Bevor uns David Cage und Quantic Dream mit Beyond: Two Souls und dem gerade erschienenen Detroit: Become Human zwei grandiose Geschichten und sehr unterhaltsame Spiele lieferten, führten Sie uns mit Heavy Rain durch einen fantastischen, spielbaren Thriller. Mit Fahrenheit hatten sie 2005 bereits ihren ersten interaktiven Film abgeliefert und nutzten nun 2010 die höhere Leistung der PlayStation 3, um mit realistischerer Grafik noch mehr Film-Feeling zu bieten. Heavy Rain konnte sowohl die Fachpresse als auch die Spieler begeistern und so war es dann für viele erfreulich das ziemlich genau sechs Jahre später für die Playstation 4 eine Remastered-Version erschien.
Story
Ein kleiner Junge wird als vermisst gemeldet, wenige Tage später wird die Leiche gefunden, das Kind ist ertrunken. In den letzten Monaten ist dies die wiederholte Schlagzeile der Tageszeitungen. Der Origami-Killer, wie ihn die Presse taufte, hat wieder zugeschlagen. An den jeweiligen Tatorten findet man immer eine Origami-Figur in der Hand des Opfers und eine Orchidee. Die Polizei tappt im Dunkeln, die Menschen haben Angst und fühlen sich hilflos. Graue Wolken hängen über der Stadt und eine bedrückende Stimmung macht sich breit und seit Wochen regnet es.
Dieser Teil der Story ist das elementare Teilchen, der zentrale Punkt, von dem sich über den gesamten Spielverlauf immer wieder neue Handlungsstränge ausbreiten, um später wieder ineinander zu finden. Man schlüpft abwechselnd in die Rollen vier unterschiedlicher Hauptcharaktere. Da wäre der Architekt Ethan Mars, der sich nach dem Verlust seines ältesten Sohnes Jason schwere Vorwürfe macht und in eine tiefe Depression stürzt, als sein zweiter Sohn Shaun Opfer einer Entführung wird. Neben Ethan wären da noch die Journalistin Madison Paige, die unter chronische Schlaflosigkeit leidet und auf der Suche nach einer großen Story ist. Dazu noch Privatdetektiv Scott Shelby und der FBI-Profiler Norman Jayden, der ein nebenbei noch Suchtproblem hat. Jeder von ihnen jagt den Origami-Killer aus einem eigenen, persönlichem Grund. Entscheidend ist das die Protagonisten nichts miteinander zu tun haben, sich ihre Wege aber im Verlauf der Geschichte auf die eine oder andere Art kreuzen. Zudem konzentriert sich das Spiel nicht nur auf das Vorankommen der Hauptstory, sondern geht vor allem auch auf die privaten Probleme der Charaktere ein. Hier zeigt sich wie stark der Fokus auf dem Erzählen der Geschichte liegt, aber halt auch mit dem Augenmerk darauf dem Spieler immer wieder Entscheidungsmöglichkeiten und verschiedene Varianten zu bieten, wie sich die Geschichte weiterentwickelt.
Grafik
Anno 2010 war Heavy Rain schon ein Hingucker. Gerade die ruhige Erzählweise und filmreifen Kameraeinstellungen machten das Spiel zu einem tollen Erlebnis. Die Umgebungen und Schauplätze glänzten mit stimmungsvollen Lichteffekten und realistischen Schattenwürfen. Alles ist enorm detailreich und wirkt absolut realistisch. Mit den, per Motion-Capturing, digitalisierten Darstellern wird die tolle Optik perfekt abgerundet. Rund 70 Schauspieler haben über Monate hinweg die verschiedensten Rollen verkörpert und so sämtlichen Charakteren filmreif dargestellt. Die Animationen wirken ziemlich realistisch. Wer jetzt denkt, dass dies schon alles sehr gut klingt, der sollte nicht vergessen das wir es mit einem Remaster zu tun haben. Sechs Jahre später und mit der Leistung der PlayStation 4 konnte man einige Schwächen ausmerzen, wie das gelegentlich auftretende Tearing oder das damals grundsätzlich störende Kantenflimmern. Auch die erhöhte Auflösung und die leicht verbesserten Texturen machen sich positiv bemerkbar. Man kann insgesamt bescheinigen das man es nicht nur mit altersbedingt notwendigen Anpassungen zu tun hat, sondern der Titel durch der vorgenommenen Verbesserungen immer noch absolut vorzeigbar ist. Trotzdem tauchen ab und zu auch mal verwaschene Texturen und etwas detailarme Objekte auf. Auch die Geschichtsanimationen sind heutzutage leider nicht mehr überzeugend. Es fehlt oft an Mimik und Ausdrucksstärke.
