Warhammer 40,000: Rogue Trader

[Review] Warhammer 40,000: Rogue Trader

Mit dem ersten großen CRPG im Warhammer 40K-Universum überhaupt wagt sich Owlcat Games an das düstere Science-Fiction-Setting heran. Das Studio, das bereits mit den beiden Pathfinder-Rollenspielen beeindrucken konnte, nimmt sich diesmal eines der bekanntesten und düstersten Settings der Spielelandschaft an. Kann Warhammer 40,000: Rogue Trader die hohen Erwartungen erfüllen und das Jahr 2023 würdig abschließen? Nach über 40 Stunden als frischgebackener Freihändler kann ich diese Frage eindeutig beantworten.

Story – Im Auftrag des Imperiums

Das Jahr 40.038 stellt den Spieler vor eine der faszinierendsten Prämissen, die das Warhammer-Universum zu bieten hat. Als Erbe eines mächtigen Freihändler-Clans übernimmt man die Kontrolle über ein gigantisches Raumschiff samt tausenden Besatzungsmitgliedern. Freihändler sind privilegierte Kaufleute, die im Namen des Imperiums der Menschheit die unbekannten Regionen des Koronus-Sektors erkunden und dabei Handelsbeziehungen knüpfen – oder auch mal etwas weniger legale Geschäfte abwickeln.

Die Geschichte beginnt mit einem klassischen Verrat: Der amtierende Freihändler Theodora Von Valancius und ihre Nachfolger werden ermordet, wodurch der Spielercharakter plötzlich in die Position des mächtigsten Menschen eines ganzen Sternensystems katapultiert wird. Was anfangs wie eine typische Rachestory beginnt, entwickelt sich schnell zu einem komplexen Politikthriller, der die moralischen Grauzonen des 40K-Universums meisterhaft auslotet.

Besonders beeindruckend ist dabei, wie das Spiel mit den Konventionen des Settings umgeht. In einer Welt, in der Xenophobie, religiöser Fanatismus und brutale Unterdrückung als normal gelten, wird der Spieler immer wieder vor Entscheidungen gestellt, die kein klares „Gut“ oder „Böse“ kennen. Das Überzeugungssystem des Spiels spiegelt dies perfekt wider: Während „Dogmatisch“ die strenge Befolgung imperialer Doktrin bedeutet, steht „Ketzertum“ für das Hinterfragen etablierter Ordnungen – und beide Wege haben ihre Berechtigung.

Grafik – Atmosphäre zum Greifen nah

Optisch setzt Rogue Trader auf eine isometrische Perspektive, die an klassische CRPGs erinnert, aber mit moderner 3D-Grafik umgesetzt wird. Die Umgebungen sind mit einer Liebe zum Detail gestaltet, die Fans des Universums sofort ins Schwärmen bringen wird. Von den verrosteten Korridoren eines Raumschiffes bis hin zu den dekadenten Thronsälen imperialer Gouverneure – jede Location erzählt ihre eigene Geschichte.

Die Charaktermodelle profitieren von erstklassigem Motion-Capture, wodurch sowohl die Bewegungen als auch die Mimik der Charaktere überzeugend wirken. Besonders in den Zwischensequenzen wird deutlich, wie viel Aufwand in die Darstellung der verschiedenen Völker und Fraktionen des 40K-Universums geflossen ist. Tech-Priester mit ihren mechanischen Prothesen, die fanatischen Schwestern der Schlacht oder die düsteren Space Marines – alle sind detailgetreu und atmosphärisch überzeugend umgesetzt.

Auch die Kampfsequenzen wissen optisch zu gefallen. Wenn ein Plasma-Gewehr eine Gruppe von Gegnern in blaues Plasma auflöst oder ein Kettenschwert durch mehrere Feinde zugleich sägt, spürt man die brutale Gewalt des 40K-Universums hautnah. Die Lichteffekte und Partikelanimationen tragen zusätzlich zur dichten Atmosphäre bei.

Sound – Epische Vertonung für ein episches Universum

Akustisch hinterlässt Rogue Trader einen bleibenden Eindruck. Der Soundtrack, komponiert von mehreren Musikern, fängt die Grandiosität und Düsternis des Warhammer-Universums perfekt ein. Von pompösen imperialen Märschen bis hin zu bedrohlichen Ambient-Klängen in verlassenen Raumschiffssektionen – die Musik untermalt jede Szene passend und emotional.

Die deutsche Synchronisation verdient besondere Erwähnung. Mit erfahrenen Sprechern, die bereits aus anderen namhaften Produktionen bekannt sind, wirken die Dialoge authentisch und überzeugend. Besonders die verschiedenen Akzente und Sprachmuster der unterschiedlichen Fraktionen sind gelungen umgesetzt. Tech-Priester sprechen in mechanischen Tonlagen, während Imperial Navy-Offiziere mit militärischer Präzision ihre Befehle erteilen.

Die Umgebungsgeräusche tragen enorm zur Atmosphäre bei. Das Summen von Maschinerie, das Klappern von Servo-Schädeln oder die donnernden Schritte eines Dreadnoughts – all das erweckt die 40K-Welt zum Leben. In Kampfsituationen sorgen realistische Waffengeräusche und Explosionen für die nötige Dramatik.

