Escape Dead Island

[Review] Escape Dead Island

Wenn der Wahnsinn auf die Apokalypse trifft

Mit Escape Dead Island wagt Deep Silver ein interessantes Experiment innerhalb des Dead Island Universums. Nach dem durchschlagenden Erfolg der Hauptreihe und dem eher durchwachsenen Riptide versucht man es nun mit einem völlig anderen Ansatz. Fatshark, die schwedischen Entwickler hinter War of the Roses und War of the Vikings, übernehmen die Entwicklung und liefern uns kein weiteres Zombie-Gemetzel mit RPG-Elementen, sondern ein Story-fokussiertes Action-Adventure mit Cel-Shading-Optik. Ein mutiger Schritt, der die Frage aufwirft: Kann diese neue Herangehensweise dem etablierten Franchise gerecht werden?

Die Suche nach der Wahrheit

Cliff Calo, seines Zeichens Sohn eines mächtigen Medienmoguls, hat sich vorgenommen, dem Vater zu beweisen, dass er mehr ist als nur ein verwöhnter Millionärssproß. Gemeinsam mit seinen Freunden Linda und Devan macht er sich auf den Weg zur mysteriösen Insel Narapela, die sich unweit von Banoi befindet. Das Ziel: Die wahre Geschichte hinter dem Zombie-Ausbruch aufdecken und mit einer bahnbrechenden Story zurückkehren. Was als investigatives Abenteuer beginnt, entwickelt sich jedoch schnell zu einem Alptraum, bei dem Realität und Wahnsinn zunehmend verschwimmen.

Die narrative Struktur unterscheidet sich fundamental von den Vorgängern. Während wir in Dead Island und Riptide verschiedene Charaktere mit individuellen Fähigkeiten steuerten, konzentriert sich Escape Dead Island komplett auf Cliffs Perspektive. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig, ermöglicht aber eine wesentlich fokussiertere und persönlichere Geschichte. Die Erzählung nimmt dabei zunehmend surreale Züge an, wenn Cliff mit fortschreitender Handlung immer stärker den Verstand zu verlieren scheint. Plötzlich verändert sich die Umgebung, Zombies tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder, die Welt steht Kopf – im wahrsten Sinne des Wortes.

Diese psychedelischen Einlagen sind definitiv das Highlight des Spiels. Sie heben Escape Dead Island wohltuend von der Masse generischer Zombie-Titel ab und sorgen für einige wirklich denkwürdige Momente. Besonders eindrucksvoll ist eine Sequenz, in der die komplette Spielwelt auf den Kopf gestellt wird und wir buchstäblich an der Decke entlanglaufen. Solche Momente zeigen, dass Fatshark durchaus kreative Ideen hatte, auch wenn die Umsetzung nicht immer perfekt gelingt.

Schleichen statt Schlachten

Das Gameplay orientiert sich stark an Stealth-Mechaniken, was für ein Dead Island-Spiel zunächst ungewohnt erscheint. Cliff ist kein trainierter Kämpfer, sondern ein normaler Mensch in einer außergewöhnlichen Situation. Dementsprechend limitiert sind seine Kampffähigkeiten. Zu Beginn steht uns lediglich ein simples Messer zur Verfügung, später kommen eine Axt, eine Pistole und schließlich eine Schrotflinte hinzu. Das Arsenal bleibt überschaubar und Munition ist kostbar – ein deutlicher Kontrast zum waffenstrotzenden Chaos der Hauptreihe.

Die Betonung liegt eindeutig auf dem heimlichen Vorgehen. Schleichangriffe von hinten erledigen normale Zombies mit einem Schlag, während frontale Konfrontationen schnell gefährlich werden können. Besonders die später auftauchenden Spezialzombies wie der Butcher oder die Siren zwingen uns zu taktischem Vorgehen. Der Butcher etwa ist nahezu unverwundbar und muss umgangen werden, während die Siren mit ihren markerschütternden Schreien weitere Untote anlockt.

Das Kampfsystem selbst wirkt allerdings etwas träge und unpräzise. Die Nahkampfmechaniken fühlen sich schwammig an, Treffer haben kaum spürbares Feedback und die Ausweichrolle reagiert nicht immer zuverlässig. Hier merkt man deutlich, dass Fatshark primär Erfahrung mit mittelalterlichen Mehrspielerschlachten hat und der Sprung zum Einzelspieler-Zombie-Adventure noch nicht ganz geglückt ist. Frustration entsteht besonders dann, wenn man aufgrund der ungenauen Steuerung entdeckt wird und plötzlich einem ganzen Zombie-Rudel gegenübersteht.

Ein Paradies im Comic-Look

Optisch schlägt Escape Dead Island einen komplett anderen Weg ein als seine Vorgänger. Der realistische Look weicht einer stilisierten Cel-Shading-Grafik, die dem Spiel einen comichaften Anstrich verleiht. Diese Designentscheidung polarisiert: Während die einen den frischen visuellen Ansatz begrüßen, vermissen andere die düstere Atmosphäre der Hauptreihe.

