ganz gut an.
Alles in Allem bekommt man mit V-Rally 4 schon ein schickes Rennspiel, aber keine Rennsimulation, die es gerne sein möchte. An zu vielen Stellen im Spiel findet man Unstimmigkeiten oder nicht nachvollziehbare Daten.
“Als kleiner Fan der Serie war ich ein wenig enttäuscht, was zu großen Teilen an der zu sensiblen Controller-Steuerung liegt. Zumindest konnte ich meinen Nacon Controller in Software anpassen, damit meine Wagen nicht mehr zu flott aus dem Bahn fliegen. Eine solche Anpassung sollte aber nicht Voraussetzung sein, um Spaß am Spiel zu haben.”
In Summe kann man nur eine bedingte Kaufempfehlung aussprechen. Die Konkurrenz ist einfach zu stark, als dass sich V-Rally 4 so durchsetzen könnte.