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Gameplay – Taktik trifft auf Charakterentwicklung

Das Herzstück von Rogue Trader bildet das rundenbasierte Kampfsystem, das deutlich zugänglicher als in den vorherigen Owlcat-Spielen ausgefallen ist. Kämpfe sind mit 8-12 Gegnern überschaubarer geworden und nehmen selten mehr als 10-15 Minuten in Anspruch. Das macht sie angenehm fordernd, ohne zu frustrierend zu werden.

Besonders gelungen ist die Trennung von Bewegungs- und Aktionspunkten. Dadurch können Charaktere auch nach dem Angriff noch ihre Position verändern oder vor dem Angriff Buffs wirken. Dies eröffnet deutlich mehr taktische Möglichkeiten als bei vergleichbaren Systemen. Friendly Fire ist realistisch umgesetzt – wer unvorsichtig mit Flammenwaffen oder Granaten hantiert, kann durchaus die eigene Gruppe treffen.

Die Charakterentwicklung orientiert sich stark am Pen&Paper-Regelwerk von Warhammer 40K und bietet eine beeindruckende Tiefe. Jeder Archetyp – vom brutalen Nahkämpfer bis zum psionisch begabten Navigator – spielt sich völlig anders. Levelaufstiege kommen häufig und bieten immer mehrere Wahlmöglichkeiten, wodurch man wirklich das Gefühl hat, seinen Charakter zu formen.

Neben dem Kampf gibt es zahlreiche andere Gameplay-Systeme zu entdecken. Das Profit-Faktor-System simuliert den enormen Reichtum eines Freihändlers, ohne in einen langweiligen Goldsammler zu verfallen. Stattdessen öffnet ein hoher Profit-Faktor Zugang zu besserer Ausrüstung und neuen Handelsrouten. Auch die Raumschiffkämpfe sind eine willkommene Abwechslung, auch wenn sie nicht ganz die Tiefe der Bodenkämpfe erreichen.

Die Exploration des Raumschiffs und der verschiedenen Planeten macht dank der atmosphärischen Gestaltung und der vielen Geheimnisse Spaß. Überall finden sich versteckte Objekte, Datenspeicher mit Hintergrundinfos oder optionale Quests, die das 40K-Universum weiter vertiefen.

Schwächen – Technische Macken trüben den Glanz

Trotz aller Stärken ist Rogue Trader nicht ohne Probleme. Wie bei vielen CRPGs zum Release-Zeitpunkt leiden auch hier die technischen Aspekte. Bugs können Questverläufe unterbrechen oder Charaktere in Animationen feststecken lassen. Regelmäßiges Speichern ist daher Pflicht.

Die Benutzeroberfläche zeigt sich teilweise überladen. Besonders bei den komplexeren Fähigkeiten sind die Beschreibungen oft verschachtelt und erfordern mehrfaches Nachschlagen. Für Neulinge im 40K-Universum kann die Informationsflut überwältigend sein, auch wenn das Spiel mit Tooltips und Erklärungen hilft.

Die KI der Gegner ist solide, aber nicht brillant. Während sie durchaus taktisch vorgeht und Deckung nutzt, fehlen manchmal die überraschenden Manöver, die einen wirklich fordern würden. Auch die Balance zwischen den verschiedenen Schwierigkeitsgraden könnte feiner justiert sein.

Fazit

Warhammer 40,000: Rogue Trader ist ein beeindruckendes CRPG geworden, das sowohl Fans des Universums als auch Rollenspielneulingen eine fesselnde Erfahrung bietet. Owlcat Games ist es gelungen, die düstere Atmosphäre und komplexe Mythologie des 40K-Settings authentisch umzusetzen, ohne dabei die Zugänglichkeit zu vernachlässigen.

Die Geschichte mit ihren moralischen Grauzonen und politischen Intrigen fesselt von der ersten Minute an. Das Kampfsystem ist zugänglich aber taktisch anspruchsvoll, während die Charakterentwicklung genügend Tiefe für mehrere Durchläufe bietet. Optisch und akustisch setzt das Spiel Maßstäbe für 40K-Adaptionen.

Die technischen Probleme zum Launch sind ärgerlich, aber nicht spielbrechend. Wer bereit ist, über die eine oder andere Ungereimtheit hinwegzusehen und regelmäßig zu speichern, erhält eines der besten CRPGs des Jahres. Nach Baldur’s Gate 3 zeigt Rogue Trader, dass das Genre auch 2023 noch für Überraschungen gut ist.

Für Warhammer 40K-Fans ist das Spiel ohnehin ein Muss. Endlich gibt es wieder ein Rollenspiel, das die Faszination dieses düsteren Universums angemessen würdigt. Aber auch CRPG-Liebhaber ohne 40K-Erfahrung sollten zugreifen – bessere Einstiegsmöglichkeiten in diese faszinierende Welt wird es so schnell nicht wieder geben.

Wertung: 8,5/10

Pro:

  • Authentische 40K-Atmosphäre
  • Komplexe, moralisch ambivalente Story
  • Zugängliches aber tiefes Kampfsystem
  • Hervorragende Charakterentwicklung
  • Grandiose Präsentation

Contra:

  • Technische Probleme zum Launch
  • Überladen wirkende Benutzeroberfläche
  • Teilweise träge KI
  • Hohe Einsteigerhürde für Genre-Neulinge

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