Gran Turismo Sport

[Review] Gran Turismo Sport

Das erste Gran Turismo einer neuen Konsolengeneration ist eigentlich immer etwas Besonderes. Doch nachdem es mittlerweile mehr als zehn Ableger, wenn man alle Prolog-Versionen und Zwischenveröffentlichungen berücksichtigt, gibt und die PlayStation 4 schon seit sage und schreibe vier Jahren auf dem Markt ist, fragt man sich schon irgendwie, worauf man tatsächlich wartet? Alles „nur“ schöner, besser und schneller? Wird der siebte Hauptteil der Serie eine Revolution? Da könnte man vorab schon mal sagen ja, allerdings nicht unbedingt so, wie viele Spieler das erwartet haben. Aufgrund des, laut Serienschöpfers Kazunori Yamauchi, mangelhaften Auto-Wissens der meisten Spieler gibt es keinen klassischen GT-Modus. Es scheint so, als hätte sich beim ersten Gran Turismo seit fast vier Jahren doch so einiges getan.

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Grafik

Wie man es für ein modernes Rennspiel und eben auch für ein typisches Gran Turismo erwartet, ist die Grafik natürlich auf hohem Niveau. Die Fahrzeuge sind detailliert und absolut realitätsgetreu gestaltet. Aber auch die Innenansichten der Fahrzeuge sind einfach phantastisch gelungen. Die Rennen laufen jederzeit absolut flüssig und auch das in der Vergangenheit störende Kantenflimmern gehört dank der leistungsstarken Technik der Vergangenheit an. Das Spiel läuft sowohl auf der PS4 in der Standardausführung als auch auf der PS4 Pro mit konstanten 60 Frames pro Sekunde. Auf der PS4 Pro darf man allerdings dank 4k und HDR eine noch schönere Grafik genießen. Alternativ darf man sogar noch ein wenig an den Einstellungen. Bei der Streckengestaltung haben sich die Entwickler wieder viel Mühe gegeben, es gibt sehr viele Details am Rande und auch hier lässt sich eine enorme Realitätsnähe bescheinigen. Den etwas „sterilen“ Look hat man zwar immer noch nicht ganz eliminiert (vielleicht will man das auch nicht?), aber zumindest sieht das alles verdammt gut aus. Immer noch ein Fremdwort im Gran Turismo-Wörterbuch ist „Schadensmodell“, denn auf dieses muss man auch in Gran Turismo Sport verzichten, viel mehr als ein paar Kratzer im Lack sind nicht drin.. Das ist etwas schade, denn selbst andere Spiele bei denen der Fahrzeugschaden keine großen oder direkten Auswirkungen auf das Fahrverhalten hat, bilden diesen zumindest optisch ab. Auch auf ein dynamisches Wettersystem haben die Entwickler verzichtet. Man kann zwar die Strecken alle zu diversen unterschiedlichen Tageszeiten fahren, aber im Grunde ist es immer nur sonnig, bedeckt oder etwas nebelig.

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Sound

Soundtechnisch präsentiert sich Gran Turismo Sport mit authentisch klingenden Fahrzeugen ebenfalls auf einem hohen Niveau. Im Vergleich zur Konkurrenz hätte die Feinabstimmung aber etwas mehr Wucht vertragen können, doch hat Polyphony hier schon ordentlich zugelegt, im Vergleich zum Vorgänger. Die detaillierten Rennstrecken wurden auch mit der passenden Soundkulisse bedacht. Das heißt, was man sieht, macht in der Regel auch Geräusche, sprich man hört Flugzeuge, Hubschrauber oder halt die typische Akustik örtlicher Begebenheiten. Die Trackliste des Soundtracks ist recht lang, der bekannteste Track dürfte für die meisten Spieler „Run Boy Run“ von Woodkid sein (bekannt aus der Vodafone-Werbung oder aus dem Film ‚Die Bestimmung – Divergent‘). Die meisten Songs passen auch gut zum Geschehen, sprich zu rasanten Autorennen. Jedoch kommt die Zusammenstellung nicht ganz an die von Gran Turismo 2 heran, wo die Musik enorm zur Atmosphäre beigetragen hat und einen zu immer besseren Rundenzeiten peitschte. Dafür darf man in den Einstellungen einiges auf die eigenen Vorlieben anpassen, so dass man aus dem Gegebenen das Optimale auswählen kann.

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Gameplay

Das Intro macht es auch gewohnt und serienüblich, mit klassischen Klängen wird das Automobil zelebriert. Hier ist nicht knallbunt, hier kommt kein Techno aus den Boxen. Das Automobil ist ein Wunder der Technik, eine geniale Erfindung und das soll klar herausgestellt werden. Ebenso wird der Rennsport gefeiert und geehrt.

