Mit The Quarry liefert Supermassive Games sein neuestes Werk ab, das sich wie viele frühere Spiele des Entwicklers eindeutig an Spieler richtet, die ein Faible für Grusel-Thriller oder Horrorfilme haben. Mit dem 2015 erschienen Until Dawn hatte Supermassive diesen Weg eingeschlagen und sich mit mehreren ähnlichen Titeln einen gewissen Ruf als Grusel-Profis erarbeitet. The Quarry ist nach Längerem auch erstmalig wieder ein Titel dieser Art, der nicht zur The Dark Pictures Anthology gehört.
Von Beginn wird langsam Spannung und Atmosphäre aufgebaut, indem man immer wieder dazu auffordert, wird, kleine Entscheidungen zu treffen, die den weiteren Verlauf der Story beeinflussen und teilweise im Nachgang zu recht weitreichenden Konsequenzen führen können. Das Ziel ist dabei eigentlich immer dasselbe, wir erleben eine Gruppe von Menschen, die wir nach und nach in verschiedenen Szenen auch steuern und sind quasi dafür verantwortlich, das alle den nächsten Morgen noch erleben.
Story und Gameplay
In The Quarry verfolgen wir die Geschichte von (insgesamt) neun Betreuern eines Ferienlagers, die am Ende des Sommers noch für eine weitere Nacht im Wald festsitzen und nichts anderes zu tun haben, als eine letzte Party zu feiern, bevor sie in ihr eigentliches Leben zurückkehren. Zu Beginn des Spiels wird uns jedoch erst mal angeteasert, das in den Wäldern irgendetwas lauert und dabei handelt es sich definitiv nicht um Pfadfinder die uns Kekse verkaufen wollen.
Was dann folgt, ist eine Reise durch die Nacht, in der wir sehr viel erleben, was wir aus zahlreichen Teenie-Horror-Movies und Horrorfilmen bereits kennen und das zu einem spielbaren B+-Movie umgewandelt wurde, bei dem wir über weite Strecken die Regie führen dürfen. Das ist dabei auch in keiner Weise abwertend gemeint. Klar ist das The Quarry als Film definitiv nicht mit einer Oscar-Nominierung berücksichtigt werden würde, als Spiel liefert es uns aber diese faszinierende Macht Entscheidungen zu treffen und zu beobachten, was danach geschieht. Das die relativ knapp beschriebenen Auswahlmöglichkeiten öfter mal nicht wirklich ganz genau das auslösen was wir uns vorgestellt haben, macht dabei seinen ganz besonderen Reiz aus. Dazwischen gibt es immer wieder Passagen in denen die Figuren eigenständig agieren und wir sowohl deren Charakter, als auch ihre Beziehung zu anderen Mitgliedern der Gruppe beobachten und bewerten können. Natürlich um das bei nächster Gelegenheit wieder irgendwie, nach unserem Empfinden beeinflussen zu können.
Der Hauptschauplatz von The Quarry ist ein Sommercamp im Bundesstaat New York mit dem Namen Hackett’s Quarry. Im warmen Sonnenlicht und der umgebenden natürlichen Pracht vermittelt es uns einen Hauch des perfekten Sommererlebnisses, das hier in den letzten Wochen stattgefunden haben muss. Dann geht die Sonne unter, der Wald wird gefährlich still und der Albtraum beginnt. In gewohnter Manier führen uns Erkundungsszenen, Gesprächsentscheidungen, Quick-Time-Events, und Schleichpassagen durch die Nacht. Wer darauf keine Lust hat, kann den „Filmmodus“ aktivieren, darf sogar noch ein paar Einstellungen definieren und lässt das Geschehen auf Autopilot laufen, also im Grunde als würde man tatsächlich einen Film schauen. Nettes Feature, kann man mal machen, man verpasst aber auf diese Art einige wichtige Ereignisse, viele optionale Szenen und eine Menge Story-Kontext, den man nur durch manuelles Spielen erfahren kann.
