Ubisoft geht mit Watch Dogs: Legion in die dritte Runde der Reihe und hat einen kleinen Hype vor sich her geschoben. Ob das „Hacker-Game“ gut ankommt und den Kauf zum Release wert ist, kläre ich im Folgenden. Gezockt habe ich die Ultimate Edition via Google Stadia.
DedSec ist zerschlagen und London ist unter Kontrolle der militärisch geführten Organisation Albion. Klassische Polizei existiert nicht mehr und die Map ist in unterschiedliche Areale unterteilt, die es zu befreien gilt.
Man muss die ersten beiden Watch Dogs-Teile nicht zwingend abgeschlossen haben, aber es schadet auch nicht. Ein interessantes Tutorial erklärt euch die grundlegende Steuerung und erzählt ganz nebenbei einen wichtigen Teil der Story. Wir dürfen dann einen Char wählen und loslegen. Ab diesen Zeitpunkt fühlte ich mich allerdings etwas verloren auf der recht großen Karte samt Linksverkehr, der mich auch nach 30 Stunden Gameplay noch verwirrt. Spieler werden zunächst recht alleine gelassen, ist das Einleitungs-Tutorial einmal abgeschlossen.
DedSec für Recht und Ordnung?
Obschon die bekannte Hackergruppe nicht nur Unruhe stiftet, sind die Beweggründe der Gruppierung in der dystopischen Welt durchaus nachvollziehbar. Somit setzen wir uns gemeinsam für eine bessere Welt ein. Grundsätzlich gefällt mir das Credo recht gut, keine anderen Menschen zu töten, weshalb unterschiedliche Elektroschockwaffen freigeschaltet werden können. Entsprechend bewaffnet, dringen wir in Gebäude ein, hacken Kameras, klauen Geld, Daten, Keys und noch vieles mehr. Je mehr Waffen und Gadgets freigeschaltet wurden, desto leichter wird es.
Für mich sind der AR Cloak (Verschleierungsmantel) und die Cargo Drohnen eine unschlagbare Kombination. Levelt man dann noch die normale Handfeuer-Elektroschock-Waffe auf, braucht man nicht viel mehr, um durchzustarten. Ich empfehle außerdem, möglichst zu Beginn die Questreihe zum „Nahkampf“ zu absolvieren. Dann seid ihr fit für den Rest des Spiels.
Die Bare-Knuckle-Fights sind allerdings in meinen Augen eine große Schwachstelle von Watch Dogs: Legion. Auf der einen Seite sollen wir möglichst wenige bis keine anderen Menschen umbringen und auf der anderen Seite sind die Faustkämpfe so unflexibel und eintönig, dass es einfach keinen Spaß macht. Ein Beispiel: Greift der Gegner mit einer normalen Combo an und ich wollte gerade einen Griff ansetzen, kann ich keinen Treffer mehr blocken oder gar ausweichen. Diese Probleme existieren in allen möglichen Permutationen. Spieler sind einfach gezwungen, immer korrekt zu kontern. Diese Tatsache nervt extrem und hätte meines Erachtens viel besser gelöst werden müssen.
Open World
Für mich ist die offene Spielwelt ein großer Pluspunkt für Watch Dogs und gleichzeitig ein vermutlich kleines Problemchen für einen Teil der Käufer. Ich habe nichts gefunden, dass ich nicht erledigen konnte, ohne ein paar Missionen der Hauptstory erfolgreich beendet zu haben, was ich tatsächlich favorisiere.
Spielt man allerdings auf diese Weise, wird Watch Dogs: Legion fast zu einfach, da man mit mehr freigeschalteten Gadgets fast alles hacken, übernehmen und ausschalten kann. Das ist auf der einen Seite eigentlich eine schöne Sache, andererseits nimmt es Richtung Mid- bzw. Endgame schlicht die Herausforderung. Für mich persönlich ist das kein Ding, da ich gerne grinde, aber längst nicht alle Gamer haben eine ähnliche Einstellung.
In der offenen Spielwelt rekrutieren wir buchstäblich Leute von der Straße für DedSec. Dabei solltet ihr immer auf die jeweiligen Perks achten bzw. einen guten Mix zusammenstellen. Beim „Befreien“ eines Stadtteils gibt es auch jeweils immer einen zusätzlichen Rekruten mit top Talenten. So erhält man vom Spion z.B. eine schallgedämpfte P9 und eine Agenten-Uhr, um Waffen remote auszuschalten. Für den Beitritt zu DedSec muss jeweils eine kurze Quest absolviert werden.
Waffen & Spielzeug
Damit wir uns den Weg durch die Spielwelt bahnen können und dies immer leichter wird, existieren einige Waffen und Gadgets. Um diese freizuschalten und zu leveln, werden Tech-Punkte benötigt, die überall in London gefunden werden können. Wurde eine Area befreit, werden diese auf der Map angezeigt und lassen sich sehr schnell farmen.
Einmal freigeschaltet, erhalten alle Mitglieder, also spielbaren Figuren, Zugriff. Von daher ist der Zeitaufwand überschaubar, zumal nicht zwingend alles benötigt wird. Den meisten Nutzen habe ich bei den Drohnen empfunden, denn wenn sich alles hacken und vor allem übernehmen lässt, ist der Easy-Mode quasi aktiviert. So hacken, fliegen, fahren, schießen und schlagen wir uns also durch London. Nach gut 10 Stunden habe ich die ersten paar Story-Missionen angegangen.
Die Story selbst ist ganz nett und nachvollziehbar. Der Tiefgang hat mir allerdings gefehlt.
