Die Freude am Spielen ist angeboren. Selbst wenn gerade bei Kleinkindern auf den ersten Blick kein Zweck bei ihrem Spielverhalten zu erkennen ist, gibt es doch stets einen verborgenen Sinn, nämlich die Welt zu erforschen, motorische Fähigkeiten zu trainieren, Sozialverhalten zu erlernen und durch Versuch und Irrtum neue Sachen herauszufinden. Außerdem macht Spielen das ganze Leben lang Spaß, gerade weil es keinen gezielten Zweck verfolgt und einfach nur um seiner selbst willen ausgeübt wird.
Doch was auf den ersten Blick als vergnügliche Freizeitgestaltung erscheint, kann ernsthafte gesundheitliche Vorteile bringen. Das fängt mit Gesellschaftsspielen aller Art an. Wer sich im Kreise von Freunden und Familie mit Brett-, Karten- oder Würfelspielen amüsiert, vertreibt dabei die Einsamkeit und übt gleichzeitig Konzentration, Geduld und soziales Verhalten. Auch verlieren will gelernt sein.
Verschiedene Spiele trainieren verschiedene Bereiche. Wer zum Schachbrett oder zu den Pokerkarten greift, wird nur erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, bewusst oder unbewusst mathematische Wahrscheinlichkeiten abzuwägen, die sich mit jedem Zug verändern. Das stärkt die entsprechenden zerebralen Fähigkeiten selbst im Alter. Konzentration ist dabei ebenfalls gefordert, während andere Spiele wie etwa Puzzles Geduld voraussetzen. Dafür steht am Ende bei einem Puzzle ein Erfolgserlebnis, wenn das Bild vollständig ist, während bei Schach und Karten der Umgang auch mit Niederlagen geübt wird, ob nun am Tisch zum Bauern gegriffen oder online Poker gezockt wird.
Die lange Zeit als jugendgefährdend verrufenen Videospiele bieten ebenfalls überraschend großen gesundheitlichen Nutzen. Das ständige Entscheidungen treffen, selbst bei einfach aufgebauten Spielen und das Reagieren mit Klicken, wischen oder anderen Kommandos regen das Gehirn dazu an, neue Nervenzellen im Hippocampus aufzubauen und tragen so zur geistigen Gesundheit bei. Der Hippocampus dient als Schaltstelle im Gehirn, wo die von den verschiedenen Sinnen ausgesendeten Informationen zusammenkommen und in verarbeiteter Form an die Hirnrinde weitergeleitet werden. Hier werden auch die so geschaffenen Kurzzeiterinnerungen nach Bedarf ins Langzeitgedächtnis überführt.
Gerade Computergames können dabei nützlich sein, weil der Spieler dabei zumeist dreidimensional denken muss, um sich im virtuellen Raum zu bewegen. Der Hippocampus reagiert darauf ähnlich wie auf sportliche Bewegung.
Aber auch bei mentalen Problemen können Videospiele helfen. Manche haben einen meditativen Faktor, der stresslösend wirkt und zur Entspannung beiträgt. Andere Games beinhalten Geschichten, die dabei helfen können, persönliche Traumen zu verarbeiten. Selbst auf den ersten Blick gewalttätig wirkende Spiele können dabei positive Effekte haben. Obwohl sie gegebenenfalls Therapie nicht ersetzen, bieten sie vielfach Linderung.
„Sea of Solitude“ ist ein speziell für den Umgang mit Ängsten und Depressionen entwickeltes Spiel. Das Gefühl von mangelndem Selbstwert wird etwa dargestellt, wenn ein Mädchen auf tosender See in einem offenen Boot darum ankämpft, nicht zu kentern, und ein Seeungeheuer auftaucht, um sie als Versagerin zu beschimpfen. Die in dem Game zusammengefassten Erzählungen sollen den Spielern die Gelegenheit geben, schmerzvolle Geschichten aufzuarbeiten und dabei auch neue, positive Perspektiven zu entdecken.
Ablenkung von schwierigen Situationen und das Gefühl, die Kontrolle über etwas zu übernehmen, wird durch die App #SelfCare ermöglicht. Dabei werden zahlreiche Minispiele angeboten, die von einem entspannenden Schlafzimmer als Hauptmenü aus gestartet werden. Obwohl es sehr simpel erscheint etwa ein virtuelles Bücherregal einzuräumen, Atemübungen zu machen oder computergerenderte Kerzen anzuzünden, haben etliche an Depressionen leidende Spieler das Spiel als hilfreich für ihre mentale Gesundheit erlebt.
Gescheiterte Liebesbeziehungen können seelische Krisen auslösen. Speziell für die Aufarbeitung von Herzschmerz ist das Videogame „Florence“ entwickelt worden. Dabei erlebt der Spieler die Liebesgeschichte eines Paares vom ersten Verlieben bis zum Zusammenleben und schließlich dem Scheitern der Beziehung mit. Weil der Spieler direkt beteiligt ist, und wenn er nur beim Verfassen von romantischen Chat-Nachrichten hilft oder anhand von Wischbewegungen gemeinsam mit „Florence“ und ihrem Partner im Badezimmer die Zähne putzt, erlebt er die Höhen und Tiefen intensiv mit und kann so gegebenenfalls mit dem eigenen Drama besser fertig werden.
Andere Spiele helfen unterschwelliger, etwa durch ihre Soundtracks. Weil gerade bei erfolgreichen Videospielen der Begleitmusik hohe emotionale Bedeutung zukommt und unsere Instinkte angesprochen werden, kann es sogar eine kathartische Wirkung haben, wenn bei einem Strategiespiel im Rhythmus der Musik gekämpft wird, ob der Gegner nun ein virtueller Terrorist, ein computergerendertes Monster oder im Umkehrschluss die eigenen Traumata sind.
Weil es bei allem Nutzen für die mentale Gesundheit verführerisch sein kann, sich immer häufiger und immer länger in der virtuellen Welt zu verlieren, sollten Zocker darauf achten, den Kontakt mit echten Menschen nicht zu vernachlässigen. Das heißt noch lange nicht, dass Videospiele prinzipiell die Einsamkeit fördern, im Gegenteil. Gaming kann auch verbinden und das über Kontinente hinweg. Etliche der Superhits unter den Videospielen wie etwa „Call of Duty“ und „Dota 2“ werden in Teams von jeweils fünf Zockern gespielt. Weil es sich dabei um Multiplayer-Strategiespiele handelt, haben nur diejenigen Mannschaften auf Dauer eine echte Gewinnchance, die sich aufeinander abstimmen können. Obwohl es hilfreich sein kann, wenn man seine Teamkollegen schon vorher persönlich kennt, finden sich so manche Mannschaften erst nach diversen Online-Runden zusammen und entwickeln zum Teil Freundschaften, die weit über das reine Gaming hinausgehen. Online-Chats helfen dabei. Selbst wenn nur allein gezockt wird, gibt es etliche Games wie zum Beispiel Live-Poker im Online-Casino, wo der Dealer ein Mensch aus Fleisch und Blut ist und die Zocker Kontakt mit ihm über die Chat-Box aufnehmen können.
Introvertierten Leuten wird das möglicherweise leichter fallen, als sich Auge in Auge in einem Raum gegenüberzusitzen, obwohl immer mehr Apps oder Konsolenspiele ebenfalls im Mehrfachplayer-Modus gezockt werden können, so dass gemeinsame Spieleabende auch mit räumlich getrennten Freunden kein Problem sind. Die Psyche ist dankbar dafür, selbst wenn die Zocker sich der positiven Wirkung nicht bewusst sind.