Mit Warhammer 40.000: Dawn of War II wagt sich Relic Entertainment an eine radikale Neuerfindung ihrer erfolgreichen Dawn of War-Reihe. Nach dem ersten Teil von 2004, der noch stark auf klassische Echtzeitstrategiekost setzte, schlägt das kanadische Entwicklerstudio nun einen völlig anderen Weg ein. Weg von der Basenbau-Philosophie klassischer RTS-Titel, hin zu einem Squad-basierten Taktikspektakel, das sich mehr wie ein Action-RPG anfühlt als wie eine herkömmliche Echtzeitstrategie. Das klingt erst mal gewagte, aber wer Relic Entertainment und ihre Expertise mit Spielen wie Company of Heroes kennt, weiß, dass hier Profis am Werk sind, die durchaus wissen was sie tun.
Dawn of War II führt uns erneut in das düstere Warhammer 40.000-Universum, wo es nur Krieg gibt und die Menschheit in einem endlosen Kampf gegen Xenos und Chaos-Mächte steht. Diesmal übernehmen wir das Kommando über die Blood Ravens, ein Space Marine-Orden, der bereits im ersten Teil eine zentrale Rolle spielte. Doch während wir damals noch ganze Armeen befehligten und Basen errichteten, konzentriert sich Dawn of War II auf kleine, spezialisierte Squads, die wir durch intensive Gefechte führen.
Die Story von Dawn of War II
Die Kampagne versetzt uns in die Rolle eines Force Commander der Blood Ravens, der auf den Rekrutenwelten Calderis und Typhon sowie der Space Marine-Festungswelt Meridian gegen eine massive Tyraniden-Invasion kämpft. Diese außerirdischen Kreaturen, die ganze Planeten kahl fressen, stellen eine existenzielle Bedrohung für das Aurelia-System dar. Gleichzeitig müssen wir uns gegen Ork-Waaaghs und verräterische Chaos Space Marines behaupten, die die Wirren des Krieges für ihre eigenen finsteren Pläne nutzen wollen.
Was die Story besonders interessant macht, ist der Fokus auf die einzelnen Space Marine-Sergeants, die unter unserem Kommando stehen. Jeder dieser Charaktere hat seine eigene Persönlichkeit und Spezialisierung: Da wäre Tarkus, der unerschütterliche Veteran, der als schwerer Waffenträger fungiert, Avitus, dessen Devastator Squad mit Plasmakanonen und Raketenwerfer alles pulverisiert, was sich bewegt, Cyrus, der Scout-Sergeant, der sich auf Infiltration und präzise Fernkämpfe versteht, und Thaddeus, dessen Assault Marines mit Jetpacks und Kettensägen in den Nahkampf stürzen.
Die Erzählung funktioniert über eine Mischung aus packenden Zwischensequenzen und atmosphärischen Briefings zwischen den Missionen. Dabei merkt man deutlich, dass Relic großen Wert darauf gelegt hat, die düstere Warhammer 40K-Atmosphäre einzufangen. Die Dialoge sind herb und militärisch, geprägt von der fanatischen Loyalität der Space Marines zum Imperium und ihrem unbeugsamen Willen im Kampf gegen die Xenos. Wer die Hintergrundlore des Warhammer 40.000-Universums kennt, wird hier voll auf seine Kosten kommen.
Gameplay und Taktik
Dawn of War II bricht radikal mit RTS-Konventionen, und das ist auch gut so. Statt stundenlang Basen zu errichten und Ressourcen zu sammeln, stürzen wir uns direkt ins Gefecht. Jede Mission beginnt mit der Auswahl von maximal vier Squads aus unserem Roster, die wir dann taktisch geschickt über das Schlachtfeld dirigieren.
