Dying Light: The Beast

[Review] Dying Light: The Beast

Die Dying Light-Serie hat seit dem ersten Teil 2015 eine treue Fanbase aufgebaut, die die einzigartige Mischung aus Survival-Horror und Parkour zu schätzen weiß. Während Dying Light 2: Stay Human neue Wege einschlug und durchaus seine Berechtigung hatte, kehrt Techland mit Dying Light: The Beast nun zu einem anderen Ansatz zurück. Das Ergebnis ist ein Spiel, das sowohl Vertrautes als auch Neues bietet und dabei eine ganz eigene Identität entwickelt.

Was als DLC-Erweiterung für den zweiten Teil begann, wuchs während der Entwicklung zu einem vollwertigen, eigenständigen Abenteuer heran. Diese Entscheidung zahlt sich aus, denn The Beast fühlt sich keineswegs wie nachgelieferter Inhalt an, sondern wie ein durchdachtes, in sich geschlossenes Werk, das eine neue Richtung für die Serie aufzeigt.

Die Rückkehr von Kyle Crane

Dreizehn Jahre sind vergangen, seit Kyle Crane in Harran gegen die Zombie-Apokalypse kämpfte. Diese Zeit hat ihre Spuren hinterlassen – und zwar buchstäblich. Nach Jahren der Gefangenschaft und brutaler Experimente durch den mysteriösen „Baron“ ist Crane nicht mehr der Mensch, der er einmal war. Die experimentelle Zombie-DNA, die ihm injiziert wurde, hat ihn zu etwas zwischen Mensch und Bestie gemacht.

Die Geschichte beginnt mit Cranes Flucht aus einem Labor im malerischen Castor Woods, einem ehemaligen Touristengebiet östlich von Seattle. Unterstützt von der geheimnisvollen Olivia, macht sich Crane auf eine Reise der Rache, die ihn tief in eine Verschwörung führt, die weit über seine persönliche Tragödie hinausgeht. Was folgt, ist eine deutlich fokussiertere Erzählung als in Dying Light 2, die sich ganz auf Cranes inneren Konflikt zwischen Menschlichkeit und Bestialität konzentriert.

Die Charakterentwicklung ist dabei ein echtes Highlight. Robert Craig Smith kehrt als Sprecher zurück und verleiht dem gealterten, gezeichneten Crane eine raue Glaubwürdigkeit, die perfekt zu seinem neuen Status als geschundener Antiheld passt. Die Nebenfiguren, die Crane in Castor Woods begegnet, sind ebenfalls gut geschrieben und bieten interessante Einblicke in eine Welt, die sich seit der ursprünglichen Zombie-Apokalypse weiterentwickelt hat.

Castor Woods: Kleiner, aber dichter

Einer der größten Kritikpunkte an Dying Light 2 war die schiere Größe der Spielwelt, die oft zulasten der Atmosphäre ging. Castor Woods geht den entgegengesetzten Weg: Das Gebiet ist deutlich kompakter als Villedor, aber jeder Quadratmeter wurde mit Liebe zum Detail gestaltet. Die von der TV-Serie Twin Peaks inspirierte Landschaft bietet eine perfekte Mischung aus idyllischer Naturschönheit und unterschwelligem Horror.

Bei Tag präsentiert sich Castor Woods als malerisches Urlaubsparadies mit dichten Wäldern, kristallklaren Seen und charmanten Hütten. Doch sobald die Sonne untergeht, verwandelt sich die Landschaft in einen alptraumhaften Ort voller Gefahren. Die Entwickler haben es geschafft, selbst bei Tageslicht eine konstante Anspannung aufrechtzuerhalten – man weiß nie, was hinter der nächsten Baumreihe lauert.

Die Vertikalität, die das Markenzeichen der Serie ist, wurde clever in die ländliche Umgebung integriert. Stromleitungen, Baumkronen und Felswände bieten reichlich Möglichkeiten für spektakuläre Parkour-Einlagen, ohne dass die natürliche Optik der Landschaft leidet.

Bestialische Gameplay-Mechaniken

Das Herzstück von Dying Light: The Beast ist zweifellos der neue Beast Mode. Diese Mechanik verwandelt Crane temporär in eine Kampfmaschine, die Zombies mit bloßen Händen zerreißen kann. Was zunächst wie ein billiger Power-Fantasy-Gimmick klingen mag, entpuppt sich als durchdacht balanciertes Gameplay-Element.