Oh du dumme KI
Wüsste man nicht, dass Watch Dogs: Legion von Ubisoft ist, dann vermutete man es spätestens beim ersten Encounter mit NPCs. Sowohl Gegner als auch Einwohner verhalten sich meistens bis immer derart seltsam, dass man fast lachen muss. Mitten im Kampf kann es vorkommen, dass Feinde einfach jemand anderen angreifen oder gar weglaufen. Nutzt man den bereits genannten „AR Cloak“ und wird temporär unsichtbar, scheinen die NPCs komplett kaputt zu gehen. Darum ist dieses Gadget so mächtig. Selbst bei Verfolgungsjagden hoher Stufe wird es nie wirklich schwer. Zweimal abbiegen, einmal umsteigen oder unsichtbar werden und weiter geht die Reise ohne Albion im Rücken.
Besonders lustig fand ich eine finale Befreiungs-Mission, bei der man eine neuartige Drohne nutzt, um erst NPCs auszuschalten und dann eine LED-Wand zu hacken. Da viele feindliche Drohnen erschienen, habe ich mich einfach hinter der Wand „versteckt“. Der Hack wurde abgeschlossen und kein Gegner konnte mich mehr treffen. Dabei hätten sie lediglich ein wenig zur Seite fliegen müssen.
Hacker mit Nebenjobs
Nachdem das Hacken per Klick geschieht und keine wirkliche Herausforderung darstellt, existieren noch Nebenbeschäftigungen, um die Zeit zwischen den Missionen zu versüßen. Mir gefällt vor allem das Ausliefern von Paketen mit unterschiedlichen Modifikatoren, aber auch das „Ball-Hochhalten“ hat seinen Charme, wenn auch einen hohen Ragequit-Faktor.
Wem das alles nicht reicht, der gibt sein „hart“ verdientes Geld in einer der Shopping-Meilen aus, um seinen Schrank mit Klamotten zu füllen. Die Anpassungsmöglichkeiten sind schier endlos. Ihr dürft sogar Echtgeld im Store ausgeben, um die richtig geilen Outfits zu erhalten. Jeder wie er möchte, aber es sind in jedem Fall „reine“ Cosmetics, die keine Vorteile bieten.
Platte Gesichter
Die Grafik von Watch Dogs: Legion ist grundsätzlich sehr ordentlich und bis ins Detail wirklich toll. Lediglich die Charaktere selbst wirklich etwas platt und ohne Leben. Die Gesichtsausdrücke sind alle leer und das wirkt in Summe einfach nicht gut. Drum herum ist fast alles in Ordnung.
Leider nur fast, denn gerade bei den per Echtgeld erworbenen Skins kommt es zu Glitches, was dringend gefixt werden sollte. Die Umhänge der Ritter verschmelzen überall mit der Umgebung und sehen somit einfach schlecht aus. Schade ums Geld, aber ich hoffe auf Fixes, was das angeht.
Einige Bugs in Releaseversion
Auch sonst sind in Watch Dogs aktuell echt viele Bugs enthalten, über die man so stolpert. Abstürze hatte ich auf Stadia keine, aber teils sind Fahrzeuge einfach verschwunden, in welche ich gerade einsteigen wollte oder Alarme haben ausgelöst, obschon ich noch weit vom Ziel entfernt war, um nur zwei der offenkundigsten zu nennen.
Dann ist das noch der Wechsel der „Kostüme“: Ein weiterer Bug mit den gekauften Klamotten. Aktuell wird bei jeder Änderung an meinem Outfit das Ritter-Kostüm wieder angezogen, obschon ich das schon lange nicht mehr aktiv hatte. Ich habe ein Workaround gefunden, aber schön ist anders.
Das sind letztlich Kleinigkeiten und diese werden höchstwahrscheinlich auch gefixt werden, sollten meiner Meinung nach aber nicht nicht in einer Release-Version oder einem Day-One-Patch enthalten sein.
Asynchrone Sprecher
Musik und Soundeffekte gefallen mir sehr gut. Nur selten habe ich einen Radiosender gewechselt, weil eigentlich überall was Brauchbare läuft. Waffensounds und Co. sind ebenfalls stimmig, obschon die Umgebungslautstärke recht niedrig ist.
Die Dialoge allerdings liefen teils asynchron ab oder die Lippen passten gar nicht zum Gesagten. Bei manchen NPCs hatte ich zudem leichte Probleme, das Englisch zu verstehen, aber das lag/liegt am lokalen Slang und ich hätte ja auch auf deutsch spielen können. Letzteres lassen wir mal nicht negativ in die Bewertung einfließen.
Fazit
Watch Dogs: Legion bietet viele Missionen, Aktivitäten, Nebenjobs und Anpassungsmöglichkeiten. Grinder kommen sicherlich auf Ihre Kosten, wenn dieser auch recht monoton von statten geht. Für eine Vielzahl an Gamern vor den Bildschirmen dürfte das aber nicht ausreichen, um den Kauf zum oder nahe Release zu rechtfertigen.
Watch Dogs hätte viel besser sein können oder eher müssen, zumal es in einem Jahr bzw. Quartal herausgekommen ist, wo noch richtige Kracher wie Cyberpunk 2077 und Assassin’s Creed: Valhalla erscheinen werden.
Persönlich bezeichnete ich mich als Ubisoft Fanboy, da ich fast alle großen Games des Publishers zocke und genieße. Auch Watch Dogs: Legion zählt dazu und ist für einen chilligen Abend oder Nachmittag, gerne auch eine längere Session, meine aktuelle Wahl. Ich grinde gerne und fahre sowie fliege alle Tech-Punkte und sonstigen sammelbaren Gegenstände ab. Das Konzept geht aber für die Allgemeinheit nicht auf. Aus diesem Grund schneidet das Spiel objektiv verhältnismäßig schlecht ab. Da wäre viel mehr drin gewesen.