Das Kampfsystem basiert auf einem durchdachten Deckungssystem, das bereits aus Company of Heroes bekannt ist. Squads, die sich hinter Mauern, Felsen oder in Gebäuden verschanzen, erleiden deutlich weniger Schaden als solche im freien Feld. Dabei wird zwischen verschiedenen Deckungsarten unterschieden: Grüne Deckung bietet optimalen Schutz, gelbe ist noch akzeptabel, und rote Deckung sollte man meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Die taktische Tiefe entsteht durch die unterschiedlichen Rollen der Squads. Tarkus und seine Tactical Marines eignen sich perfekt als mobile Feuerbasis, können aber mit ihren schweren Bolterpistolen auch im Nahkampf bestehen. Avitus‘ Devastatoren pulverisieren ganze Gebäude mit ihren schweren Waffen, sind aber langsam und verwundbar. Cyrus‘ Scouts können sich tarnen und feindliche Einheiten markieren, während Thaddeus‘ Assault Marines mit ihren Jetpacks schnell feindliche Positionen umgehen können.
Was das Gameplay besonders spannend macht, sind die RPG-Elemente. Jeder Squad sammelt Erfahrungspunkte und steigt in Leveln auf, wodurch neue Fähigkeiten freigeschaltet werden. Außerdem finden wir in den Missionen verschiedene Ausrüstungsgegenstände – von verbesserten Bolterpistolen über Plasmakanonen bis hin zu mächtigen Energieschilden. Diese Wargear-Items können wir zwischen den Missionen frei auf unsere Squads verteilen und so deren Kampfkraft und Spezialisierung anpassen.
Besonders gelungen ist das Suppression-System. Einheiten, die unter schwerem Beschuss stehen, werden „unterdrückt“ und können sich kaum bewegen oder effektiv zurückschießen. Das führt zu sehr realistisch anmutenden Feuergefechten, bei denen es darum geht, den Gegner niederzuhalten und dann zu flanieren, anstatt einfach frontal aufeinander loszustürmen.
Grafik und Präsentation
Visuell ist Dawn of War II ein echtes Schwergewicht. Die Engine, eine Weiterentwicklung der bereits für Company of Heroes genutzten Essence Engine, zaubert beeindruckende Effekte auf den Bildschirm. Explosionen lassen Trümmer umherfliegen, Plasmaschüsse erhellen die düstere Landschaft in grellen Farben, und wenn ein Space Marine mit seiner Kettensäge auf einen Ork losgeht, spritzen ordentlich die Fetzen.
Die Charaktermodelle sind detailreich und vermitteln perfekt die massive, bedrohliche Präsenz der Space Marines. Jede Rüstung sieht aus wie ein wandelnder Panzer, und die verschiedenen Waffen haben alle ihren eigenen, charakteristischen Look. Die Animationen sind flüssig und vermitteln echtes Gewicht – wenn ein Devastator mit seinem schweren Bolter feuert, sieht man die Rückstoßkraft, und Assault Marines landen nach ihren Jetpack-Sprüngen mit brachialer Wucht.
Besonders beeindruckend sind die Environments. Die verschiedenen Planeten haben alle ihren eigenen Charakter: Calderis mit seinen wüstenartigen Landschaften und Industrieanlagen, Typhon als dschungelartiger Dschungelplanet voller Tyraniden-Nester, und Meridian als massive Festungswelt der Space Marines. Überall finden sich Details, die das Warhammer 40K-Universum zum Leben erwecken: Gothic-Architektur mit massiven Säulen und Adlersymbolen, verrostete Industrieanlagen und die organischen, alptraumhaften Strukturen der Tyraniden.
Sound und Atmosphäre
Akustisch liefert Dawn of War II ebenfalls ab. Die Soundkulisse ist geprägt von den charakteristischen Geräuschen des Warhammer 40K-Universums: das tiefe Dröhnen der Bolter-Waffen, das Zischen von Plasmageschossen und das markerschütternde Kreischen der Tyraniden. Besonders gelungen sind die Umgebungsgeräusche, die jeder Map ihre eigene Atmosphäre verleihen.
Die englische Sprachausgabe ist erstklassig besetzt. Die Space Marines klingen genau so, wie man sich diese übermenschlichen Krieger vorstellt: tief, autoritär und ohne jede Emotion außer glühendem Fanatismus für das Imperium. Sprüche wie „For the Emperor!“ oder „Burn in Holy Fire!“ werden mit einer Überzeugung vorgetragen, die selbst hartgesottene Veteranen zum Grinsen bringt.