Sound
Mit dem Sound steht und fällt jede überzeugende Erzählung. Zumindest wenn man das ganze auf einem so hohen Niveau präsentieren möchte, wie es der Anspruch der Entwickler ist, dann muss hier ordentlich was kommen. Die meist recht bedrückende und teilweise melancholische Stimmung wird im Wechsel von traurigen und düsteren Klängen untermalt, die in spannenden und mitreißenden Szenen immer wieder Höhepunkte erfahren. Man wird förmlich in die Geschichte reingesogen und fiebert oft auch mit, ganz so wie man es auch bei einem guten Film kennt. Also absolut alles richtig gemacht. Ein absolutes Sahnestück stellt auch die deutsche Synchronisation dar. Da wir den Titel ja nun rückwirkend betrachten und Beyond: Two Souls und Detroit: Become Human als Vergleich haben, kann man Quantic Dream in diesem Bereich absolut zur ersten Garde zählen. Wer lieber die Originalstimmen hören mag, der kann jederzeit im Spiel auf den englischen oder gar französischen und spanischen Ton umschalten – inklusive Untertitel.
Dass „Heavy Rain“ in keine Schablone passt, spürt man von der ersten Minute an. Um das Verständnis der Mechanik hinter dem Titel zu verstehen, beginnt die Geschichte mit einem ruhigen Prolog. Man erwacht als Ethan in seinem kleinen, idyllischen Haus. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und der Tag ruft: „Raus aus den Federn!“. Durch Symbole wird auf Interaktionsmöglichkeiten in der Umgebung hingewiesen. Um Ethan aus dem Bett zu holen, wird beispielsweise der Analog-Stick benutzt. Je nach Geschwindigkeit und Druckpunkt, kann man ihn langsam und gemächlich aufstehen oder mit einem Ruck aufspringen lassen. In den ersten Spielminuten bestehen die Handlungen aus ganz üblichen Alltagssituationen: Zähne putzen, rasieren, duschen, anziehen. Sämtliche Schritte werden mit den Dual-Sticks durchgeführt. Durch einen Druck auf L2 können wir uns Ethans Gedanken anhören. So bekommen wir oft hilfreiche Hinweise was als Nächstes zu tun ist. Nebenstehend sieht man nämlich dann einen der vier Buttons des Controllers. Wählt man einen Gedanken an, kann man Ethan dabei zuhören, wie er einen geistigen Monolog führt. Er hat Durst, also geht es auf zum Kühlschrank. Die Fortbewegung funktioniert hier ebenfalls nicht ganz konventionell. Um mit einem Charakter zu gehen, muss man die R2-Taste gedrückt halten. Mit dem Analog-Stick gibt man dann die Richtung an. Das ist zwar ungewöhnlich, geht aber nach kurzer Eingewöhnung gut von der Hand, auch wenn man in der einen oder anderen Situationen ein wenig damit kämpfen muss. Am Kühlschrank angekommen, öffnet sich mit einer geschickten Drehung des Analog-Sticks die Türe. Eine weitere Bewegung lässt Ethan zum Orangensaft greifen, doch bevor er ihn trinkt, möchte er ihn zunächst schütteln. Auch das ist kein Problem und wir wackeln einmal kräftig mit dem Controller auf und ab. So banal und simpel dies auch klingen mag, ebenso gelungen ist es umgesetzt.
Singleplayer
Nach der ruhigen Einführung mit Ethans und der Erzählung seiner Vorgeschichte geht es dann auch schon hinein in den Sog dieses interaktiven Thrillers. Nach strahlend blauem Himmel präsentiert sich uns nun die verregnete Stadt. In dunklen, trostlosen Farben liegt sie vor uns. Man spürt den Angstschleier, der sich scheinbar über alles und jeden gelegt hat. Egal ob man sich durch ein vollkommen überfülltes Einkaufszentrum quetschen muss, oder durch heruntergekommene Lagerhäuser schleicht – man hat einfach permanent ein „Mittendrin“-Gefühl. Die Atmosphäre ist extrem dicht und spannend. Dafür sorgen aber natürlich nicht nur die Schauplätze, sondern eben primär das, wofür „Heavy Rain“ steht: Entscheidungsfreiheit. Als Spieler wird einem in jeder Szene die Macht verliehen, selbst die Handlungen der Charaktere zu bestimmen und den Verlauf der Story nachhaltig zu beeinflussen. Zwar gibt es immer wieder Fixpunkte, also quasi „notwendige“ Geschehnisse, die in jedem Durchgang vorgeschrieben sind, doch liegt es allein in der Hand des Spielers, über welche Wege er dorthin gelangt.