Wenn man The Quarry mit den vorherigen Titeln, speziell mit Until Dawn vergleicht, stellt man fest das hier der Ansatz „interaktiver Film“ stärker ausgeprägt ist, als „spielbarer Film“. Es gibt teilweise recht lange Passagen, in den man nur zuschaut und tatsächlich gibt es mehrere Szenen, in denen das Scheitern eines Quick-Time-Events nicht zwangsläufig in einem (wirklich) negativen Ergebnis endet, was sie daher eher zu schnellen Entscheidungen als zu wirklichen Herausforderungen macht. Etwas ärgerlich ist leider das es manchmal etwas wenig Möglichkeiten zur Erkundung gibt, das hätte die Spannung durchaus erhöht, vor allem wenn sich das entdecken von Beweisen und Gegenständen auf die Handlung auswirken würde. Auch das es teilweise vorkommt das man durch betreten bestimmter Bereich direkt eine Sequenz auslöst und damit die aktuelle Erkundungsgelegenheit zu nicht macht, ist etwas schade.
Bei wiederholten Durchläufen ist es, derzeit nicht möglich Zwischensequenzen oder Dialoge zu überspringen, die man bereits gesehen hat. Das fiel vorher nie so wirklich negativ auf, in The Quarry, das etwas länger und deutlich weniger interaktiv ist, ist es leicht frustrierend. Dabei liegt ja der Reiz daran es noch einmal durchzuspielen und absichtlich andere Entscheidungen zu treffen oder sogar absichtlich zu scheitern, um zu sehen, was dann passiert. Natürlich verhalten sich die einzelnen Charaktere aber auch ohne unser zutun manchmal tatsächlich etwas „unlogisch“, zumindest kann man das aus der sicheren Position vor dem Bildschirm so empfinden. Letztendlich weiß man aber gar nicht genau wie man selber in der einen oder anderen Situation reagieren würde bzw. ob man überhaupt noch zu einer Reaktion im Stande wäre und schließlich führt dieses nicht immer ganz dem „gesunden Menschenverstand“ folgen zu interessanten Situationen. Das ist halt der feine Unterschied warum es als Film keinen Oscar gäbe, als Spiel aber einen heiden Spaß bringt. Bei einem durchschnittlichen Spieldurchgang kommt übrigens auf gute 10 Stunden.
Diese Nacht muss Enden – und zwar 186 Mal, oder?
Im Vorfeld wurde bereits publik gemacht, das uns The Quarry 186 mögliche Varianten für das Erreichen des Sonnenaufgangs bietet. Natürlich ist uns allen klar das wir hier in dieser Zahl keine komplett unterschiedlichen Enden erleben werden. Wenn man bedenkt, dass wir neun Teenager haben, von denen jeder einzelne das Zeitliche segnen kann, dann ist dadurch schon die hälfte der Möglichkeiten abgedeckt, die sich dann nur zumeist nur minimal unterscheiden. Wenn man das Spiel einmal durch hat und eventuell auch schon einen Blick auf die Trophäenliste bzw. die Archivements geworfen hat, dann kann man sich einige Schlüsselfaktoren die zu einem besonderen Ausgang der Story führen können durchaus zusammenreimen. Also Varianten sind schon da und auch definitiv ein Wiederspielwert, nur jahrelang werdet ihr euch damit nicht beschäftigen um die Liste der 186 Enden abzuhaken.
Grafik und Sound
Bereits Until Dawn 2015 sah ziemlich gut aus und zauberte eine wahnsinnig packende Atmosphäre auf den Bildschirm. The Quarry legt da optisch natürlich noch mal ein bisschen was drauf, was natürlich ordentlich auf den Punkt Präsentation einzahlt. Die Zeiten von „Die Grafik, ist zweitrangig, Hauptsache die Story ist gut“ sind vorbei und wir müssen eingestehen das gerade durch die hochwertige Optik erst wirkliches „interaktiver Film“-Feeling entsteht. Dass man die Motion Capture-Rollen wieder mit guten und fähigen Akteuren besetzen konnte, trägt auch seinen Teil dazu bei. Sicher hätten auch andere Darsteller die Rollen gut gespielt, doch dieses „Ey, den kenn‘ ich doch“ ist auch immer prima. David Arquette (Scream) als Lagerleiter Chris Hackett, Lance Henriksen (Detroit Become Human) als „verrate ich an dieser Stelle nicht“, Justice Smith (Jurassic World, Pokémon: Meisterdetektiv Pikachu) oder Evan Evagora (Elnor aus Star Trek: Picard) als Nick zum Beispiel kennt man aus Film & Serien und so funktioniert die Verschmelzung von Film und Spiel einfach super. Dazu gesellen sich tolle Kamerafahrten und -Einstellungen, neben eindrucksvolle Bildkompositionen, um das Geschehen in Szene zu setzen.