Der orchestrale Soundtrack unterstreicht die epische Atmosphäre des Spiels perfekt. Während ruhiger Momente erklingen düstere, atmosphärische Klänge, die sofort in Kampfhymnen übergehen, sobald das erste Feuer eröffnet wird. Die Musik schafft es, die permanente Bedrohung des Warhammer 40K-Universums zu vermitteln, ohne dabei aufdringlich zu werden.
Multiplayer und Last Stand
Neben der Singleplayer-Kampagne bietet Dawn of War II auch soliden Multiplayer-Content. Die vier verfügbaren Rassen – Space Marines, Orks, Eldar und Tyraniden – spielen sich alle völlig unterschiedlich und erfordern verschiedene Taktiken. Space Marines sind vielseitig und robust, Orks setzen auf aggressive Nahkampftaktiken, Eldar sind schnell aber fragil, und Tyraniden überwältigen durch schiere Masse.
Besonders erwähnenswert ist der „Last Stand“-Modus, bei dem bis zu drei Spieler kooperativ gegen Wellen von KI-Gegnern kämpfen. Hier können wir unsere Helden mit immer mächtigerer Ausrüstung versehen und neue Fähigkeiten freischalten. Dieser Modus macht süchtig und bietet enormen Wiederspielwert, besonders wenn man mit Freunden spielt.
Das Matchmaking funktioniert größtenteils reibungslos, auch wenn gelegentlich Verbindungsprobleme auftreten können. Die Balance zwischen den Rassen ist noch nicht perfekt – Tyraniden sind in den richtigen Händen extrem stark – aber Relic arbeitet bereits an Patches, um das Gameplay zu verfeinern.
Fazit zu Dawn of War II
Mit Dawn of War II hat Relic Entertainment einen mutigen Schritt gewagt und sich von ausgetretenen RTS-Pfaden entfernt. Das Ergebnis ist ein faszinierender Hybrid aus Echtzeitstrategie und Action-RPG, der zwar nicht jeden Geschmack treffen wird, aber definitiv frischen Wind ins Genre bringt.
Die Fokussierung auf kleine, spezialisierte Squads anstelle großer Armeen macht jede Einheit wertvoll und verleiht jedem Gefecht taktische Tiefe. Das RPG-System sorgt dafür, dass man eine echte Bindung zu seinen Space Marines aufbaut, und das Wargear-System bietet unzählige Möglichkeiten zur Anpassung der eigenen Taktik.
Natürlich ist Dawn of War II nicht perfekt. Fans klassischer RTS-Spiele werden das Fehlen von Basenbau und Ressourcenmanagement vermissen, und die KI könnte in manchen Situationen cleverer agieren. Auch die Kampagne ist mit etwa 15 Stunden nicht übermäßig lang, auch wenn der Last Stand-Modus für ordentlichen Nachspielwert sorgt.
Trotz dieser kleineren Schwächen ist Dawn of War II ein beeindruckendes Spiel geworden, das sowohl Warhammer 40K-Fans als auch RTS-Neueinsteiger begeistern kann. Die Atmosphäre ist perfekt eingefangen, das Gameplay macht süchtig, und die technische Umsetzung kann sich sehen lassen. Relic Entertainment beweist einmal mehr, dass sie zu den innovativsten Strategiespiel-Entwicklern gehören und keine Angst vor gewagten Experimenten haben.
Dawn of War II ist ein unterhaltsames und durchaus gelungenes Spielerlebnis. Wer bereit ist, sich auf die neuen Gameplay-Konzepte einzulassen, bekommt einen der interessantesten RTS-Titel der letzten Jahre. Für das Imperium!
Pro:
- Innovatives Squad-basiertes Gameplay
- Perfekte Warhammer 40K-Atmosphäre
- Beeindruckende Grafik und Soundkulisse
- Motivierendes RPG-System
- Süchtig machender Last Stand-Modus
Contra:
- Kein klassischer Basenbau
- Relativ kurze Kampagne
- Gelegentliche KI-Schwächen
- Nicht für RTS-Puristen geeignet
Bewertung: 8/10