Der Beast Mode lädt sich durch Kämpfe und erlittenen Schaden auf und kann in kritischen Situationen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Die brutalen Finisher-Moves sind zwar spektakulär anzusehen, aber Techland hat darauf geachtet, dass sie nicht zum Standard-Werkzeug für jeden Kampf werden. Vielmehr fungiert der Beast Mode als Notfallknopf in aussichtslosen Situationen.

Das reguläre Kampfsystem kehrt zu den Wurzeln der Serie zurück. Waffen brechen wieder schneller, Munition ist knapper, und jeder Kampf will wohlüberlegt sein. Die Survival-Aspekte, die in Dying Light 2 etwas vernachlässigt wurden, stehen wieder im Vordergrund. Ressourcenmanagement und sorgfältige Planung sind erneut essentiell für das Überleben.

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Tag und Nacht: Der Alptraum kehrt zurück

Eine der größten Enttäuschungen von Dying Light 2 war die verwässerte Tag-Nacht-Dynamik. In The Beast haben die Entwickler diesem Grundpfeiler der Serie wieder die nötige Bedeutung verliehen. Tagsüber herrscht eine trügerische Ruhe, in der man Ressourcen sammelt, Quests erledigt und die Gegend erkundet. Doch sobald die Sonne untergeht, verwandelt sich Castor Woods in die Hölle auf Erden.

Die Volatiles sind zurück und gefährlicher denn je. Sie bewegen sich in größeren Rudeln, sind aggressiver und deutlich schwerer abzuschütteln als in früheren Spielen. Das Gefühl, nachts draußen zu sein, ist wieder mit echter Angst verbunden. Jeder Lichtstrahl kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, und die Flucht in sichere Zonen wird zu einem nervenaufreibenden Sprint ums Überleben.

Die nächtlichen Sequenzen gehören zu den intensivsten Momenten, die die Serie je geboten hat. Besonders in den späteren Spielabschnitten, wenn Crane tief in unterirdische Anlagen oder verlassene Laborkomplexe vordringen muss, erreicht die Spannung ein fast unerträgliches Niveau.

Grafik und Atmosphäre: Technische Exzellenz

Visuell setzt Dying Light: The Beast neue Maßstäbe für die Serie. Die Unreal Engine 5 ermöglicht eine Detaildichte, die beeindruckt, ohne dabei die Performance zu beeinträchtigen. Auf PlayStation 5 und Xbox Series X läuft das Spiel stabil mit 60fps, während die Beleuchtung und Schatten eine Atmosphäre schaffen, die ihresgleichen sucht.

Besonders beeindruckend ist die Darstellung der natürlichen Umgebung. Die Wälder von Castor Woods fühlen sich lebendig an, mit realistischem Laubwerk, das im Wind raschelt, und einer Wettersimulation, die für zusätzliche Immersion sorgt. Leider gibt es momentan einen Bug mit der Regenintensität, der die Sicht übermäßig beeinträchtigen kann, aber Techland arbeitet bereits an einer Lösung.

Die Zombie-Designs wurden ebenfalls überarbeitet und wirken erschreckender als je zuvor. Jeder Untote erzählt durch sein Aussehen eine Geschichte, und die Verwesungsdetails sind so realistisch umgesetzt, dass sie selbst Horror-Veteranen das Fürchten lehren können.

Sound: Symphonie des Schreckens

Akustisch liefert Dying Light: The Beast eine Meisterleistung ab. Der Soundtrack verstärkt geschickt die Stimmung jeder Situation, ohne sich jemals in den Vordergrund zu drängen. In ruhigen Momenten sorgen subtile Naturgeräusche für Entspannung, während in Kampfsituationen orchestrale Klänge die Intensität verstärken.

Die deutsche Synchronisation ist auf hohem Niveau, auch wenn die englische Originalfassung empfehlenswert bleibt. Cranes deutsche Stimme transportiert seine Verbitterung und innere Zerrissenheit überzeugend, auch wenn Robert Craig Smiths Original-Performance etwas mehr Nuancen bietet.

