Während Tesla Updates alle paar Wochen verteilt und BMW vierteljährliche Zyklen schafft, lässt Volkswagen ID-Kunden über ein Jahr auf verfügbare Software-Updates warten. Ein Erfahrungsbericht über miserable Updatepolitik und Hinhaltetaktiken.
Der Fall: Über ein Jahr Warten auf Update 3.7
Mark Ruhland aus Wegberg kaufte Anfang September 2024 seinen VW ID.3. Was er nicht wusste: Er nach über einem Jahr immer noch auf ein Software-Update warten, das nur wenige Wochen nach seinem Kauf verfügbar wurde. Das ID Software Update 3.7 mit der wichtigen Funktion „bidirektionales Laden“ wurde Ende September 2024 (KW40) offiziell veröffentlicht – nur Wochen nach seinem Fahrzeugkauf. Doch statt das Update zu erhalten, begann eine Odyssee des Wartens und der Frustration.
Seine Geschichte illustriert exemplarisch, was bei Volkswagens Updatepolitik schiefläuft: Intransparenz, schlechter Kundenservice und eine Klassifizierung der eigenen Kunden in verschiedene Kategorien.
Die VW-Hinhaltetaktik in drei Akten
November 2024: Vage Vertröstung
„Der genaue Zeitpunkt, wann das 3.7 Software Update in Ihrem Volkswagen ID.3 erscheint, kann im Vorfeld noch nicht definiert werden, weil dies ein automatisierter Prozess ist, worauf wir leider keine Befugnis haben einzugreifen.“
Übersetzung: VW hat keine Kontrolle über die eigenen Systeme.
Januar 2025: Noch vagere Floskeln
„Sobald das Update für Ihr Fahrzeug zur Verfügung steht, werden Sie umgehend darüber benachrichtigt. Unser Ziel ist es, Produkte und Services zu realisieren, die für höchste Kundenzufriedenheit stehen.“
Die Realität: Sechs weitere Monate Warterei.
September 2025: Das Totalversagen
„Bedauerlicherweise war es uns bislang nicht möglich, Ihre Anfrage im Detail zu prüfen.“
Nach fast einem Jahr hatte Volkswagen die Kundenanfrage noch nicht einmal gelesen. Ruhlands berechtigte Reaktion: „Ich finde ihre Update-Politik sehr befremdlich und wie Sie ihre Kunden scheinbar klassifizieren.“
Das Wellen-System: Kundenselektion statt Kundenservice
Das Update wird in Wellen ausgerollt („Canary Release“). Die erste Welle umfasste 1.000 Fahrzeuge und die Hauptnutzer der Fahrzeuge wurde im September 2024 per E-Mail informiert. Was VW verschweigt: Nach welchen Kriterien werden die „Glücklichen“ ausgewählt? Kaufdatum? Postleitzahl? Zufallsprinzip?
Diese Intransparenz führt dazu, dass manche ID-Besitzer monatelang auf Updates warten, während andere zeitnah bedient werden. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter VW-Kunden.
Wie andere Autohersteller Updates handhaben
Während VW-Kunden über ein Jahr auf verfügbare Updates warten, zeigen andere Hersteller, dass es auch anders geht:
Tesla: Der Branchenprimus
Software-Updates erfolgen fortlaufend, sodass nicht jedes Fahrzeug das gleiche Update gleichzeitig erhält – aber das sind Wochen, nicht Jahre! Tesla ist hier bekanntlich Vorreiter: Dort gibt es alle paar Wochen kleinere oder größere Updates.
Entscheidender Unterschied: In den Fahrzeugeinstellungen lässt sich über „Software“ -> „Erweitert“ einstellen, ob man neue Updates sofort nach deren Verfügbarkeit erhalten möchte. Tesla gibt Kunden die Wahl – VW lässt sie warten.
BMW: Intransparent, aber funktional
BMW scheint die Updates also nicht zeitgleich für alle Nutzer auszurollen. Die Verteilung von OTA Updates war bei BMW schon immer maximal intransparent – aber es kommen im Jahr ca. alle 3 Monate eine neue I-Stufe heraus. Selbst BMW-Kritiker bestätigen: deutlich schneller als VW.
Mercedes & Audi: Regelmäßig verfügbar
Mercedes-Benz hat jüngst per Update z. B. Google-Satellitenkarten, Live-Umleitungsfunktionen und einen KI-basierten Sprachassistenten für seine EQ-Modelle verfügbar gemacht. Bei BMW kann man über den Connected Drive-Store verschiedene Extras freischalten lassen – verfügbar, auch wenn kostenpflichtig.