Wie bereits in der Einführung beschrieben, hat man stets die Möglichkeit in die Gedanken der Charaktere hineinzuhorchen. Auf die gleiche Art und Weise funktioniert auch die Dialogführung im Spiel. Trifft man auf eine Person, mit der man sich unterhalten kann, schweben diverse Schlagworte um den Kopf der Person. Dadurch erhält man einen Überblick über die mögliche Herangehensweise für ein Gespräch. Geht man sachlich und höflich mit dem Gegenüber um oder wählt man die direkte Konfrontation? Sagt man stets die Wahrheit oder wählt man eine Lüge? Als Spieler hat immer die Wahl und die nimmt einem niemand ab. Dadurch das aber nur grobe Schlagworte angegeben werden funktioniert das Prinzip etwas anders, als man es von Rollenspielen oder Point & Click-Adventures her kennt. Die Antworten stehen nicht einfach sauber aufgelistet vor einem und warten geduldig auf unsere Auswahl. In Stresssituationen beispielsweise, und davon gibt es zahlreiche, zittern die schwebenden Worte oder verziehen sich ein wenig. So ist es nicht immer gleich möglich, alle Handlungsmöglichkeiten klar zu erkennen, und man spürt regelrecht die Anspannung des Charakters. Ist man in solchen Situationen zu langsam, wird eine zufällige Wahl getroffen, die nicht immer positive Auswirkungen hat. Allerdings gibt es in „Heavy Rain“ kein richtig oder falsch. Jede Handlung führt das Geschehen weiter, auf die eine oder andere Weise.
Von der Spielweise unterscheiden sich die Charaktere kaum, zumindest sind sich drei der vier Hauptcharaktere sehr ähnlich. Natürlich besitzen sie alle ihren eigenen Handlungsstrang und ihre eigene Geschichte, aber die große Ausnahme im Konzept stellt der FBI-Profiler Jayden dar. Er ist der einzige, der Spuren sichern und Tatorte direkt vor Ort untersuchen kann. Dafür steht ihm das überaus nützliche „Added Reality Interface“ (ARI) zur Verfügung. Damit kann Jayden Fingerabdrücke und Reifenspuren analysieren, sowie diverse andere Proben untersuchen. Aus den Indizien extrahiert dann die nötigen Informationen und zieht die notwendigen Schlüsse für seinen nächsten Schritt. Dieser Vorgang läuft aber relativ automatisiert ab, man scannt zwar die Umgebung eigenständig und sucht fleißig nach Hinweisen, doch die finale Auswertung übernimmt der Profiler dann allerdings selbst. Ein paar mehr Tüfteleien oder Rätseleinlagen wären hier durchaus noch wünschenswert gewesen.
Neben den bereits erwähnten Standardbewegungen mit dem Analog-Stick gibt es bei der Bedienung ebenfalls noch mehr Abwechslung. So ist es oftmals erforderlich den Stick zum Beispiel sehr langsam zu bewegen, um eine Türe nicht knarren zu lassen oder um sich nicht mit einem scharfen Gegenstand zu schneiden. Rabiate Aktionen, wie das Eintreten einer Tür, werden mit dem Bewegungssensor ausgeführt und verlangen, dass man den Controller ruckartig nach unten bewegt. In diversen Geschicklichkeitspassagen muss man diverse Tastenfolgen gedrückt halten. Dabei muss man nicht selten auch ein wenig Fingerakrobatik an den Tag legen und aufpassen, dass man beim Umgreifen nicht abrutscht. Welche Aktion gerade notwendig ist, wird durch verschiedene Symbole dargestellt. Eine Legende findet man stets über den SELECT-Button. Klassischer geht es da schon bei den vielen Action-Szenen, wie Schlägereien, Schießereien oder Fluchtversuchen zu. Hier sind oft schnelle Reflexe gefragt um die Quick-Time-Events erfolgreich zu meistern. Auf diese Weise beschreitet man seinen Weg bis zum Finale oder besser gesagt, zu einem Finale. Die Entwickler haben 18 verschiedene Enden eingebaut.
Fazit
Die Entwickler von Quantic Dream hatten mit Fahrenheit bereits gezeigt, wie man einen spannenden interaktiven Thriller gestalten kann und wie so ein Konzept aussehen kann. Mit Heavy Rain hatten sie dann einen richtig großen Wurf gelandet und dafür gesorgt das viele Spieler direkt ganz aufgeregt sind, oder vor Vorfreude strahlen, wenn Sie ein neues Projekt ankündigen. Auch wenn die Technik des Spiels etwas in die Jahre gekommen ist, tut das dem Spielspaß keinen Abbruch. Die Jagd nach dem Origami-Killer ist einfach ein unheimlich spannender Thriller und ein absolut grandioses Spielerlebnis. Etwas verwunderlich ist das man den DLC „Der Tierpräparator“ nicht mitgeliefert hat, das haben andere Remastered-Veröffentlichungen schon besser gemacht. Andererseits ist das Fehlen dieses Mini-Addons auch kein großer Verlust. Wer bereits die PS3-Version besitzt, hat keinen zwingenden Grund auf die PS4-Version umzusteigen, jedem der Heavy Rain bisher noch nicht erlebt hat und dem solche Spiele gefallen, dem kann man nur empfehlen diesen Titel nachzuholen.