Kommt man dann ins Menü, werden sich Serienkenner sehr schnell zurecht finden, denn man findet auch hier ein gewohnt aufgeräumtes, modernes und übersichtlich gestaltetes Menü vor. Und wenn man sich dann so umschaut, findet man dann die diversen Modi und Rennoptionen vor und bekommt traurige Gewissheit, das Herzstück eines Gran Turismo fehlt – der GT-Modus, mit dem man eine eigene Karriere als Rennfahrer startete. Das, was jahrelang Gran Turismo ausmachte, nämlich als absoluter Newcomer in der Rennszene aus ein paar Gebrauchtwagen seinen ersten Startwagen auswählen und mit ein paar lausigen Piepen in der Tasche auf ins erste Rennen. Geld verdienen, neue Autos gewinnen und immer mehr Rennserien frei spielen. Aber so ganz ersatzlos wurde die Karriere dann doch nicht gestrichen. Immerhin gibt es recht viele persönliche Herausforderungen und Rennserien gibt es immer noch. Das heißt, dass es Rennveranstaltungen gibt, zu denen nur bestimmte Fahrzeugtypen und Modelle zugelassen sind. Dementsprechend sind dann auch die anderen Fahrer ausgestattet. Altbekannt ist auch die Fahrschule, in der bestimmte Übungen gemeistert werden müssen und in der am Ende einer erfolgreich absolvierten Übungsserie auch eine Belohnung wartet. Beispielsweise das gezielte Bremsen oder optimale Kurvenfahrten. Darüber hinaus gibt es noch Tonnen von zusätzlichen Aufgaben und Herausforderungen, zudem sammelt man Bonusmeilen, Erfahrung und natürlich Credits. Für alles, was man erwirbt, kann man sich nach und nach zahlreiche Fahrzeuge, Zubehör und diversen anderen Schnick Schnack wie beispielsweise Lackierungen kaufen. Man merkt hier klar, dass man zum einen das Spiel für Einsteiger und Gelegenheitsspieler etwas zugänglicher machen wollte und zum anderen ist hier auch weiter in Richtung Langzeitmotivation gedacht worden. Es gibt nämlich auch Tages- und Wochenaufgaben, die man erledigen kann. Dies ist dann auch die Überleitung zum Online-Zwang. Es ist durchaus schön, wenn ein Spiel zusätzliche Möglichkeiten und Optionen bietet, wenn man online ist (nicht spielt!). Das machen andere Hersteller auch und oft macht das Sinn und kommt in der Regel auch gut an. Der Schuss kann aber sehr schnell nach hinten losgehen, wenn man die Spieler zwingt, online zu sein und man nicht einmal konkret nachvollziehen kann, warum. Dies ist bei Gran Turismo Sport leider der Fall. Ohne Internetverbindung steht lediglich der Arcade-Modus zur Verfügung. Die meisten Spieler wird es nicht stören, aber wer dadurch eingeschränkt ist, wird zu recht verärgert sein.

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Der Fuhrpark hat leider auch enorm abgespeckt und wird Serienfans wahrscheinlich etwas enttäuschen. Bot der Vorgänger noch die gigantische Anzahl von bis zu 1200 Fahrzeugen, kann Gran Turismo derzeit nur mit etwa 160 Fahrzeugen aufwarten. Die Streckenauswahl ist mit 40 Layouts in etwa so zahlreich wie beim direkten Vorgänger, hier gibt es aber im Grunde häufiger nur andere Varianten bestimmter Strecken oder Teilabschnitte davon. Dafür spielt Gran Turismo dann beim Fahren der realitätsgetreu nachgebildeten Autos seine Stärken aus. Alle Fahrzeuge wurden wieder mit absoluter Akribie und Liebe zum Detail umgesetzt, so dass sich auch das Fahrverhalten absolut authentisch anfühlt. So kann man dann mit den unterschiedlichsten Boliden gezielt seine Bestzeiten in Angriff nehmen. Hierbei unterstützt einen auch das recht gute Ghosting-System. Immerhin stellt sich hier etwas das altbewährte Gran Turismo-Feeling ein. Im Grunde fehlt, was die perfekte Simulation angeht, nur das Schadensmodell. Das wäre ein Punkt, der in der Tat mal ins Auge gefasst werden könnte, zumindest optisch. Die KI der Computer-Fahrer ist in drei Schwierigkeitsstufen unterteilt und kann vor einem Rennen gewählt werden. Allerdings ist auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad die KI oft keine richtig harte Herausforderung. Auch dies zeigt, dass man sich enorm Richtung Einsteigerfreundlichkeit bewegt hat, aber zumindest eine Schwierigkeitsstufe mit etwas mehr „Pfiff“ hätte durchaus sein dürfen. Für Auto-Fans haben die Entickler dann noch einen umfangreichen Foto-Modus integriert, mit dem sich tolle Bilder der eigenen Fahrzeuge erstellen und diese sich mit nahezu fotorealistischen Hintergrunden versehen lassen. In Kombination mit den vielen Anpassungsmöglichkeiten, wie beispielsweise Lackierungen, lassen sich wirklich phantastische Bilder zaubern.