Besonders gelungen sind die Umgebungsgeräusche. Das Knacken von Ästen in der Ferne, das entfernte Stöhnen von Zombies oder das bedrohliche Knurren der Volatiles schaffen eine konstante Grundspannung, die das Spiel zu einem wahren Kopfhörer-Erlebnis macht.

Koop-Modus: Geteiltes Leid ist halbes Leid

Der Koop-Modus für bis zu vier Spieler funktioniert nahtlos und verstärkt sowohl die taktischen als auch die Horror-Aspekte des Spiels. Gemeinsam mit Freunden durch die nächtlichen Wälder zu schleichen oder einen Zombie-Schwarm im Beast Mode zu dezimieren, gehört zu den Highlights des Spiels.

Die Balance zwischen Einzelspieler- und Mehrspielererfahrung ist dabei gut gelungen. Auch im Koop-Modus bleiben die Survival-Elemente herausfordernd, und die Koordination zwischen den Spielern wird bei schwierigeren Passagen essentiell.

Umfang und Wiederspielwert

Mit einer Spielzeit von etwa 20-25 Stunden für die Hauptkampagne bietet Dying Light: The Beast eine angemessene Länge, ohne zu überdehnen. Zahlreiche Nebenquests, versteckte Geheimnisse und Sammelobjekte sorgen für zusätzliche Spielstunden, wer alles entdecken möchte, kann leicht 35+ Stunden investieren.

Die verschiedenen Schwierigkeitsgrade bieten unterschiedliche Erfahrungen. Während der leichte Modus Neueinsteigern entgegenkommt, fordern normale und schwere Schwierigkeitsgrade selbst Serien-Veteranen heraus. Die Möglichkeit, bei Tod Erfahrungspunkte zu verlieren, sorgt dafür, dass jede Entscheidung Gewicht hat.

Kleine Schwächen im großen Bild

Trotz aller Stärken hat Dying Light: The Beast einige kleinere Schwächen. Die Kämpfe gegen menschliche Gegner fühlen sich weiterhin etwas träge an, da diese zu häufig ausweichen oder blocken. Hier wäre eine Überarbeitung der KI wünschenswert gewesen.

Einige Kletterpassagen können frustrierend werden, da die First-Person-Perspektive manchmal die Orientierung erschwert. Auch die Boss-Kämpfe gegen die experimentellen Chimären sind eher traditionell gehalten und bieten wenig Innovation.

Der Verzicht auf Ray-Tracing ist angesichts der ansonsten hohen technischen Standards etwas enttäuschend, auch wenn das Spiel ohne diese Features bereits beeindruckend aussieht.

Fazit

Dying Light: The Beast ist die Rückkehr zur Form, die sich Fans der Serie gewünscht haben. Techland hat es geschafft, die Stärken des Originals mit modernen Gameplay-Elementen zu verbinden, ohne dabei die Seele der Serie zu verlieren. Die Beast-Mechanik fügt sich organisch in das bewährte Survival-Horror-Konzept ein, und die kompaktere Spielwelt von Castor Woods bietet mehr Atmosphäre pro Quadratmeter als jeder vorherige Serienteil.

Kyle Cranes Rückkehr fühlt sich sowohl nostalgisch als auch frisch an, und seine Reise der Rache bietet genügend emotionale Tiefe, um über die gesamte Spielzeit zu tragen. Die Rückkehr zu den Survival-Wurzeln der Serie, kombiniert mit der wieder furchteinflößenden Nacht-Dynamik, macht jede Spielminute zu einem Erlebnis.

Wer das Original Dying Light geliebt hat oder generell Gefallen an Survival-Horror findet, erhält mit The Beast ein nahezu perfektes Paket. Es ist zwar kein revolutionärer Schritt für das Genre, aber eine meisterhafte Verfeinerung bewährter Konzepte. Nach den enttäuschten Stimmen aus der Community zu Dying Light 2 zeigt Techland damit, dass sie den Puls ihrer Fanbase wieder gefunden haben.

Dying Light: The Beast ist nicht nur eine Wiedergutmachung – es ist die Bestätigung, dass in Sachen „Zombie-Apokalypse“ noch lange nicht alles gesagt ist.

Wertung: 8.5/10

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