Das Aufsehen war doch einigermaßen groß, als Bayern-Coach Julian Nagelsmann kürzlich anregte, die Spieler auf dem Feld mit Funkgeräten auszurüsten. Offensichtlich ist der innovativ veranlagte Übungsleiter der Bayern davon überzeugt, dass dies der nächste Schritt im Fußball sein müsste. Das Konzept ist indes nicht neu. Im American Football haben die Trainer schon seit vielen Jahren die Möglichkeit, ihren wichtigsten Spielern Mitteilungen direkt aufs Ohr zu geben. Dasselbe gilt für den Boxenfunk in der Formel 1.
Von oben sieht man vieles besser
In Sportarten wie American Football oder Rugby, bei denen vieles auf die taktische Formation ankommt, sitzen schon länger auch Trainer auf der Tribüne. Um mit den Erkenntnissen aus dem laufenden Spiel sofort etwas erreichen zu können, ist allerdings gute Kommunikation gefragt. Entweder nehmen die Beobachter den mitunter langen Weg von der Tribüne in die Katakomben unter die Füße – oder man behilft sich einer Funkverbindung. Diese eignet sich nicht nur für taktische Anweisungen. Sie kann auch für das medizinische Personal rund um eine Mannschaft sehr wertvoll sein.
Auf der Tribüne teilen sich die Coaches die Plätze mit vielen Zuschauern, die vielleicht auch gerne Einfluss auf das Geschehen nehmen würden. Das haben die Veranstalter großer Turniere und Meisterschaften längst erkannt. Für die Champions League und diverse Meisterschaften gibt es „Fantasy Football“-Ligen, in denen die interessierten Teilnehmer ihre eigene Elf aufstellen können. Dabei müssen sie sich wie in einem richtigen Verein an ein Budget halten.
Dass solche Fantasy-Ligen überhaupt funktionieren, hängt unter anderem damit zusammen, dass im Sport immer mehr Daten gesammelt werden. Was die Verantwortlichen interessiert, kann auch für die Zuschauer interessant werden. Wer beispielsweise während den Six Nations Fantasy-Rugby spielt, erzielt mit seinen Spielern Punkte für gewonnene Meter mit dem Ball in der Hand und für jedes erfolgreiche Tackling. Auch für den Marktwert aller zur Verfügung stehenden Spieler ist eine Vielzahl von Faktoren verantwortlich, für die während der Spiele Daten gesammelt werden.
Simulationen werden immer echter
Für die bekannten Spielsimulationen wie FIFA oder die Formel 1-Games von EA Sports bedeutet dies, dass sie immer echter werden. Gleichzeitig stehen aber gerade die Entwickler dieser Spiele unter einem enormen Druck. Online werden zum Beispiel die Bewertungen der einzelnen Spieler bei den FIFA-Games teilweise sehr kontrovers diskutiert. Selbst die in der Software abgebildeten Spieler haben sich schon in solche Diskussionen eingemischt, allerdings ohne Erfolg. Die Entwickler lassen sich selbst von den besten Akteuren nichts einreden.
Die konsequente Sammlung der Daten hat zudem zur Folge, dass auch die Buchmacher immer präziser arbeiten können. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto genauer sind die Wett-Tipps, die man im Internet findet. Der Einfluss eines einzelnen Spielers auf die Erfolgschancen seiner Mannschaft lässt sich heute viel besser einschätzen. So gelten Brasilien (Quote 7,00) und Frankreich (7,50) mit Stand am 27. Oktober 2021 bei Betway als Favoriten für den WM-Titel 2022. Sollten sich aber Schlüsselspieler wie Neymar bei Brasilien oder Kylian Mbappé bei Frankreich verletzen, sind vielleicht schnell einmal andere Teams die Topfavoriten.
Wird der Sport je perfekt?
Sehr oft steht zur Diskussion, wie viel Technologie es im Sport überhaupt verträgt. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die NFL im American Football oder die WM in der Formel 1, bekommt man das Gefühl, dass ohne Technologie überhaupt nichts mehr geht. Doch dabei geht sehr schnell vergessen, dass es immer noch sportliche Höchstleistungen braucht, um das umzusetzen, was einem die Daten und die Technik anzeigen. Dass auch 2021 immer noch Pässe nicht ankommen und Fahrer im Rennen von der Strecke geraten, zeigt wunderbar, dass der Faktor Mensch im Sport noch immer der wichtigste ist.
Quasi „perfekten“ Sport, bei dem überhaupt keine Fehler mehr passieren, werden wir aber hoffentlich nie erleben. Wer solchen Sport erleben möchte, kann bereits eine Simulation wie FIFA 21 oder Madden NFL auf einem viel zu niedrigen Schwierigkeitsgrad spielen. Schnell einmal dürfte dann entweder das Interesse schwinden – oder die Lust auf etwas mehr Herausforderung immer größer werden. Zudem birgt das Streben zur Perfektion auf anderen Ebenen wieder neue Herausforderungen. Die Angst davor, einen entscheidenden Fehler zu begehen, wird immer größer. Wo man sich früher damit begnügt hat, es halt einfach bei nächster Gelegenheit besser zu machen, bekommt man heute viel zu schnell die Quittung präsentiert.