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Im Multiplayer-Bereich gibt es dann mehr Erfreuliches zu entdecken. Polyphony Digital hat in Gran Turismo Sport einen Split Screen-Modus integriert, so dass man schnell mal direkte Duelle gegeneinander fahren kann. Hierzu steht den Spielern die komplette Bandbreite des eigenen Fuhrparks zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, richtige Online-Rennen gegen andere Spieler zu fahren, dafür gibt es sogar ein richtiges Qualifikations-Verfahren und online spielt sogar die Fairness der Fahrer eine gewichtige Rolle. Dazu soll es bald online sogar umfangreiche Rennveranstaltungen und Turniere geben. Klingt sehr vielversprechend.

Um dem aktuellen Trend gerecht zu werden, unterstützt Gran Turismo Sport auch die PlayStation VR-Brille, allerdings handelt es sich hier (natürlich) nicht um einen vollwertigen VR-Titel. Vielmehr wurde dem Spiel ein spezieller VR-Modus spendiert. Dieser nennt sich „VR Drive“ und setzt voll auf 1-gegen-1 Rennen gegen einen KI-Gegner. Also im Grunde nur Beiwerk und nicht wirklich ein herausragendes Feature. Fairerweise muss man aber sagen, dass dies die Entwickler schon vorab öffentlich kommuniziert haben.
Optisch macht der VR-Modus einen großartigen Eindruck. Das Fahrzeuginnere ist an Detailreichtum kaum zu übertreffen. Die wenigen Strecken sind in der Ferne nicht ganz so hoch aufgelöst, aber die Straße, auf die man sich ja eigentlich auch konzentrieren sollte, ist sauber dargestellt. Die Immersion ist fantastisch, die Framerate bleibt konstant und alles fühlt sich eben nach Gran Turismo an. Mehr als ein nettes Goodie ist der VR-Modus aber wie gesagt leider nicht. Dafür ist die Streckenanzahl zu gering und die Gegner-Ki, die sich leider nicht einstellen lässt, nicht fordernd genug.

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Fazit

Mit Gran Turismo Sport haben wir nun das erste Gran Turismo für die PS4. Technisch ein absolut überzeugendes Spiel, aber inhaltlich eine ganz schwierige Kiste. Objektiv betrachtet ist Gran Turismo ein gelungenes Rennspiel, das viel bietet und auch richtig Spaß macht. Aber die einschneidenden Änderungen am Spieldesign und der „Spagat“ zwischen Simulation und Arcade sind misslungen. Da hilft es auch nicht, das ganze „Sport“ zu nennen und den Spielern mangelndes Autowissen zu unterstellen. Gran Turismo ist eine Marke, die viele Fans hat und diese haben halt gewisse Erwartungen. Das erste Gran Turismo hat Ende 1997 (bzw. in Europa Mitte 1998) Spielegeschichte geschrieben, ein Genre geprägt. Das wenig später erschienene Gran Turismo 2 darf objektiv betrachtet zu Recht als eines der besten (Renn-) Spiele aller Zeiten bezeichnet werden. Von Ableger zu Ableger war man auf dem Weg, diese Sinfonie eines Rennspiels zu perfektionieren. Man hatte eine klare Linie und scheinbar auch eine Vision. Gran Turismo Sport ist wie eine Compilation „Classic goes Rock“. Der Rock-Fan horcht interessiert den Klängen und denkt sich, dass auf diese Art auch klassische Stücke erträglich sind, während der Klassik-Fan möglicherweise in Tränen ausbricht und bedauert, was mit seinen liebsten Stücken gemacht wurde. Dass die altbekannte und beliebte GT-Karriere gestrichen wurde, stellt sich als nahezu unverzeihlicher Fehler heraus und der recht überschaubare Fuhrpark (der möglicherweise noch über DLCs erweitert wird) trübt zusätzlich den Gesamteindruck. Galt Gran Turismo jahrelang als Referenz und auch Vorbild für andere Titel, so hat aktuell der „Lehrling“ namens Project Cars 2, dem „Meister“ Gran Turismo in einigen Belangen gezeigt, wie man es machen sollte. Und plattformübergreifend ist Forza 7 aktuell der eindeutige Genrekönig.

 

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