Bei der Soundkulisse lässt man sich auch nicht lumpen, wobei da die Highlights tatsächlich die sehr stimmigen Umgebungsgeräusche sind. Aber auch gerade das was sich nicht in den Vordergrund drängt, hilft hier dabei, ordentlich Spannung und Atmosphäre aufzubauen. Natürlich gibt es dann auch die Momente, wo urplötzlich ein Geräusch aus nächster Nähe ertönt und es einem vom Headset herab eiskalt den Rücken runter läuft, oder man auch mal zusammenzuckt, je nach Spielertyp. Dazu hat man einen netten Soundtrack zusammengestellt, der mit passender Musik einige Passagen passend untermalt und für Stimmung sorgt. Die vorhandene deutsche Synchronisation ist ebenfalls klasse und sei hier an dieser Stelle lobend erwähnt.
Einfach mal zurückspulen – Deluxe Edition
Die Funktion „Death Rewind“ von The Quarry, die nach dem ersten Durchspielen freigeschaltet wird oder als Bonus für den Kauf der „Deluxe Edition“ angeboten wird, gibt uns drei „Leben“. Diese stehen im Verlauf eines einzigen Durchgangs zur Verfügung. Mit jedem dieser Leben ist es möglich eine wichtigste Entscheidung, die zum Tod eines spielbaren Charakters führt, erneut treffen. Das bedeutet jedoch, dass man unter Umständen recht weit zurückspringt, da das Schicksal einiger Charaktere sie nicht unmittelbar nach der Entscheidung ereilt. Man muss dann das gesamte Spiel von diesem Punkt an erneut spielen. Persönlich stand mir die Funktion direkt zur Verfügung und ich habe sie auch direkt mal ausprobiert, muss aber sagen, dass ich es für absolut ausreichend halte, wenn man sie sich erspielt und damit in einem weiteren Spieldurchgang experimentieren kann. Allerdings bietet die Deluxe Edition noch Bonusoutfits und einen speziellen Filmmodus. Zusätzlich haben die Entwickler in die Einstellungen noch ein paar Filter gepackt um der Optik wahlweise noch einen speziellen Retro-Look zu verpassen.
Fazit zu The Quarry
Zwischen der Ankündigung und dem Release verging nicht wirklich viel Zeit und es gab auch wenig große Meldungen. Doch zahlreiche Trailer und kleinere Berichte über Details haben die Vorfreude enorm gesteigert. Als Fan von Supermassives Art der Geschichtenerzählung und besonders Until Dawn war ich natürlich sehr gespannt und hatte, um es mit einem Wort zu beschreiben „Hoheerwartungen“. Richtig, das ist gar kein Wort, aber trotzdem beschreibt es das so ganz gut. Das abweichen von der Regel, von der üblichen Vorgehensweise. In den dunklen Keller, aus dem die seltsamen Geräusche kommen, sollte ich nicht gehen – spätestens im zweiten Durchlauf renne ich dann förmlich die Treppe herab um zu sehen, was mich dort erwartet.
Mir hat The Quarry viel Spaß gemacht, wenngleich ich ehrlicherweise gestehen muss, dass mich Until Dawn insgesamt mehr gepackt hat. Es war für mein Empfinden gruseliger und die Atmosphäre war dichter. Auch hat man bei The Quarry schnell den Eindruck, dass einem viel früher schon offenbart wird, womit man es zu tun hat, es fehlt ein wenig an Überraschung. Trotzdem wird hier viel richtig gemacht, das Konzept passt, die Präsentation ist stimmig und am Ende gibt es trotzdem noch die große Enthüllung und langsam ergeben dann alle Beweise, die wir hoffentlich gefunden haben, auch total Sinn.
Supermassive liefert mit The Quarry genau das, was man erwartet, auf ziemlich hohem Niveau. Dem einen mag eine der Storys aus den vorherigen Spielen besser gefallen, der nächste hätte sich vielleicht irgendwelche Neuerungen gewünscht. Ich persönlich sage, wenn sie schaffen weiterhin so zu liefern dürfen sie gerne den zuletzt zu beobachtenden Jahrestakt beibehalten, ich würde sogar ein Abo abschließen. Deswegen freue ich mich jetzt schon auch total auf „The Devil in Me“ und solange besuche ich sicher noch mal das Ferienlager „Hackett‘s Quarry“.
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