Technisch macht der Titel eine solide Figur. Die Umgebungen sind detailliert gestaltet, auch wenn sie nicht die Größe und Offenheit der Open-World-Vorgänger erreichen. Narapela präsentiert sich als halboffene Spielwelt mit verschiedenen Arealen, die nach und nach freigeschaltet werden. Von verlassenen Stränden über ein geheimes Forschungslabor bis hin zu dichten Dschungelgebieten bietet die Insel durchaus Abwechslung. Die Performance ist auf PlayStation 3 und Xbox 360 weitgehend stabil, auch wenn gelegentliche Framerate-Einbrüche bei größeren Zombie-Ansammlungen auftreten.

Die Soundkulisse trägt maßgeblich zur Atmosphäre bei. Besonders in den ruhigeren Momenten, wenn man durch die scheinbar verlassenen Areale schleicht, erzeugen die Umgebungsgeräusche eine konstante Anspannung. Das Stöhnen entfernter Zombies, das Rascheln im Gebüsch oder das plötzliche Kreischen einer Sirene halten uns konstant auf Trab. Der Soundtrack untermalt die surrealen Sequenzen mit elektronischen Klängen, die Cliffs zunehmenden Realitätsverlust unterstreichen.

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Die Schatten der Vergangenheit

Ein interessanter Aspekt ist die Verbindung zur Hauptreihe. Escape Dead Island fungiert als narratives Bindeglied zwischen Dead Island und dem angekündigten Dead Island 2. Durch Audioaufzeichnungen und Dokumente erfahren wir mehr über die Hintergründe des Virus-Ausbruchs und die dubiosen Machenschaften der GeoPharm Corporation. Fans der Reihe werden einige bekannte Namen und Referenzen entdecken, die das größere Bild des Dead Island Universums vervollständigen.

Das Sammelspiel wurde ebenfalls integriert. Über die gesamte Insel verteilt finden sich Postcards, die zusätzliche Story-Schnipsel liefern. Diese zu sammeln ist optional, aber für Komplettionisten und Lore-Enthusiasten durchaus lohnenswert. Sie gewähren Einblicke in die Ereignisse vor und während des Ausbruchs und helfen dabei, die teilweise kryptische Haupthandlung besser zu verstehen.

Zwischen Genie und Wahnsinn

Die größte Stärke von Escape Dead Island ist gleichzeitig seine größte Schwäche: die experimentelle Natur. Die Entwickler wagten es, etablierte Konventionen über Bord zu werfen und etwas Neues zu versuchen. Das verdient Respekt, führt aber zu einem unausgewogenen Spielerlebnis. Die brillanten Momente, in denen das Spiel mit unserer Wahrnehmung spielt und uns die Realität hinterfragen lässt, werden von frustrierenden Gameplay-Passagen und technischen Unzulänglichkeiten überschattet.

Die Spielzeit fällt mit etwa 6-8 Stunden für die Hauptstory relativ knapp aus. Wer alle Sammelobjekte finden und die New Game Plus-Option nutzen möchte, kann noch einige Stunden draufpacken. Der Wiederspielwert hält sich dennoch in Grenzen, da die lineare Struktur und das Fehlen von Charakterentwicklung oder verschiedenen Schwierigkeitsgraden wenig Anreiz für einen zweiten Durchgang bieten.

Besonders schmerzhaft ist das Fehlen eines Koop-Modus. Gerade die Hauptreihe lebte vom gemeinsamen Zombie-Schnetzeln mit Freunden. In Escape Dead Island ist man komplett auf sich allein gestellt, was zwar zur düsteren Atmosphäre beiträgt, aber ein wichtiges Element der Dead Island-DNA vermissen lässt.

Fazit

Escape Dead Island ist ein mutiges Experiment, das nicht vollständig aufgeht. Fatshark verdient Anerkennung für den Versuch, dem Franchise eine neue Richtung zu geben und sich nicht auf den Lorbeeren der erfolgreichen Vorgänger auszuruhen. Die psychedelischen Elemente und die fokussierte Erzählung heben den Titel von der Masse ab und bieten einige wirklich denkwürdige Momente.

Gleichzeitig krankt das Spiel an seiner technischen Umsetzung und dem teilweise frustrierenden Gameplay. Die Kampfmechaniken wirken unausgereift, die KI ist bestenfalls funktional und die relativ kurze Spielzeit rechtfertigt kaum den vollen Preis. Als Brückentitel zwischen Dead Island und Dead Island 2 erfüllt es seinen Zweck, als eigenständiges Spielerlebnis bleibt es jedoch hinter den Erwartungen zurück.

Fans der Reihe, die mehr über die Hintergründe des Zombie-Ausbruchs erfahren möchten und bereit sind, über die spielerischen Schwächen hinwegzusehen, werden durchaus unterhalten. Wer jedoch das kooperative Zombie-Gemetzel mit RPG-Elementen sucht, das die Hauptreihe auszeichnet, wird enttäuscht werden. Escape Dead Island ist ein interessanter Ausflug in bekannte Gefilde, der zeigt, dass manchmal der sichere Weg der bessere ist. Ein solider Titel für Zwischendurch, aber kein Must-Have für die Sammlung.

Wertung: 65/100

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