Der Branchen-Realitätscheck
Hersteller | Update-Rhythmus | Kundenkontrolle | Funktionalität |
---|---|---|---|
Tesla | Alle paar Wochen | „Erweitert“-Modus wählbar | Vollständig funktional |
BMW | Alle 3 Monate | Automatik einstellbar | Funktional verfügbar |
Mercedes/Audi | Regelmäßig | Standard-OTA | Updates kommen an |
VW | Über 1 Jahr Warterei | Keine Kontrolle | Komplettes Versagen |
Sinnbild aus anderen Branchen
Was in der Automobilbranche als VW-Normalität gilt, wäre in anderen Branchen undenkbar: Apple würde iOS-Updates nie nur an 1.000 „ausgewählte“ Nutzer verteilen, Sony würde PlayStation-Updates nicht in mysteriösen einjährigen „Wellen“ ausliefern. Was überall sonst als Kundenbetrug gelten würde, ist bei VW offenbar Geschäftspolitik.
Systematische Probleme der VW Update-Politik
Extreme Entwicklungszyklen
Das Entwicklungs-Prozedere von Software-Stand 2.1.0 auf 3.2.0 dauerte rund 1,5 Jahre nach der Ankündigung von VW. Was andere Hersteller in Wochen schaffen, benötigt VW Jahre.
Komplexe Update-Prozesse
Nicht alle Schritte konnten „Over the air“ aufgespielt werden – zum einen aufgrund der großen Datenmenge nur in der Werkstatt, aber auch weil dabei die 12V-Batterie getauscht wird. Für insgesamt eineinhalb Wochen stand der ID.3 deshalb in der Werkstatt.
Fehlgeschlagene OTA-Updates
Viele Nutzer berichten von gescheiterten Over-the-Air-Updates. Nach 3 Versuchen, hatte ich am 28.12.2022 keine weitere Lust mehr auf das OTA Update und hatte mir für den 10.01.2023 einen Termin in der Werkstatt gebucht.
Verantwortungslosigkeit
Weder meine Werkstatt noch VW selbst scheint irgendwie Interesse zu haben, bei den Software Problemen zu helfen. VW sagt fragen sie ihre Werkstatt und meine Werkstatt sagt fragen sie VW.
Die historischen Wurzeln des Problems
Softwareprobleme seit Marktstart
Als der VW ID.3 2020 auf den Markt kam, gab es Kritik vor allem an der teils umständlichen Bedienung, der langsamen und nicht sonderlich stabil laufenden Software, an noch nicht vollständig verfügbaren Funktionen. Im Display hinter dem Lenkrad wurde noch nicht einmal der Akkustand in Prozent angezeigt.
Cariad als Problemquelle
Grund für die Verzögerung sei VWs Softwaretochter Cariad, die die ursprünglichen Pläne für die Software der SSP nicht einhalten könne. Die strukturellen Probleme reichen bis in neue Modellentwicklungen.
Update-Odysseen als Normalität
Der ADAC dokumentierte die Problematik bereits 2024: Abgeschlossen waren die Updates erst im Juli 2023, also rund 1,5 Jahre nach der Ankündigung von VW.
Positive Entwicklungen – zu wenig, zu spät
Fairness muss sein: Die aktuellen VW ID Software-Versionen funktionieren deutlich besser. Die aktuelle Version 3.2 ist so gut, dass sie sich absolut nicht mehr verstecken muss. Auch Verbrauch und Ladeleistung wurden erheblich verbessert.
Doch: Verbesserungen kommen scheinbar nur bei denjenigen an, die das Glück haben, in die richtigen „Wellen“ zu fallen.
Was Kunden tun können
- Dokumentation: Sammeln Sie alle E-Mail-Korrespondenz mit VW
- Verbraucherzentrale: Melden Sie den Sachverhalt zur Prüfung
- Öffentlichkeit: Teilen Sie Ihre Erfahrungen in Foren und sozialen Medien
- Rechtsbeistand: Bei erheblichen Funktionseinschränkungen prüfen lassen
Fazit: Kundendienst als Fremdwort
Volkswagens Update-Politik für die ID-Serie ist ein Paradebeispiel für schlechten Kundenservice. Während Tesla alle paar Wochen Updates liefert und BMW vierteljährliche Zyklen schafft, praktiziert VW eine Hinhaltetaktik, die an Kundenverachtung grenzt.
Die Botschaft ist klar: VW behandelt seine Elektroauto-Kunden als Beta-Tester, nicht als zahlende Kundschaft. Wer einen ID kauft, erwirbt nicht nur ein Auto, sondern auch ein Jahr Warterei – mindestens.
Ein Jahr warten auf verfügbare Software – das ist VWs Definition von „höchster Kundenzufriedenheit“. Andere nennen es schlicht inakzeptabel.